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in der Hoffnung auf weiteres Fallen der Preise
zögernd gekauft haben: sie haben bis zum 1. November
d. Is. 844 502 Ballen gegen 869 712 Ballen im Vor-
jahr, also 25 000 Ballen weniger, gekauft. Allerdings
ist der Export (bis 31. Oktober) etwas größer als im
Vorjahr: 2365 876 gegen 1 943 174 Ballen. Dies
beweist aber für die spezische Marktlage nichts, weil der
weit entfernt wohnende Verbraucher, für den vom Tage
des Kaufes bis zum Tage der Ablieferung der Baum-
wolle oft einige Monate vergehen, sein Rohprodukt
kaufen muß, ohne auf den Markt in gleicher Weise Rück-
sicht nehmen zu können wie der amerikanische Spinner.
Großes Angebot und zögernde Nachfrage wirken
naturgemäß ungünstig auf die Preisbildung ein.
Middling-Baumwolle hat zu Anfang 1911 etwa 15 c
gekostet, seit Wochen nur noch 9 oder 9½ c. Dieser
Preis deckt aber nicht mehr die Produktionskosten des
Farmers, die nach zuverlässigen Zusammenstellungen
auf rund 10½ c für ein Pfund zu veranschlagen sind.
Das Mißverhältnis zwischen Produktionskosten
und Verkaufswert hat allmählich zu der Überzeugung
geführt, daß Abhilfe geschaffen werden müsse. Auf
Betreiben des Gouverneurs des Staates Texas und
des ihm zur Seite stehenden Herausgebers des „Fort
Worth Reconl“, Clarence Onsley, wurde die Ein-
berufung einer Baumwollkonunferenz der Gouver-
neure der Südstaaten nach New Orlcans an-
geregt, die am 30. und 31. Oktober stattgefunden hat.
Auf ihr waren die Gouverneure der Baumwoll-Staaten
teils persönlich anwesend, teils haben sic besondere
V;ertreter entsandt; außerdem waren die Baumwoll-
kreise und die Bankwelt zahlreich vertreten.
Aus den in der Ronferenz zur Annahme gelangten
Vorschlägen usw. sind folgende Punkte hervorzuheben:
1. Die Baumwollpflanger sollten ihre Baumwolle
so lange vom Markte fernhalten, bis angemessene
Preise geboten werden.
Die Pflanzer sollten dem Beispiel von Louisiana
folgen und zum Fruchtwechsel (diversification of
Crols) übergehen.
3. Es sollten staatliche Lagerhäuser gebaut und
von diesen für die eingelieferte Baumwolle
Lagerscheine ausgegeben werden, die begebbar
sein müssen (negotianble receipts).
4. Das System der von der Bundesregierung aus-
gegebenen Ernteberichte müßte so ergänzt werden,
daß auch Zusammenstellungen über den Welt-
bedarf an Baumwolle veröffentlicht würden.
5. Die Baumwollspekulanten sollten verfolgt werden.
6. Der Kongreß sollte ein Gesetz zur Regulierung
des Terminhandels und zur Beseitigung seiner
Auswüchse erlassen.
7. Jeder Gouverneur sollte von den Baumwoll=
flanzern seines Staates das schriftliche Ver-
sprechen einfordern, daß sie die Anbanfläche für
Baumwolle im Jahre 1912 um 25 v. H. gegen
1911 verringern werden.
#§. In den Entwurf eines Bundesgesetzes über die
Umlaufmittel sollte eine Bestimmung aufgenom-
men werden, wonach unter die zur Deckung
geeigneten Handelspapiere auch solche aufgenom-
men werden, die auf Grund von Baumwoll=
transaktionen ausgestellt sind.
9. Es besteht seitens einer Gruppe von Groskapi--
talisten die Absicht, 2000000 Ballen Baumwolle
neuer Ernte aufzukaufen und sie so lange aus
dem Markte herauszuhalten, bis die Preise ge-
stiegen sind.
