Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

W 332 20 
des alten Schutzgebiets überschritten haben. Nur 
schrittweise gelingt ihnen die Zurückdrängung 
unserer Truppen. Im Norden ist Adamaua und 
das Tschadsee-Gebiet jetzt in feindlichem Besitz; 
nur auf den nördlichen Vorbergen des Mandara- 
Gebirges trotzt noch eine kleine Heldenschar eng- 
lischem Ansturm. Geringfügig nur ist der Fort- 
schritt der englischen Truppen im Westen; häufig 
durchstreifen unsere kühnen Patrounillen noch bri- 
tisches Gebiet. Die über den Endpunkt der Nord- 
bahn auf das Hochland von Dschang vorgeschobenen 
englischen Abteilungen haben sich sogar auf Bare 
zurückziehen müssen. Als unverwüstlich haben sich 
Widerstandsfähigkeit und Mut unserer Truppen 
erwiesen, denen sich zu Beginn des Krieges Beamte 
und Kaufleute sowie Pflanzer einmütig zur Ver- 
fügung gestellt haben. Auch die ehemaligen alten 
farbigen Soldaten sind wieder zur Truppe geeilt, 
deren Uniform sie zuvor mit Stolz trugen, und 
mit ihnen manch junger Rekrut, den sein Häupt- 
ling entsandte. 
Seit einem Jahre von jeder Verbindung mit 
der Außenwelt abgeschnitten, verharren die 
Tapferen im harten Kampfe gegen britische und fran- 
zösische Ubermacht. Nicht Mangel an europäischen 
Lebens= und Genußmitteln, nicht der gebotene 
Verzicht selbst auf die geringste Bequemlichkeit, 
nicht die aufreibendsten, ununterbrochenen Kämpfe 
mit zähen, so oft unbarmherzigen und an manchen 
Machtmitteln weit überlegenen Gegnern in den 
Sümpfen und Wirrnissen dunklen Urwalds, auf 
den von heißer Sonne durchglühten Steppen, von 
Dorngestrüpp oder den Reiter überragendem Grase 
bedeckt, oft auch inmitten wilder Gebirge, nicht 
die Gefahren des tückischen Klimas, denen die 
Européer jetzt ohne genügenden Schutz ausgesetzt 
find, haben ihren Mut zu erschöpfen vermocht. 
Auch nicht die Sorge um Weib, Kinder oder 
sonstige Anverwandte und Freunde, die sie in 
Duala oder Buea, auf einsamer Pflanzung oder 
an der Handelsstätte zurücklassen mußten und die 
sie nun einem Gegner preisgegeben wissen, dessen 
Verhalten jeder menschlichen Gesittung nur allzu- 
oft Hohn spricht, dessen einziges Bestreben zu sein 
scheint, den deutschen Namen vor den Eingeborenen 
zu schänden oder deutsche Kulturwerke zu ver- 
nichten, uneingedenk des Rassenverrats, den sein 
Treiben bedeutet. Nichts war dem anscheinend 
aller Skrupeln baren Gegner bislang hbeilig. 
Nicht die Stille christlicher Kirchen, die nun Sene- 
galesen unter den Augen ihrer europäischen Vor- 
gesetzten zerstörten, deren heilige Geräte sie ver- 
schleppten. Nicht die Frömmigkeit ehrwürdiger 
Schwestern, denen rohe Nengier die Schleier zu 
zerren trachtete. Nicht der Frieden der Missionen, 
den einschlagende feindliche Granaten verscheuchten. 
Engländer, Offiziere wie Unteroffiziere, wetteiferten 
  
mitunter mit ihren schwarzen Söldnern in Beute- 
machen und Stehlen. Nicht von Lebensmitteln, 
deren Beschlagnahme oft militärische Notwendig- 
keit erheischt, sondern von Wertgegenständen, er- 
brochenen Behältern entnommen. In franzäösische 
Hände gefallene deutsche Verwundete wurden von 
Senegalesen hingemetzelt, in einem Falle sogar 
auf Befehl eines französischen Offiziers, wie ein 
namentlich bezeichneter englischer Offizier mit Ent- 
rüstung erzählte. Deutsche sollen nachts auf einer 
Pflanzung von Senegalesen unter Führung eines 
Offiziers überrascht und abgeschlachtet worden sein. 
Auf Veranlassung unserer Feinde veranstalteten 
Eingeborene der Küste Jagd auf die im Lande 
zerstreut wohnenden Deutschen, wie man Raub- 
tiere jagt, auf deren Köpfe Preise gesetzt 
sind. Konnten die Deutschen nicht lebend vor 
ihre Feinde geschleppt werden, wurden Glieder 
der Getöteten überbracht. Grausam, unwürdig 
war die Behandlung der Gefangenen, gleichgültig 
welchen Alters oder Geschlechts. Auch sie zeugte- 
von dem vor nichts zurückschreckenden Hasse unserer 
Feinde gegen alles Deutsche. In enge, heiße, 
überfüllte Räume wurden die Unglücklichen ein- 
gepfercht. Dem Hohn grinsender Schwarzen 
wurden sie ausgesetzt. Ständig lastete auf ihnen 
demütigende schwarze Bewachung. Die Verpfle- 
gung war völlig unzureichend und häufig ver- 
dorben. Die einfachsten, dem Europäer in den 
Tropen aber so dringend gebotenen gesundhbeit- 
lichen Regeln wurden den Gefangenen gegenüber 
außer acht gelassen. So wurde ihnen die Ge- 
legenheit zum Baden, nachdem sie zeitweilig ge- 
boten war, wieder entzogen. Moskitonetze waren 
selten; selbst Kinder mußten ohne ihren Schutz 
schlafen. Den Gefangenen, die Ende April auf 
den Dampfer „Hans Woermann“ ÜMbergeführt 
wurden, wurden Moskitonetze nicht verabfolgt, 
obwohl die Moskitoplage auf dem Kamerun-Fluß 
geradezu gefährlich war. Die Folge einer der- 
artigen, jeder Menschlichkeit Hohn sprechenden Be- 
handlung der Gefangenen war, daß bösartige 
Fieberanfälle und andere Krankheiten auftraten. 
Den körperlichen gesellten sich die seelischen Leiden 
zu. Sie durch Lügennachrichten zu vergrößern, 
war häufig Bestreben der feindlichen Wärter. 
Doch nicht körperliche Leiden, noch seelische 
Qualen haben vermocht, die Widerstandsfähigkeit 
der Verteidiger des Schutzgebiets Kamerun zu 
brechen. Unerschüttert wie zu Beginn des Krieges 
ist ihr Mut. Deutschland braucht sich seiner 
heldenhaften Söhne in Kamerun wahrlich 
nicht zu schämen. 
(Abgeschlossen am 30. Juli 1915.) 
# 4
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.