Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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gerufen hat und es weniger politische Gründe waren, 
die ihn zum Abweis des KRaufantrags veranlaßt haben. 
Man kann daher diesen Ausgang der Verhandlungen 
nur als wünschenswert bezeichnen. 
Das oben entworfene Bild der Landschaft bleibt 
bis Gadjsi und auch darüber hinaus noch während 
mehrerer Marschstunden das gleiche, bis man die Aus- 
läufer des Ngao Dukkum-Gebirges erreicht. Diese 
werden auf einem bequemen Aufstieg., aber einem umso 
beschwerlicheren Abstieg in dem altkrystallinen Gestein 
mit seinen Geröllagern überwunden. Hat man nach 
zweistündigem Marsch dieses hinter sich, so setzt wieder 
dasselbe Bild wie vorher ein, nur daß man kein ein- 
ziges Dorf mehr zu Gesicht bekommt. Diese nicht 
schlechten Flüchen sind ungenutzt. Das hat wohl seine 
Ursache in der großen Entfernung von der Hauptstadt 
und in der bedrohlichen Nachbarschaft der in den 
Mbere-Bergen sitzenden Heiden, gegen die der Fulbe 
wehrlos ist. Er muß auch jetzt noch mit ansehen, wie 
ihm seine einzeln gehenden Hirtensklaven von der 
Herde weggelockt bew. gestohlen werden. So folgten 
mir unaufgefordert zwei Fulbegroße, welche hofften, 
mit meiner Unterstützung ihre kürzlich gestohlenen 
Sklaven wieder zu erlangen. 
Oat der Weg so lange immer ungefähr auf 
gleicher Höhe geführt. so fällt er nach vierstündigem 
Marsch vom Ngao-Dukkum-Abstieg plötzlich ungefähr 
50 m ab; man befindet sich jetzt in cinem weiten Tal, 
der Mbere-Ebene. Ich war außerordentlich ge- 
spannt, diese Hauptstütze der ausgegeichneten Beschaffen- 
heit der Ngaundere-Viehzucht kennen zu lernen und 
hatte gehofft, was um diese Zeit sonst schon der Fall 
ist, die weiten Flächen von Viehherden erfüllt zu sehen. 
Leider war das nicht der Fall, da ein in Gadji sta- 
tionierter eifriger Zollsoldat irrtümlicherweise den dem 
gewohnten Weideplatze zuziehenden Herden die Passage 
verboten hatte. War mir aus diesem Grunde die Be- 
sichtigung der im Mberec-Tal weidenden Herden ver- 
sagt, so konnte ich mir doch jetzt ein Bild von diesem 
vielgerühmten Platz machen. Er stellt sich dar als eine 
etwa 14 000 hn große, von einer Reihe kleiner Fluß- 
läufe durchströmten Ebene, deren Boden durchweg tief- 
gründiges Schwemmland ist, das den kleinen, dem 
umliegenden Gebirge entströmenden Wassern seine Ent- 
stehung verdankt. als Ablagerung der von diesen mit- 
geführten Gneis-VDerwitterungen. Wir finden hier einen 
hellgrauen Lehmboden vorherrschend, der nur in der 
Mitte der Fläche von einem sich in der Längsrichtung 
derselben erstreckenden flachen Rücken unterbrochen wird, 
der seltsamerweise Lateritbildung zeigt. Die kleinen 
Wasserläufe führten alle noch ziemlich viel Wasser, 
trotzddem es schon Mitte Dezember war. Diesem Um- 
stand und der den Untergrund bildenden, schwer wasser- 
durchlässigen Tonschicht verdanken diese Flächen, daß 
sie auch während der Trockenzeit genügend Feuchtigkeit 
zur Produktion frischen Graswuchses enthalten. Manche 
von mir besichtigten Stellen waren noch ausgesprochen 
sumpfig, so daß es nicht zmöglich war, dort mit dem 
Pferde durchzukommen. Zur Zeit meiner Anwesenheit, 
wo andernorts kaum noch Futter zu finden war, sprießte 
hier auf den erst kür zlich gebrannten Flächen junges, 
frisches Gras. An anderen Stellen war das alte Gras- 
cben so weit trocken, daß cs brennbar war; an den 
sumpfigen Stellen konnte man das Einsetzen des Gras- 
wuchses erst gegen Ende der Trockenzeit erwarten. 
So ist es möglich, daß während der ganzen futter- 
armen Zeit die Ernährung des Viehes seichergestellt 
ist, das eine Fläche die andere in der Futterproduktion 
ablost. 
