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gerufen hat und es weniger politische Gründe waren,
die ihn zum Abweis des KRaufantrags veranlaßt haben.
Man kann daher diesen Ausgang der Verhandlungen
nur als wünschenswert bezeichnen.
Das oben entworfene Bild der Landschaft bleibt
bis Gadjsi und auch darüber hinaus noch während
mehrerer Marschstunden das gleiche, bis man die Aus-
läufer des Ngao Dukkum-Gebirges erreicht. Diese
werden auf einem bequemen Aufstieg., aber einem umso
beschwerlicheren Abstieg in dem altkrystallinen Gestein
mit seinen Geröllagern überwunden. Hat man nach
zweistündigem Marsch dieses hinter sich, so setzt wieder
dasselbe Bild wie vorher ein, nur daß man kein ein-
ziges Dorf mehr zu Gesicht bekommt. Diese nicht
schlechten Flüchen sind ungenutzt. Das hat wohl seine
Ursache in der großen Entfernung von der Hauptstadt
und in der bedrohlichen Nachbarschaft der in den
Mbere-Bergen sitzenden Heiden, gegen die der Fulbe
wehrlos ist. Er muß auch jetzt noch mit ansehen, wie
ihm seine einzeln gehenden Hirtensklaven von der
Herde weggelockt bew. gestohlen werden. So folgten
mir unaufgefordert zwei Fulbegroße, welche hofften,
mit meiner Unterstützung ihre kürzlich gestohlenen
Sklaven wieder zu erlangen.
Oat der Weg so lange immer ungefähr auf
gleicher Höhe geführt. so fällt er nach vierstündigem
Marsch vom Ngao-Dukkum-Abstieg plötzlich ungefähr
50 m ab; man befindet sich jetzt in cinem weiten Tal,
der Mbere-Ebene. Ich war außerordentlich ge-
spannt, diese Hauptstütze der ausgegeichneten Beschaffen-
heit der Ngaundere-Viehzucht kennen zu lernen und
hatte gehofft, was um diese Zeit sonst schon der Fall
ist, die weiten Flächen von Viehherden erfüllt zu sehen.
Leider war das nicht der Fall, da ein in Gadji sta-
tionierter eifriger Zollsoldat irrtümlicherweise den dem
gewohnten Weideplatze zuziehenden Herden die Passage
verboten hatte. War mir aus diesem Grunde die Be-
sichtigung der im Mberec-Tal weidenden Herden ver-
sagt, so konnte ich mir doch jetzt ein Bild von diesem
vielgerühmten Platz machen. Er stellt sich dar als eine
etwa 14 000 hn große, von einer Reihe kleiner Fluß-
läufe durchströmten Ebene, deren Boden durchweg tief-
gründiges Schwemmland ist, das den kleinen, dem
umliegenden Gebirge entströmenden Wassern seine Ent-
stehung verdankt. als Ablagerung der von diesen mit-
geführten Gneis-VDerwitterungen. Wir finden hier einen
hellgrauen Lehmboden vorherrschend, der nur in der
Mitte der Fläche von einem sich in der Längsrichtung
derselben erstreckenden flachen Rücken unterbrochen wird,
der seltsamerweise Lateritbildung zeigt. Die kleinen
Wasserläufe führten alle noch ziemlich viel Wasser,
trotzddem es schon Mitte Dezember war. Diesem Um-
stand und der den Untergrund bildenden, schwer wasser-
durchlässigen Tonschicht verdanken diese Flächen, daß
sie auch während der Trockenzeit genügend Feuchtigkeit
zur Produktion frischen Graswuchses enthalten. Manche
von mir besichtigten Stellen waren noch ausgesprochen
sumpfig, so daß es nicht zmöglich war, dort mit dem
Pferde durchzukommen. Zur Zeit meiner Anwesenheit,
wo andernorts kaum noch Futter zu finden war, sprießte
hier auf den erst kür zlich gebrannten Flächen junges,
frisches Gras. An anderen Stellen war das alte Gras-
cben so weit trocken, daß cs brennbar war; an den
sumpfigen Stellen konnte man das Einsetzen des Gras-
wuchses erst gegen Ende der Trockenzeit erwarten.
So ist es möglich, daß während der ganzen futter-
armen Zeit die Ernährung des Viehes seichergestellt
ist, das eine Fläche die andere in der Futterproduktion
ablost.
