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Wir mußten uns für den 26. November, ich
persönlich nach 18½ jährigem Missionsdienst in
Kamerun, zur Wegführung rüsten. Natürlich
mußte der größte Teil unserer Habe zurückgelassen
werden. Es wurde uns nur erlaubt, für meine
Frau drei, für mich zwei und für jedes Kind
einen Koffer mitzunehmen. Da wir nicht wußten,
wohin wir gebracht würden (es wurde auch von
einem Gefangenenlager in den Tropen geredet),
so waren wir genötigt, Dinge mitzunehmen, die
wohl für einen längeren Aufenthalt in den Tropen,
aber nicht für eine Reise in dem naßkalten Winter
geeignet waren. Da wir überdies für die Kinder
Lebensmittel (Milch und Hafergrütze) und Brenn-
spiritus mitnehmen mußten, konnte von Kleidern
und Wäsche nur das Allernotwendigste eingepackt
werden.
Am Abend vor der Abreise wurden unsere
Koffer auf einem freien Platz der Regierungs-
station in Gegenwart der Eingeborenen
einer gründlichen Untersuchung unterzogen, eine
Maßnahme, die während der Reise noch des
öfteren für nötig erachtet wurde. Es war über-
haupt tief schmerzlich, sehen zu müssen, wie die
Feinde darauf ausgingen, nicht nur dem
Deutschtum in Kamerun ein schmähliches
Ende zu bereiten, sondern auch uns
Deutsche in den Augen der Neger aufs
tiefste zu demütigen.
Nach Victoria wurden wir unter Bewachung
von schwarzen Soldaten mit aufgepflanztem
Seitengewehr und unter Begleitung eines eng-
lischen Offiziers gebracht. Frauen und Kinder
durften die kleine Pflanzungsbahn benutzen. Ob-
wohl es in den bereitstehenden Wagen noch ge-
nügend Platz gegeben hätte auch für die Männer,
wurde doch keinem derselben gestattet, mitzufahren.
Die Pferde, die uns für diese Reise gute Dienste
getan hätten, wurden uns tags zuvor weg-
genommen.
Am 26. November wurden wir zunächst nach
Victoria gebracht, wo wir Missionsleute auf der
Missionsstation wohnen durften. Am folgenden
Tage ging es auf einem kleinen Dampfer weiter
nach Duala. Kabinen gab es nur für die
Frauen; die Männer mußten sich, wie die Ein-
geborenen, auf der bedeckten Ladeluke aufhalten
und waren den heißen Strahlen der Tropensonne
ausgesetzt. Von Duala wurden wir auf dem
englischen Dampfer „Appam“ nach England
verbracht.
Auf der zweitägigen Reise von Buea nach
Duala auf dem Dampfer „Appam“ wurde
seitens der Feinde in keiner Weise für
Verpflegung gesorgt. Hätten wir nicht selbst
etwas Wegzehrung mitgenommen, so hätten wir
schon auf diesem Wege hungern müssen.
Auf dem Dampfer „Appam“ waren wir in
anständiger Weise untergebracht. Nur die in der
2. Klasse untergebrachten Gefangenen hatten es
zum Teil dadurch schwer, daß sie in größerer
Anzahl in einem heißen Raume untergebracht
waren und hier auf Matratzen am Boden lagen.
Da die Stewards trotz Bezahlung seitens der Ge-
fangenen die Aborte nicht reinigten und da hierzu
auch das nötige Reinigungsmaterial nicht geliefert
wurde, waren diese Lokalitäten in der 2. Klasse
nicht gerade im besten Zustande.
Die Verpflegung auf der „Appam“ ließ
viel zu wünschen übrig. Während die Frauen
etwas bessere Kost erhielten und gegen Bezahlung
auch von den Stewards bei Tisch bedient wurden,
mußten die männlichen Gefangenen ihr Essen selbst
holen und auch Eßgeschirr und Besteck reinigen.
Die Nahrung war nicht nur ungenügend,
sondern zum Teil auch schlecht zubereitet.
Das Brot war selten durchgebacken, Fleisch und
zum Teil auch Reis nicht gar gekocht; dazu war
der Reis in keiner Weise einwandfrei. Jeden-
falls bekamen die Schwarzen auf dem
Schiffe reichlichere und bessere Nahrung.
Von den Stewards wurde zum Teil Proviant
auf die Seite getan und verkauft. Hätten wir
nicht von Kamerun her und dann namentlich von
der Missionsfaktorei in Accra Lebensmittel an
Bord bringen können, so hätten wir auf der
ganzen Reise nicht wenig hungern müssen. Jeden-
falls wären unsere Kinder verhungert,
wenn wir keine Milch von Kamerun hätten
mitnehmen können. Nur gegen gutes Trink-=
geld wurde von den Stewards etwas Milch für
die Kinder abgelassen.
Obwohl schon auf der Reise eine Anzahl
wärmerer Kleider verteilt worden war, empfanden
wir doch schon unterwegs, aber noch mehr in
England, die Kälte sehr. Vom heißen Tropen-
klima in den kalten Winter verpflanzt zu werden,
meist nur in leichter Tropenkleidung, hat allen
sehr wehe getan.
Im Lager in Queensferry war zwar die
Verpflegung besser als auf der „Appam“; aber
sie war auch hier keineswegs ausreichend.
Wer Geld hatte, konnte sich hier allerlei Lebens-
mittel kaufen, so daß für ihn keine Not bestand.
Als Lagerstätte diente ein auf den kalten
Steinboden gelegter, schmaler Strohsack.
Die verabreichten Decken waren ungenügend.
Das Konzentrationslager bestand aus einem großen
Fabrikgebände mit sechs Hallen. Etwa 200 bis
300 Mann waren in einer solchen Halle unter-
gebracht. Staub und Kälte verursachten
bald bei vielen Unwohlsein und Krankheit.
Dazu mag ferner auch der kalte Waschraum bei-
getragen haben, der einzige für etwa 1000 Ge-