Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

W 99 20 
Funkenstation abgesehen. Da ihnen das Unter- 
nehmen infolge der für die Verteidigung günstigen 
Hafenverhältnisse von der Seeseite aus wohl zu 
riskant war, versuchten sie es mit einer Landung 
weiter außerhalb des Ortes, die jedoch mißglückte. 
Bezeichnend für den Mut der englischen Streit- 
kräfte ist es auch, daß sie die kleine, nur 34 Reg.= 
Tons große „Muansa“ mit ihrem eigenen, min- 
destens 600 Reg.-Tons großen Dampfer nicht 
angriffen, sondern sich gegen die schwerfälligen 
Dhaus wandten. Wahrscheinlich scheuten sie sich, 
mit der „Muansa“, die ein Geschütz führt, anzu- 
binden, in Erinnerung daran, daß diese am 
15. September in der Karungubucht näördlich 
Schirati die 600 Reg.-Tons große „Sybill" stark 
beschädigt und zur Flucht gezwungen hatte. 
Es sei hier erwähnt, daß die Engländer auf 
dem Victoriasee fünf große Schiffe in Dienst 
haben. Von diesen fassen die beiden älteren, 
„Sybill“ und „Winifred“, je 600 Reg.-Tons, 
„Clement Hill“, „Nyansa“ und „Kavirondo“ sogar 
je etwas über 900 Reg.-Tons. 
Der ereignisreichste Monat für Ostafrika war 
nun der November. Die Ereignisse beginnen mit 
der für unsere Schutztruppe so ruhm= und erfolg- 
reichen Schlacht von Tanga, der sich das 
gleichzeitig stattgehabte zweite Gefecht am Lon- 
gidoberg würdig anschließt, und enden mit der 
völkerrechtswidrigen Beschießung von Dar- 
essalam. 
In unserer zweiten Mitteilung über den Krieg 
in den deutschen Schutzgebieten konnte auf Grund 
englischer Nachrichten bereits über ein größeres 
Gefecht, das wahrscheinlich bei Tanga, dem Aus- 
gangspunkt der Usambarabahn, stattgefunden und 
einen für uns siegreichen Ausgang hatte, berichtet 
werden. Die englischen Quellen gaben damals 
die Stärke ihrer angreifenden Truppen auf 
1½ Bataillone an, die, zum Rückzug genötigt, 
einen Verlust von 795 Mann erlitten hätten. 
Schon damals mußte man an der Richtigkeit der 
englischen Meldungen zweifeln. Man hatte das 
Gefühl, daß hinter diesen Meldungen mehr stecke, 
als die Engländer zuzugeben geneigt waren. 
Daß dies auch tatsächlich der Fall war, bewiesen 
die, leider erst fast 2½ Monate nach den Ereig- 
nissen hier eingetroffenen amtlichen Meldungen des 
Gouverneurs von Deutsch-Ostafrika. Er berichtet 
über diese größte, bisher auf dem Boden 
unserer Kolonien geschehene Waffentat 
wie folgt: 
Am 2. November vormittags erschienen die 
Engländer vor Tanga mit zwei Kriegsschiffen 
und 14 Transportdampfern und verlangten be- 
dingungslose Übergabe der Stadt. Als diese 
verweigert worden war, fuhren die Schiffe nach 
  
Fristablauf wieder ab, kehrten aber in der Nacht 
zurückund landeten Truppen. Am Morgen des 3. No- 
vember griffen sie bei der Pflanzung Moehn 
(s. umstehende Skizze) unsere Truppen an, wurden 
jedoch zurückgeschlagen, im Gegenangriff gegen die 
Küste gedrängt und zur Wiedereinschiffung genötigt. 
Am 4. morgens hatte der Feind seine gesamte 
Truppenmacht unter dem Schutze seiner Tanga 
beschießenden Kriegsschiffe erneut gelandet und zum 
Angriff auf den Ort angesetzt. Es gelang ihm, bis 
dicht an und in die Stadt einzudringen. Am Bahn- 
hof und zwischen dem Bahneinschnitt in der Nähe 
der Hafenlandungsbrücke und dem Hospital kam 
es zu heftigen Kämpfen. Aber trotz der Unter- 
stützung durch seine Kriegsschiffe, die Tanga heftig, 
sogar mit 15-em-Granaten bewarfen, wurde der 
Feind auf allen Punkten von unseren, unterdessen 
ebenfalls verstärkten Truppen in der Richtung auf 
Ras Kasone östlich Tanga zurückgeworfen. Hier 
fanden am 5. November noch kleinere Gefechte 
statt, in deren Verlauf sich der Feind wieder auf 
seine Schiffe zurückzog. An diesem Tage traten 
auch, trotz eines einsetzenden heftigen Gewitters 
mit Regen, auf unserer Seite einige Geschütze 
gegen die feindlichen Schiffe erfolgreich in Tätigkeit. 
Ein im Hafen Tangas liegendes englisches 
Transportschiff wurde durch zwei Schüsse in 
Brand geschossen, und durch zwei weitere wurde 
ihm ein großes Loch in der Breitseite beigebracht. 
Dies veranlaßte drei andere dort liegende 
Schiffe sofort zum Abfahren auf die Außen- 
reede. Auch der Kreuzer „Fox“ erhielt 
durch einen Volltreffer auf Deck ein großes 
Loch. Eine seiner 15--em-Granaten schlug 10 m 
vor einem unserer Geschütze ein. Die Europäer 
der Bedienungsmannschaft wurden betäubt, er- 
holten sich jedoch wieder nach wenigen Minuten. 
Die englischerseits ins Gefecht gebrachten 
Truppen bestanden aus acht Kompagnien des 
North Lancashire-Regiments, acht indischen Re- 
gimentern und Marinemannschaften. Ihre Ge- 
samtstärke ist auf mindestens 8000 Mann an- 
zunehmen, die außerdem noch durch die schwere 
Artillerie zweier Kriegsschiffe bei ihrem Angriff 
unterstützt wurden. 
Die Verluste dieser englisch-indischen 
Truppen waren sehr schwer. Der Feind 
hinterließ an Toten 150 Europäer und 
über 600 Inder sowie eine Menge Ge- 
fangene. Den Engländern wurde außerdem 
zugestanden, eine große Anzahl Verwundeter wieder 
aufzunehmen, darunter 60 Schwerverwundete ein- 
schließlich zweier Oberstleutnants und mehrerer 
anderer Offiziere, die sich ehrenwörtlich ver- 
pflichtet hatten, nicht mehr gegen Deutschland zu 
kämpfen. Stellenweise lagen die Toten gehäuft, 
so auf dem sogenannten Ngomaplatz (Festplatz 
1
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.