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des alten Schutzgebiets überschritten haben. Nur
schrittweise gelingt ihnen die Zurückdrängung
unserer Truppen. Im Norden ist Adamaua und
das Tschadsee-Gebiet jetzt in feindlichem Besitz;
nur auf den nördlichen Vorbergen des Mandara-
Gebirges trotzt noch eine kleine Heldenschar eng-
lischem Ansturm. Geringfügig nur ist der Fort-
schritt der englischen Truppen im Westen; häufig
durchstreifen unsere kühnen Patrounillen noch bri-
tisches Gebiet. Die über den Endpunkt der Nord-
bahn auf das Hochland von Dschang vorgeschobenen
englischen Abteilungen haben sich sogar auf Bare
zurückziehen müssen. Als unverwüstlich haben sich
Widerstandsfähigkeit und Mut unserer Truppen
erwiesen, denen sich zu Beginn des Krieges Beamte
und Kaufleute sowie Pflanzer einmütig zur Ver-
fügung gestellt haben. Auch die ehemaligen alten
farbigen Soldaten sind wieder zur Truppe geeilt,
deren Uniform sie zuvor mit Stolz trugen, und
mit ihnen manch junger Rekrut, den sein Häupt-
ling entsandte.
Seit einem Jahre von jeder Verbindung mit
der Außenwelt abgeschnitten, verharren die
Tapferen im harten Kampfe gegen britische und fran-
zösische Ubermacht. Nicht Mangel an europäischen
Lebens= und Genußmitteln, nicht der gebotene
Verzicht selbst auf die geringste Bequemlichkeit,
nicht die aufreibendsten, ununterbrochenen Kämpfe
mit zähen, so oft unbarmherzigen und an manchen
Machtmitteln weit überlegenen Gegnern in den
Sümpfen und Wirrnissen dunklen Urwalds, auf
den von heißer Sonne durchglühten Steppen, von
Dorngestrüpp oder den Reiter überragendem Grase
bedeckt, oft auch inmitten wilder Gebirge, nicht
die Gefahren des tückischen Klimas, denen die
Européer jetzt ohne genügenden Schutz ausgesetzt
find, haben ihren Mut zu erschöpfen vermocht.
Auch nicht die Sorge um Weib, Kinder oder
sonstige Anverwandte und Freunde, die sie in
Duala oder Buea, auf einsamer Pflanzung oder
an der Handelsstätte zurücklassen mußten und die
sie nun einem Gegner preisgegeben wissen, dessen
Verhalten jeder menschlichen Gesittung nur allzu-
oft Hohn spricht, dessen einziges Bestreben zu sein
scheint, den deutschen Namen vor den Eingeborenen
zu schänden oder deutsche Kulturwerke zu ver-
nichten, uneingedenk des Rassenverrats, den sein
Treiben bedeutet. Nichts war dem anscheinend
aller Skrupeln baren Gegner bislang hbeilig.
Nicht die Stille christlicher Kirchen, die nun Sene-
galesen unter den Augen ihrer europäischen Vor-
gesetzten zerstörten, deren heilige Geräte sie ver-
schleppten. Nicht die Frömmigkeit ehrwürdiger
Schwestern, denen rohe Nengier die Schleier zu
zerren trachtete. Nicht der Frieden der Missionen,
den einschlagende feindliche Granaten verscheuchten.
Engländer, Offiziere wie Unteroffiziere, wetteiferten
mitunter mit ihren schwarzen Söldnern in Beute-
machen und Stehlen. Nicht von Lebensmitteln,
deren Beschlagnahme oft militärische Notwendig-
keit erheischt, sondern von Wertgegenständen, er-
brochenen Behältern entnommen. In franzäösische
Hände gefallene deutsche Verwundete wurden von
Senegalesen hingemetzelt, in einem Falle sogar
auf Befehl eines französischen Offiziers, wie ein
namentlich bezeichneter englischer Offizier mit Ent-
rüstung erzählte. Deutsche sollen nachts auf einer
Pflanzung von Senegalesen unter Führung eines
Offiziers überrascht und abgeschlachtet worden sein.
Auf Veranlassung unserer Feinde veranstalteten
Eingeborene der Küste Jagd auf die im Lande
zerstreut wohnenden Deutschen, wie man Raub-
tiere jagt, auf deren Köpfe Preise gesetzt
sind. Konnten die Deutschen nicht lebend vor
ihre Feinde geschleppt werden, wurden Glieder
der Getöteten überbracht. Grausam, unwürdig
war die Behandlung der Gefangenen, gleichgültig
welchen Alters oder Geschlechts. Auch sie zeugte-
von dem vor nichts zurückschreckenden Hasse unserer
Feinde gegen alles Deutsche. In enge, heiße,
überfüllte Räume wurden die Unglücklichen ein-
gepfercht. Dem Hohn grinsender Schwarzen
wurden sie ausgesetzt. Ständig lastete auf ihnen
demütigende schwarze Bewachung. Die Verpfle-
gung war völlig unzureichend und häufig ver-
dorben. Die einfachsten, dem Europäer in den
Tropen aber so dringend gebotenen gesundhbeit-
lichen Regeln wurden den Gefangenen gegenüber
außer acht gelassen. So wurde ihnen die Ge-
legenheit zum Baden, nachdem sie zeitweilig ge-
boten war, wieder entzogen. Moskitonetze waren
selten; selbst Kinder mußten ohne ihren Schutz
schlafen. Den Gefangenen, die Ende April auf
den Dampfer „Hans Woermann“ ÜMbergeführt
wurden, wurden Moskitonetze nicht verabfolgt,
obwohl die Moskitoplage auf dem Kamerun-Fluß
geradezu gefährlich war. Die Folge einer der-
artigen, jeder Menschlichkeit Hohn sprechenden Be-
handlung der Gefangenen war, daß bösartige
Fieberanfälle und andere Krankheiten auftraten.
Den körperlichen gesellten sich die seelischen Leiden
zu. Sie durch Lügennachrichten zu vergrößern,
war häufig Bestreben der feindlichen Wärter.
Doch nicht körperliche Leiden, noch seelische
Qualen haben vermocht, die Widerstandsfähigkeit
der Verteidiger des Schutzgebiets Kamerun zu
brechen. Unerschüttert wie zu Beginn des Krieges
ist ihr Mut. Deutschland braucht sich seiner
heldenhaften Söhne in Kamerun wahrlich
nicht zu schämen.
(Abgeschlossen am 30. Juli 1915.)
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