Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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den Zinsendienst anderer Neubauten verwenden 
können. Ahnlichen Erwägungen sollte bei uns 
die Nachricht begegnen, daß der alte Plan, den 
Nyassasee durch eine Bahn mit Beira zu ver- 
binden, jetzt seiner Verwirklichung näher gebracht 
werden soll. Natürlich will ich damit nicht der 
Politik das Wort reden, die Gebiete am Biktoria- 
und am NMoyassasee endgültig auf die fremden 
Bahnen anzuweisen. Das wäre nur zu verant- 
worten, wenn dazu eine verkehrsgeographische 
Notwendigkeit vorläge; das aber ist nicht der 
Fall. Nur sollen wir dort mit eigenem Vor- 
gehen warten, bis wir alles Nötigere im übrigen 
Teile des Landes getan und die Arme für jene 
Arbeiten frei haben und bis das dortige eigene 
Vorgehen wirkliches Bedürfnis, sei es verwaltungs- 
technischer, sei es strategischer, sei es wirtschaft- 
licher Natur, wird. Daß die Stützung großer 
Gebiete auf fremde Linien ein Notbehelf ist, 
wollen auch wir nicht vergessen; ein Notbehelf 
namentlich dann, wenn im Hafen des Ausgangs- 
punktes der fremden Bahn die deutsche Handels- 
flagge seltener weht als die nichtdeutsche, so daß 
der Güteraustausch deutschen Neulandes der Heimat 
verloren geht. 
Wesentlich andere Beurteilung verlangt der 
Fall, daß eine fremde Bahn einer unserer Linien 
Abbruch zu tun droht. So lag die Sache z. B. 
für die deutsche Tanganjikabahn. Sie sollte nach 
der Kolonialbahnvorlage vom Jahre 1908 einst- 
weilen nur bis Tabora reichen. Man glaubte, 
schon damit wenigstens die deutschen Tanganjlka- 
länder in ihren Bereich zu ziehen und sich bis 
auf weiteres mit diesem Ziele zufrieden geben zu 
müssen, weil sich noch nicht übersehen ließ, ob 
die Geldquellen des Landes so reichlich und so 
schnell fließen würden, daß man sofort bis an 
den See vorstoßen könne. Da entschloß sich 
Belgien zum Bau der Lukugabahn. Damit änderte 
sich die Lage von Grund auf. Wäre jetzt noch 
die deutsche Linie volle drei Längengrade vom 
See entfernt geblieben, so wären die deutschen 
Tanganjikaländer der Kongostraße tributpflichtig 
geworden, die ihnen dann trotz des mehrmaligen 
Übergangs zwischen Schiff und Bahn — in 
Albertville, Kabalo, TLongolo, Kindu, Ponthierville, 
Stanleyville, Leopoldville und Matadi — den 
günstigsten Weg geboten hätte. Die deutsche Bahn 
wüäre dadurch eines erheblichen Verkehrs, mit dem 
sie bei ber Hoffnung auf bescheidene Rente gerechnet 
hatte, wäre ihrer Lebensfähigkekt beraubt worden. 
Hier mußte die Tanganjikabahn dem belgischen 
Vorgehen mit schleunigstem Vorstoß an den See 
antworten. Infolgedessen geben wir ihr nunmehr 
sofort den natürlichen Endpunkt am See, oder, 
wenn Sie wollen: geben ihr statt eines End- 
  
punktes eine gewaltige Endfläche. Hierüber 
an späterer Stelle einiges mehr. - 
Angriff und Abwehr sind heute schon nicht 
mehr die einzigen Beziehungen zu den Bahuen 
benachbarter Kolonien. Hier und da ist bercits 
Zusammenarbeiten nötig. Das wird künftig noch 
stärker hervortreten: es beginnt die Zeit der inter- 
kolonialen Bahnen auch für uns. 
In gewissem Sinne wird unsere Tangansika- 
bahn nach ihrer Vollendung bis zum See rime 
interkolontale Linie seln: Schwer= und Eilgüter 
nach Nordkatanga dürften künftig die deutsche und 
die belgische Tanganjikabahn dem Kongowege vor- 
ziehen. Im deutsch-französischen Kongoabkommen 
vom Jahre 1911 spielt der Gedanke gemeinsamer 
Bahnen schon eine beachtliche Rolle. Man hat 
auch für Südwestafrika interkoloniale Linien 
empfohlen: die von Swakopmund und von Lä- 
deritzbucht ausgehenden Bahnen sollten unverzüg- 
lich Anschluß an die Bergwerksgebiete Südofrikos, 
namentlich an die Gegend von Johannesburg suchen. 
Solche Pläne sind sehr volkstümlich, aber nach 
meiner Ansicht auch sehr abwegig. Daß wir irgend- 
einen nennenswerten Anteil an der üÜberseeischen 
Zufuhr in die genannten Gebiete erobern sollten, 
halte ich für ausgeschlossen: die Geographie ist 
gegen uns und läßt sich nicht meistern. Von 
Swakopmund und Lüderitzbucht ist es nach Jo- 
hannesburg ungefähr 1000 km weiter als von 
der Delagoabai, ungefähr ebenso weit wie von 
Kapstadt. Die deutschen Plätze könnten mit dem 
portugiesischen den Kampf ebensowenig aushalten 
wie der englische. Möglicherweise würden wir 
die Post, die Reisenden und hochwertige Eilgüter, 
die jetzt über Kapstadt gehen, auf unsere Linie 
ziehen können, weil sie etwa zwei Tage Seefahrt 
gegenüber dem Kapstädter Wege sparen würden. 
Selbst das ist jedoch ungewiß, weil künftig unter 
Umständen der Weg von der Lobitobäl über 
Katanga noch günstiger wird. Jedenfalls koͤnnte 
die deutsch-englische Durchgangslinie von Post, 
Reisenden und Eilgütern nicht leben. Vielleicht 
würde Südafrika dann unsere Kolonie über Land 
mit Kohle versorgen. Das ist aber nur für einen 
Tell der Kolonie, für den dstlichen, möglich, weil 
weiterhin der Seeweg billiger bleibt. Immer 
aber handelt es sich um so geringe Mengen un 
so niedrige Frachtsähe, daß es für die Rente der 
Bahn nicht viel verschlägt. Endlich: gröbere 
Massen eigener Erzeugnisse nach Südafrika ab- 
zusetzen, daran kann unsere Kolonie noch lange 
nicht denken. Wir werden uns gedulden müsfen, 
bis die zwischen den deutschen und den englischen 
Linlen liegenden Gebiete selbst der Bahnen 
deren Vorbau 
den beiden Neyen genügend klein geworden,
	        
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