Fassen wir zusammen, so gestaltet sich also der
Gang der Ernährung des Ngaundere-Biehes folgender-
maseen:
Mit Beginn der ersten Regen setzt sofort auf allen
bis dahin kahlen, in ihrem gebrannten Zustande nicht
gerade erfreulich aussehenden Flächen des Hochplateaus-
der frische Graswuchs ein, der die Viehernährung
sicherstellt bis in den November, wo das Gras so
holzig geworden ist, daß es nur noch das Brennen
wert ist. In dieser zoeit befindet sich ein großer Teil
des Viehes in der weiteren Umgebung Ngaunderes,
der andere Teil aber in der Nähe der Farmdörfer.
Wenn die Grasbrände beginnen, ista die zeit gekommen.
wo die Salzquellen im Gebiet der Wina hochwasserfrei
werden und alles nach diesem gesegneten Füllhorn
zusammenströmt. Drei bis vier Tagereisen und auch
noch weiter kommen die Herden heran und warten
geduldig, bis die Reihe des Tränkens an sie kommt.
Es ist bewundernswert, mit welcher Ruhe sich dieser
gewaltige Betrieb hier abspielt. Jn Deutschland würde
bei gleichen Verhältnissen wohl kaum ein Tag vergehen.
wo sich die Hirten nicht aus Neid in die Haare ge-
rieten. Mühsam, aber unermüdlich muß das Wasser
mit Kalebassen geschöpft werden, welche, durch vier
Paar Hände wandernd, ins Kanu entleert werden.
Aus diesem wird wieder ein zweites, am Ende des
ersten befestigtes gefüllt, so daß der Tränkplatz auf
diese Weise sehr vergrößert wird. Aber der Durst der
Tiere ist auch ganz gewaltig. Es ist., als ob die
Rinder, die doch eben schwimmend die Wina passiert
haben, sich ihren Durst bis hier aufgespart haben und
nun alles Versäumte nachholen wollten. Mit rundem,
prallem Wanst verlassen die Tiere den Tränkplatz und
schwimmen an das andere Ufer der Wina zurück, um
dort bis zum nächsten Tage zu weiden, an dem das
gleiche Spiel von neuem beginnt. Acht Tage danert
gewöhnlich für jede Herde die Tränkzeit. Dann ziehen
die Tiere langsam wieder ihrem Heimatddorfe zu, wo
in gwischen die Kornernte begonnen hat und die Nach-
lese auf dem Felde dem Vieh als eine Art Praftfutter
nach der den Stoffumsatz sicher sehr fördernden Laure-
Tränkung überlassen wird. Ist diese Futterquelle auch
erschöpft, dann wandern die Herden auf verschiedenen
Wegen dem Sommerweideplatz zu. Kleinere Besitzer
treiben teilweise in das Ro-Tal, nordwestlich Ngaun-
dere, teilweise südlich in das Tal des Dsjerem.
Der größte Teil aber, besonders der Besitz des Lamidos
und seiner Großen, geht in die Mbere-Ebene, die
neben ihrem besseren Futter noch den Vorteil der
Tsetse-Freiheit hat. während diese in den beiden
anderen Flußgebieten strichweise vorkommen soll. Noch
unter der Nachwirkung der Laure= Tränkung stehend,
ist die grüne und reiche Weide der Mbere-Niederung
natürlich eine ausgezeichnete Ernährung, die nach dem
Kornfutter gleichsam eine diätetische Einlage bedeutet.
Dieser Aufenthalt dehnt sich über zwei Monate aus,
bis gegen Mitte Febrnar. Dann zieht das Vieh, wenn
die ersten Regen einsetzen, wieder nach der Laure, um
noch einmal getränkt zu werden, worauf es in die
Oeimat zurückkehrt, wo jett allmählich die Gras-
ernenerung mit Macht eingesetzt hat: denn der Regen
wirkt geradezu zaubernd auf diese Böden, die bald
nach den ersten Regen sich mit einem üppigen Grasflor
überzogen haben.
Daß das Vieh von der Heimat aus, namentlich
bei günstiger Lage zur Laurc, solange das Hochwasser
JßcS erlaubt, die Tränke in regelmäsßzigen zwischenzeiten
auonuten wird. ist sicher angunehmen.
Diesen regelmäßigen Wechsel macht Unn der größte
Teil des Viehs jedes Jahr durch. Nur das für die
Milchlieferung nötige wird in der Nähe Ngaunderes
behalten und nachts in die Stadt geholt, um hier ge-
füntert und morgens gemolken zu werden, denn der
Fulbe liebt die Milch. Sic ist ihm Ersatz für den