Fassen wir zusammen, so gestaltet sich also der 
Gang der Ernährung des Ngaundere-Biehes folgender- 
maseen: 
  
Mit Beginn der ersten Regen setzt sofort auf allen 
bis dahin kahlen, in ihrem gebrannten Zustande nicht 
gerade erfreulich aussehenden Flächen des Hochplateaus- 
der frische Graswuchs ein, der die Viehernährung 
sicherstellt bis in den November, wo das Gras so 
holzig geworden ist, daß es nur noch das Brennen 
wert ist. In dieser zoeit befindet sich ein großer Teil 
des Viehes in der weiteren Umgebung Ngaunderes, 
der andere Teil aber in der Nähe der Farmdörfer. 
Wenn die Grasbrände beginnen, ista die zeit gekommen. 
wo die Salzquellen im Gebiet der Wina hochwasserfrei 
werden und alles nach diesem gesegneten Füllhorn 
zusammenströmt. Drei bis vier Tagereisen und auch 
noch weiter kommen die Herden heran und warten 
geduldig, bis die Reihe des Tränkens an sie kommt. 
Es ist bewundernswert, mit welcher Ruhe sich dieser 
gewaltige Betrieb hier abspielt. Jn Deutschland würde 
bei gleichen Verhältnissen wohl kaum ein Tag vergehen. 
wo sich die Hirten nicht aus Neid in die Haare ge- 
rieten. Mühsam, aber unermüdlich muß das Wasser 
mit Kalebassen geschöpft werden, welche, durch vier 
Paar Hände wandernd, ins Kanu entleert werden. 
Aus diesem wird wieder ein zweites, am Ende des 
ersten befestigtes gefüllt, so daß der Tränkplatz auf 
diese Weise sehr vergrößert wird. Aber der Durst der 
Tiere ist auch ganz gewaltig. Es ist., als ob die 
Rinder, die doch eben schwimmend die Wina passiert 
haben, sich ihren Durst bis hier aufgespart haben und 
nun alles Versäumte nachholen wollten. Mit rundem, 
prallem Wanst verlassen die Tiere den Tränkplatz und 
schwimmen an das andere Ufer der Wina zurück, um 
dort bis zum nächsten Tage zu weiden, an dem das 
gleiche Spiel von neuem beginnt. Acht Tage danert 
gewöhnlich für jede Herde die Tränkzeit. Dann ziehen 
die Tiere langsam wieder ihrem Heimatddorfe zu, wo 
in gwischen die Kornernte begonnen hat und die Nach- 
lese auf dem Felde dem Vieh als eine Art Praftfutter 
nach der den Stoffumsatz sicher sehr fördernden Laure- 
Tränkung überlassen wird. Ist diese Futterquelle auch 
erschöpft, dann wandern die Herden auf verschiedenen 
Wegen dem Sommerweideplatz zu. Kleinere Besitzer 
treiben teilweise in das Ro-Tal, nordwestlich Ngaun- 
dere, teilweise südlich in das Tal des Dsjerem. 
Der größte Teil aber, besonders der Besitz des Lamidos 
und seiner Großen, geht in die Mbere-Ebene, die 
neben ihrem besseren Futter noch den Vorteil der 
Tsetse-Freiheit hat. während diese in den beiden 
anderen Flußgebieten strichweise vorkommen soll. Noch 
unter der Nachwirkung der Laure= Tränkung stehend, 
ist die grüne und reiche Weide der Mbere-Niederung 
natürlich eine ausgezeichnete Ernährung, die nach dem 
Kornfutter gleichsam eine diätetische Einlage bedeutet. 
Dieser Aufenthalt dehnt sich über zwei Monate aus, 
bis gegen Mitte Febrnar. Dann zieht das Vieh, wenn 
die ersten Regen einsetzen, wieder nach der Laure, um 
noch einmal getränkt zu werden, worauf es in die 
Oeimat zurückkehrt, wo jett allmählich die Gras- 
ernenerung mit Macht eingesetzt hat: denn der Regen 
wirkt geradezu zaubernd auf diese Böden, die bald 
nach den ersten Regen sich mit einem üppigen Grasflor 
überzogen haben. 
Daß das Vieh von der Heimat aus, namentlich 
bei günstiger Lage zur Laurc, solange das Hochwasser 
JßcS erlaubt, die Tränke in regelmäsßzigen zwischenzeiten 
auonuten wird. ist sicher angunehmen. 
Diesen regelmäßigen Wechsel macht Unn der größte 
Teil des Viehs jedes Jahr durch. Nur das für die 
Milchlieferung nötige wird in der Nähe Ngaunderes 
behalten und nachts in die Stadt geholt, um hier ge- 
füntert und morgens gemolken zu werden, denn der 
Fulbe liebt die Milch. Sic ist ihm Ersatz für den
	        
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