Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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offener Straße bei mir nach dem Verbleibe des 
Geldes und war sehr ungehalten über mich, als 
er keine befriedigende Auskunft bekam. In fran- 
zösischer Sprache verabredete er dann mit einem 
herbeigeeilten weiteren Franzosen einen Besuch 
auf meiner Station, wo er freilich das erhoffte 
Geld ebensowenig gefunden hätte. Daß ich 
Schweizer sei, fand er umso schlimmer, da ich 
doch zwischen lauter Deutschen gewohnt habe! 
Da die Soldaten mithalfen, ist es begreiflich, 
wenn die Zimmer unserer Hauptstation in Akwa 
(Duala) total ausgeräumt waren. Es war nichts 
mehr darin zu finden als Papierfetzen. In unserer 
Buchhandlung lagen auf den eingeschlagenen 
Türen und Fenstern die zu verkaufenden Bücher 
in europäischen und afrikanischen Sprachen, Ge- 
schäftsbücher, Rechnungen, Büchergestelle, Laden- 
einrichtung usw. bunt durcheinander; was irgend 
Wert hatte, war weg oder auch zerschlagen. Auf 
meiner Station hielt ein englischer Offizier in 
meiner Abwesenheit Hausdurchsuchung und hin- 
derte seine schwarzen Begleiter nicht, nach Be- 
lieben Zucker, Brot und Konserven aus dem 
Speiseschrank zu rauben und in ebenfalls gestoh- 
lenen Handtüchern mitzunehmen, obschon er ganz 
genau wußte, daß hier Schweizer wohnten, und 
obschon die Engländer, wie sie sagten, mehr als 
genug Essen für sich und ihre Soldaten mit- 
gebracht hatten. 
Vor unserer Abreise wäre der Oberhäuptling 
unseres Stadtteils, ein vertrauenswerter Mann, 
bereit gewesen, das Missionseigentum unserer 
Station sowie mein Eigentum, das zum Teil 
nicht leicht zu transportieren war, zu hüten, bis 
es jemand von der Basler Mission wieder über- 
nehmen werde. Herr Paul verweigerte mir aber 
die Ausstellung einer Vollmacht an diesen Ober- 
häuptling, so daß ich unser Mobiliar nur dem 
Wohlwollen dieses Negers befehlen konnte. 
III. 
Als Missionar der Basler Mission in Kamerun 
habe ich in den letzten Jahren auf der Missions- 
station Ndunge, an der sogenannten Nordbahn 
gelegen, gearbeitet. Außer neun Missionsange- 
hörigen, nämlich drei Frauen, vier Männern und 
zwei Kindern, waren zur Zeit noch fünf Gäste 
bei uns, unter denen ich gleich den Schweizer 
Arzt Herrn Dr. Häberlin hervorheben moöchte. 
Während er dem englischen Oberkommando schrift- 
lich mitteilte, daß er Arzt und zugleich neutral 
sei, bat ich auch schriftlich um Schutz für uns 
und unsere Station, teilte auch alle Namen der 
auf unserer Station anwesenden Weißen mit unter 
Hervorhebung, daß außer Dr. Häberlin auch ich 
Schweizer sei. Unsere Briefe, die wir den Eng- 
  
ländern etwa fünf Stunden weit entgegensandten, 
kamen auch richtig dort an. 
Als die Truppen bis auf eine starke Stunde 
in unsere Nähe herangerückt waren, bekamen wir 
abends um 6 Uhr einen Zettel mit der Auf- 
forderung, die Basler Mission möchte sich sofort 
in das englische Lager begeben. Weil die Nacht 
bereits hereingebrochen war, so entschlossen wir 
uns, den Morgen abzuwarten. Am gleichen 
Abend um 9 Uhr kam nochmals ein Zettel an 
mich adressiert mit der Aufforderung, mich sofort 
in das Lager nach Manengole zu begeben. 
Zwei Farbige begleiteten uns mit drei Laternen 
und zwei weißen Fahnen. Wir wurden ins 
Lager geführt, wo sich ein Offizier von seinem 
Bette erhob und erklärte, wir müßten bis zum 
Morgen warten. Es war einige Minuten vor 
Mitternacht. Man führte uns an eine Stelle, 
wo zwei schwarze Soldaten von ihren Lagerstätten 
weichen und uns Platz machen mußten. Der 
bloße Boden mit einigen Bananenblättern darauf 
diente uns als Bett. Zwei Soldaten mit ge- 
ladenen Gewehren und aufgepflanzten Bajonetten 
standen bis am Morgen dicht neben uns und 
wandten kein Auge von uns ab. Da ich auf 
dem Marsche durch den Schweiß ganz naß ge- 
worden war und bald recht kalt wurde, erbarmte 
sich ein wachhabender Soldat meiner und gab 
uns seinen Regenmantel, so daß wir uns not- 
dürftig zudecken konnten. 
Am Morgen wurden wir vor einen Haupt- 
mann geführt, welcher sich dahin aussprach, daß 
sie unsere Station nicht schützen könnten, falls 
sich die Deutschen in deren Nähe zur Wehr setzen 
würden. 
Wir mußten uns darein ergeben, als Ge- 
fangene bei der Truppe zu bleiben, bekamen auch 
kein Essen, bis uns etwa um 9 Uhr vormittags 
ein Offizier fragte, ob wir schon etwas bekommen 
hätten. Er gab dann jedem von uns 4 dünne 
Zwieback aus seiner Frühstücksbüchse, Wasser be- 
kamen wir aus den Feldflaschen der farbigen 
Soldaten. Auf dem Weitermarsch, als die Hitze 
groß war, hat uns ein Offizier auch aus seiner 
mit Mineralwasser gefüllten Feldflasche trinken 
lassen, eine Freundlichkeit, die uns in unserer 
wenig beneidenswerten Lage wohltat. Die Sonne 
brannte, und ich hatte nur eine leichte Mütze auf 
dem Kopfe. Mit großen Pflanzenblättern suchte 
ich den Schutz gegen die Sonne zu verbessern, 
nahm dann aber das eine weiße Tuch, das in 
der Nacht als Fahne gedient hatte, und legte es, 
mehrfach zusammengefaltet, auf meinen Kopf. 
Immer dem Bahngleise entlang ging es vor- 
wärts, Ndunge zu. Während wir in der Nähe 
unserer Station vorbeimarschierten, erschienen auf 
dieser, wie meine Frau mir nachher erzählte,
	        
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