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für die abermalige Montage und für das Zu-
wasserlassen getroffen worden. Zu diesem Zweck
war der Bau eines elektrisch angetriebenen Quer-
bellings vorgesehen, dessen mechanische Zubehör-
teile ebenfalls die Werft von Jos. L. Meyer in
Papenburg a. d. Ems geliefert hat. Dieser Helling
bestand aus einer Anzahl geneigter Ablaufbahnen,
auf denen das Schiff auf besonderen Wagen zu
Wasser gelassen und nötigenfalls später für Repa-
raturen aufgezogen werden kann. Zur Montage
des Dampfers war außerdem eine mit allen not-
wendigen Maschinen ausgerüstete Werkstatt nebst
elektrischer Zentrale und Laufkranen eingerichtet.
Das Schlagen von etwa 160 000 Nieten erfolgt
pneumatisch. Bis zum Ausbruch des Krieges
waren die hauptsächlichsten Teile für den Dampfer
und den Helling bereits in Daressalam ange-
kommen, so daß mit dem Zusammenbau bereits
begonnen werden konnte. Das zweite Bild
zeigt den Bauzustand am 20. Mai 1914. Einige
wenige Teile, insbesondere der Hellinganlage,
hatten Deutsch-Ostafrika nicht mehr rechtzeitig
erreicht. Trotzdem ist es der Geschicklichkeit der
Ingenieure gelungen, den Dampfer, der mit
seinen 1150 t die vorhandenen deutschen, eng-
lischen und belgischen Fahrzeuge des Sees an
Raumgehalt um ein Vielfaches überragt, zu
Wasser zu lassen.
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Kamerun.
Orel schweizer Missionare der Basler Mission Über
Ihre RKriegserlebunisse in Kamerun.)
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Am Nachmittag des 28. September wurden
unsere ledigen Missionskaufleute in Akwa unter
englischer militärischer Begleitung ins Regierungs-
hospital nach Bellstadt abgeholt, „um dort ihre
Namen eintragen zu lassen“, — in Wirklichkeit,
um daselbst zu Kriegsgefangenen gemacht zu
werden. Mit Missionar H. begab ich mich, ge-
folgt von Kru-Leuten, die die Pakete trugen, nach
dem Europäerhospital. Ich hatte die Absicht, die
Pakete über die Hofeinzäunung hinüber an die
Empfänger zu verabfolgen. Noch stand ich mit
Herrn H. in ziemlicher Entfernung des Hoftores,
als ein farbiger englischer Soldat an mich heran-
trat und mir befahl, durch das Tor in den Ge-
fangenenhof einzutreten. Ich machte geltend, daß
ich kein Deutscher sei und nicht zum Gefangenen
gemacht werden könne. Doch dieser Einwurf ver-
fing nicht bei dem Schwarzen, und als dann noch
*) Agl. „D. Kol. Bl.“ 1915, Nr. 4, S. 654 ff., und
Nr. 12, 13, S. 276 ff.
ein zweiter Soldat hinzutrat, mußte ich, einem
körperlichen Stoße des eingeborenen Soldaten
weichend, in den Hospitalhof eintreten. Hier
wollte mich der französische Leutnant Saint
Pere gleich in die zum Abmarsch bereitstehende
Kolonne der gefangenen Deutschen einreihen. Als
Schweizer protestierte ich natürlich energisch da-
gegen, aber der Offizier wollte meiner und anderer
Anwesenden Versicherung nicht Glauben schenken,
daß ich Schweizer sei, sondern erklärte, ich mücsse
auf alle Fälle vorerst gefangen hier bleiben, da
ich meine Ausweispapiere nicht bei mir habe.
Auf meinen Vorschlag, meinen Heimatschein inner-
halb kürzester Frist aus meiner Wohnung zu be-
schaffen, wurde nicht eingegangen, und ein in-
zwischen herbeigerufener höherer englischer Offizier
bestätigte, ich hätte bei den vorläufig hierbleiben-
den Gefangenen zu verweilen; es könne mir jetzt
nicht gestattet werden, wegzugehen. Auf dem
Fußboden eines Hospitalzimmers liegend, brachte
ich mit anderen gefangenen Missionsangehörigen
die Nacht zu. Meine Frau, die mit Frau G.
schließlich noch allein in unserem Akwa-Wohnhaus
verblieben war, konnte ich benachrichtigen, daß ich
gefangen sei, und bat fie, nach unserem Bellstadt-
Haus zu gehen, wo noch andere Frauen sich ein-
logiert hatten. Es war höchst notwendig, denn
sowohl Frau G. wie auch meine Frau wurden
von den in unser Akwa-Haus nach meinem Weg-
zug eingedrungenen eingeborenen englischen Sol-
daten durch willkürliche, oft wiederholte Befehle
und Gegenbefehle stundenlang hingehalten, bis
die sechs rohen Soldaten nach Entwenden eines
Besitztums der Frau G. sich schließlich entfernten.
In der Abenddämmerung konnten die beiden
Frauen sich dann nach Bellstadt flüchten, wo
sie in der Wohnung unserer dortigen Handlung
aus Furcht vor einem überfall eine gqualvolle
Nacht zubrachten. Am Mittag endlich, nachdem
ich bereits zwanzig Stunden gefangen gehalten
war — nebenbei bemerkt, ohne daß ich in dieser
Zeit von der Gefangenenverwaltung etwas zu
essen verabreicht bekommen hätte, — wurde ich
zu dem Political Ofkicer Paul beordert, der mir
eröffnete, daß er mir zwei Stunden Zeit ein-
räume, um meine heimatlichen Ausweispapiere
herbeizuschaffen. Von drei farbigen Soldaten
eskortiert, mußten meine Frau und ich wie Ge-
fangene durch die Straßen Dualas schreiten. Mit
unserem Heimatschein versehen zurückgekehrt, nahm
mir Kapt. Paul das mündliche Versprechen ab,
nichts gegen die Engländer und Franzosen zu
unternehmen und durchaus keinen Verkehr mit den
Deutschen im Innern zu unterhalten. Ich er-
klärte, daß ich strenge Neutralität beobachten
werde, worauf mir Paul einen Schein ausstellte,
der mir gestattete, mit meiner Frau in Duala zu