10. Es soll eine dauernde Organisation der Gon-
verneure geschaffen werden, die über die Frage
der Preisbildung Fühlung halten soll.
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Nur zu einigen der vorstehend aufgeführten Punkte
seien folgende kurze Bemerkungen hinzugefügt.
Zunächst ist zu Nummer 9 zu erwähnen, daß
dieser Vorschlag von ungenannt gebliebenen Finanz-
leuten gemacht ist; es ist über die Angelegenheit in
geheimer Sitzung beraten und über das Ergebnis
Stillschweigen beobachtet worden.
Der Plan des Banes staatlicher Lagerhäuser
(Nr. 3) beruht auf einem eingebenden Vortrag des
Präsidenten der Baumwollbörse in New Olrleaus.
Dieser hat schon seit lange eine solche Maßnahme für
New Orleans, die dann für die anderen Staaten vor-
bildlich sein soll, angeregt und vorbereitet. Nach ihm
soll durch Gesetz der staatlichen Hafenbehörde (Board
of Dock Commissioners) die Befugnis gegeben werden,
solche Lagerhäuser für Baumwolle zu errichten und
Lagerscheine auszustellen. Der Plan, der bei Beginn
seiner Erörterung vor einigen Jahren zugleich den
Zweck verfolgte, New Orleans als Baumwollmarkt
wieder auf die vor Jahren innegehabte Höhe zu
bringen, hat selbst in New Orleans niemals ungeteilten
Beifall gefunden.
Wenn jetzt auf der Konferenz für alle in Betracht
kommenden Staaten der Bau staatlicher Lagerbänuser
empfohlen worden ist, so läßt sich jedenfalls das Be-
denken nicht unterdrücken, ob die Maßnahme — falls
wirklich durchgeführt — so gleichmäßig arbeiten wird.
daß sie Nutzen bringt. Es mag auch angeführt werden,
daß von anderer Seite angeregt worden ist, wenn
nun schon staatliche Intervention für nötig erachtet
werde, solle die Bundesregierung die Sache in die Hand
nehmen. Man hat dabei an eine Maßregel ähulich
der Valorisation des Kaffees seitens der brasiliani-
schen Regierung gedacht. Sobald der Gedanke aber
nur geäußert war, ist er auch als ganz altväterische
Bevormundung (paternalism) bekämpft worden. Es
entspricht dem amerikanischen Nationalcharakter eben
wenig, in schwierigen Lagen Abhilfe in erster Linic
beim Staate und bei der Gesetzgebung zu suchen.
Es ist nicht leicht zu sagen, ob und welche prakti-
schen Folgen diese Baumwollkonferenz haben wird.
Durchgesetzt hat sich zweifellos die Uberzeugung, daß
mehr als bioher die Zurückhaltung der Baumwolle
neuer Ernte angestrebt werden müsse. Welche Mittel
aber immer zur Anwendung gebracht werden sollten,
so werden sie voraussichtlich nicht durch staatliche Maß-
nahmen, sondern durch andere Interessengemeinschaften,
wie Pflanzer-Bereinigungen oder ähnliche Organi-
sationen durchgeführt werden. Es mag sehr wohl sein,
daß hier und da auch ein staatliches Lagerhaus ge-
baut wird, aber die Regel wird es kaum werden.
Ebenso ist es schwer zu glauben, daß z. B. die Gou-
verneure von den Farmern ihres Staates eine schrift-
liche Verpflichtung erreichen werden, in der diese sich
verpflichten, im nächsten Jahre ihre Baumwoll-Anbau-
flüche um 25 v. H. zu verkleinern.
(Nach einem Berichte des Kaiserl. Konsuls in
New Orleans vom 8. November 1911.)
Stand der ägyptischen Baumwollernte im
November 1911.)
In Unterägypten war die Witterung im
November mit Ausnahme der ersten zehn Tage
sehr günstig. Die zweite und dritte Pflücke haben
davon großen Vorteil gehabt. Der Regen, der
) Agl. „D. Kol. Bl.“ 1911, S. 902.