E 358 20
an der Menschheit, den Krieg in die Kolonie ge-
tragen zu haben, den Eingeborenen das traurige
Beispiel gegeben zu haben, wie Européer gegen
Europäer das Gewehr erheben, wie Europäer
Schwarze auf Weiße hetzen; eine Schmach, ein
offenes Städtchen in Afrika mit schweren Granaten
zu beschießen, Holzhäuschen in Flammen aufgehen
zu lassen, Werke des Friedens mit roher Hand
zu zerstören! Nie kam uns deutlicher zum Be-
wußtsein, wie schrecklich der Krieg sei, als an
jenem Tage, während die schweren Schiffskanonen
donnerten und wir angsterfüllt in der Kirche, im
Gotteshause saßen. So wurde geschossen bis gegen
1 Uhr nachmittags und dann nach einer Pause
bis gegen 5 Uhr nachmittags. Die Mission war
verschont geblieben. Wir erwarteten nun das
Aussetzen von Truppen; es geschah nicht. Nachts
schlief niemand von uns, wir machten uns auf
eine Überraschung gefaßt: es blieb aber ruhig,
klatschend schlug nur der Regen gegen die Fenster-
scheiben der Kirche. Am Nachmittage des folgen-
den Tages erfolgte eine neue Beschießung; auch
jetzt fand noch keine Landung statt, ja am 15.
früh morgens verschwanden beide Schiffe. Wir
hatten die Feuertaufe erhalten.
In den nun folgenden Wochen wurde Kribi
häufiger von feindlichen Schiffen besucht, geschossen
wurde jedoch nicht mehr, obwohl wir uns jedes-
mal darauf gefaßt machen mußten — bis zum
2. November, am Allerseelentage, wo wieder Gra-
naten, diesmal englische, nach Kribi hineingeflogen
kamen. Am Vormittage des 2. November näm-
lich waren zwei englische Kanonenboote in Ba-
tanga gewesen. Die Mannschaft war gelandet,
ohne vorher geschossen zu haben, und hatte die
Telegraphenleitung zerstört, dann hatte sie wieder
die Schiffe bestiegen und fuhr am Nachmittag
nach Kribi. Kaum waren hier die Anker ge-
fallen — wir standen noch am Fenster, um zu
sehen, was geschehen würde — da blitzte es auf,
ein Schuß rollte übers Wasser: die zweite Kanonade
begann; sie war sehr heftig und dauerte bis zum
Einbruch der Dunkelheit. Das Bezirksamtmanns-
haus, das bei der ersten Beschießung schon sehr
beschädigt worden war, stand in Flammen, ebenso
eine Faktorei. Mit blutigrotem Scheine über-
gossen stand die Kirche da, auch diesmal ver-
schont. Gelandet wurde aber auch diesmal nicht
in Kribi.
Feindliche Schiffe kamen und gingen, wir
lebten in beständiger Aufregung. Ende Ofktober
hatte ich die Schwestern nach Ngowayang ge-
schickt; in Kribi konnten sie nicht länger bleiben,
die Gefahr war zu groß, wir erwarteten täglich
die feindlichen Truppen. In Ngowayang war
es ruhiger. Weinend bestiegen sie das Auto, das
ihnen in freundlicher Weise vom Kommandanten
von Kribi zur Verfügung gestellt worden war.
Die kleinsten Kinder, selbst die Säuglinge, nahmen
sie mit. Kurze Zeit darauf wurde auch das Ho-
spital nach Ngowayang verlegt; nun waren
wir allein in Kribi; die Eingeborenen waren nicht
mehr nach Kribi zurückgekehrt, sie fürchteten sich.
Ein Pater hielt sich daher beständig in Buambe
auf, um unter den Flüchtlingen, die sich ja größten-
teils dort und am Wasserfall aufhielten, die Seel-
sorge auszuüben, so gut es ging.
Doch es sollte noch schlimmer kommen. Wir
hatten inzwischen Nachricht erhalten, daß die
Missionare in Duala gefangengenommen und
fortgeschleppt worden seien, daß französische Sol-
daten die ganze Mission, selbst die Kirche, aus-
geraubt hätten, daß selbst die Schwestern nicht
verschont worden seien. Von den Stationen am
Sanaga ging das näfmliche Gerücht. Daher
faßten wir den Entschluß, in letzter Stunde uns
zurückzuziehen, wenn die Feinde in Kribi ein-
fallen würden; denn unsere Hoffnung, daß die
Franzosen und Engländer die Mission verschonen
würden, wenn die Missionare dablieben, war nach
ihrem Vorgehen in Duala und Edea zunichte
geworden. Uns nutzlos in eine harte Gefangen-
schaft schleppen zu lassen, hatten wir keine Lust.
Wir hatten ausgeharrt bis zum Schluß, hatten
all das Elend der letzten Monate mit Freuden
ertragen in dem Gedanken, dadurch unsere Christen
ermutigen zu können, ihnen ihr hartes Los zu
erleichtern, dadurch, daß wir Gottesdienst abhielten,
Sakramente spendeten, wie vor dem Kriege. Wer
hätte christlichen Nationen zugetraut, daß sie die
Gotteshäuser plündern ließen durch ihre Soldaten,
daß sie Missionare vertreiben, Missionsschwestern
von der Stätte ihrer heldenmütigen Wirksamkeit
grausam vertreiben würden? Noch dazu in Afrika,
unter den Augen der Eingeborenen, die stets die
Mission als Asyl betrachtet, die Missionare für
unantastbar gehalten hatten! Der gute Glaube
ist zerstört, zerstört für immer.
Wir wollten uns vorläufig in einem Dorfe
nahe bei Kribi versteckt halten, wenn die Feinde
kämen; hier wollten wir abwarten, was geschehen
würde, und dann entweder nach Kribi zurück-
kehren oder weiter, nach einer mehr im Innern
gelegenen Station, uns flüchten. Wir ließen
Lebensmittel in unser Versteck bringen; ich verab-
redete mich mit meinen beiden Brüdern, wo ich
sie, von Buambe herkommend, treffen würde;
und so erwarteten wir den Feind, der am 27. No-
vember in großer Stärke in Longji, 23 km von
Kribi entfernt, gelandet war. Am 1. Dezember
rückte er mit Kanonen und vielen Maschinenge-
wehren von Longsi her auf Kribi zu, während ein
Kriegsschiff das arme Kribi wiederum beschoß und
dann Truppen landete, Senegalesen, Mohamme-