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Milchkühe vorhanden, erhalten sie, meist schon in
den ersten Tagen nach der Geburt, rohe Kuh—
milch, die sie, nach Aussage vieler intelligenter
Eingeborener, gut vertragen sollen. So werden
die Säuglinge gewöhnlich zehn bis zwölf Monate
genährt; in manchen Landesteilen soll das Stillen
zwei Jahre dauern.
Am Ende des ersten Jahres beginnt dann
die Ernährung mit kleinen Portionen Bananen-
brei, der ja hier fast die ausschließliche Nahrung
der Erwachsenen bildet, daneben mit Kartoffeln,
Bohnen und, wenn vorhanden, auch mit Fleisch,
so daß die Kinder im Laufe des zweiten Jahres
so weit kommen, daß sie dieselbe Nahrung wie
die Erwachsenen zu sich nehmen. Bei dieser Art
der Ernährung sollen nur sehr wenig Kinder zu-
grunde gehen.
Wo jedoch die Kuhmilch fehlt, sollen die
Eltern schon vorher anfangen, die Säuglinge mit
anderer Nahrung zu füttern, und zwar, sobald
die ersten Zähne sich zeigen, also etwa mit sechs
bis acht Monaten. Allerdings befolgen die Ein-
geborenen der oben erwähnten Sultanate dabei
nicht die Taktik der Karagweleute, daß sie nämlich
die Kinder sozusagen vollstopfen, sondern sie be-
ginnen die Gewöhnung an die Erwachsenen-
Nahrung immer ganz allmählich, so daß auch bei
dieser Methode die Kinder im allgemeinen gedeihen
sollen, soweit sie nicht interkurrenten Krankheiten
erliegen. Saure Milch wird anscheinend über-
haupt nicht genossen. Sehr selten soll es sein,
daß einmal eine Frau selbst gar nicht stillen kann.
Dann findet sich wohl immer eine Bekannte, die
das Kind mit an ihre Brust nimmt.
* r
1
Soweit die vorliegenden Berichte. Wenn wir
nunmehr die Ergebnisse überblicken, so ist allen
Stämmen gemeinsam die ausgiebige Ernährung
der Säuglinge mit Muttermilch. Bei den meisten
Stämmen wird diese Form der Säuglingsernäh-
rung für so wichtig angesehen, daß, wenn die
eigene Mutter ausfällt, gewohnheitsmäßig Ver-
wandte für sie eintreten oder Ammen gegen Ent-
gelt angenommen werden. Fast allen Stämmen
gemeinsam ist auch die Ausdehnung des Still-
geschäfts auf eine ungewöhnlich lange Zeit, die
sich über mehrere Jahre erstrecken kann. Bis
hierher ist also zweifellos das ostafrikanische Ein-
geborenenkind sehr viel günstiger gestellt als das
deutsche Kind, das, wie bekannt, nur allzu häufig
seine natürliche und durch nichts ersetzliche Nah-
rung — die Muttermilch — aus allerlei Gründen
überhaupt entbehren muß oder nur eine allzu
kurze Zeit genießen darf.
Unzweckmäßig und im Interesse der Kinder
zu bedauern ist die in vielen der Außerungen ge-
schilderte frühzeitige Beigabe von allerlei Suppen
und Breien, von roher, unverdünnter oder gar
saurer Milch und von anderen Stoffen, wie sie
fast alle Stämme im vermeintlichen Interesse der
Kinder in bester Absicht ausüben. Wenn man
indessen auch hier wieder heimische Verhältnisse
zum Vergleiche heranzieht und überlegt, daß noch
heutzutage in Deutschland in manchen Kreisen die
Ernährung der Kinder mit allerlei Kindermehlen,
allein oder als Zugabe zur Kuhnmilch, verbreitet
ist, daß auf dem Lande bei uns auch heute noch
Brei und Schnuller ihre Rolle spielen, so wird
man die Lage des ostafrikanischen Eingeborenen-
säuglings gegenüber dem deutschen Säugling nicht
als allzu ungünstig beurteilen dürfen. Wenn in
einzelnen der vorher abgedruckten ärztlichen Auße-
rungen diesen sicher unzweckmäßigen Beigaben zur
Muttermilch eine sehr große Rolle bei der Sterb-
lichkeit der ostafrikanischen Kinder beigemessen wird,
so erscheint diese Ansicht so lange nicht als aus-
reichend gerechtfertigt, als nicht durch eingehende
Untersuchung im einzelnen Falle die Krankheiten
ausgeschlossen werden, die nach dem Urteil er-
fahrener Tropenärzte die Säuglingssterblichkeit in
den Tropen gleichfalls in hohem Maße beein-
flussen, wie Malaria, Rückfallsieber, Syphilis,
Wurmkrankheit u. a., Krankheiten, die nur allzu
oft unter dem Bilde chronischer Verdauungs-
störungen verlaufen. Hier werden genauere wissen-
schaftliche und statistische Untersuchungen mit der
Zeit Aufklärung zu schaffen haben.
Vorstellungen und Gebräuche, die mit der Auf-
zucht des neugeborenen Kindes zusammenhängen,
pflegen tief in Herz und Anschauung des Volkes
zu wurzeln. Bergen sie doch häufig uraltes Erbgut,
Weisheit der Mütter des Volkes. Und wenn die
Bestrebungen auf Einschränkung der Säuglings-
sterblichkeit in der deutschen Heimat nur langsam
Boden gewinnen, so werden Belehrungen hier-
über bei der Masse der ostafrikanischen Neger in
absehbarer Zeit noch auf jenen passiven Widerstand
stoßen, den alteingewurzelte Gewohnheit der Neue-
rung, Erbweisheit der wissenschaftlichen Erkenntnis,
Mangel an Einsicht auch dem Wohlwollen, völki-
sches Mißtrauen immer einer fremden Rasse ent-
gegenzubringen pflegen. Erfolge auf diesem Ge-
biete werden sich für die nächste Zeit in Deutsch-
Ostafrika im allgemeinen auf jene kleinen Kreise
von Eingeborenen beschränken, welche die christliche
Mission in ihrem Arbeitsgebiete um sich sammelt.
Es soll damit nicht der Untätigkeit das Wort ge-
redet sein. Die Verwaltung hat ein Merkblatt
über richtige Säuglingsernährung in Kisuaheli
* Shauri njema. Habaria ya kutunza watoto“
in vielen Tausenden von Exemplaren im Lande
verbreitet, das angeblich bei den Eingeborenen
vielfach Beachtung und Nachfrage gefunden hat.