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10 000 wären das Höchste, was l#e old countr
unter den bestehenden Umständen an Leuten erwarten
könne.“ Und weiter, daß sie sagen konnte, die Hal-
lung der BothaRegierung in der Rekrutierungsfrage
sei unworthler und beggurle, d. h. unwürdig und
bettelhait.
Wie aber war uns gegenüber die Lage des
„Briten“ Botha und seiner Regierung? Die Union
ist von etwa 1½ Million Weißen bewohnt, Menschen-
material war also über und übergenug vorhanden,
es galt nur, cs auf die Beine zu bringen. Und
das gelang mit Kniffen und Pfiffen, mit Lügen
und Schändlichkeiten. Eins muß man Botha lassen, er
war „oller Brite" geworden, er, der vor wenig mehr
als 10 Jahren sein Volk hatte britischer Giec er-
liegen sehen. Der Krieg gegen das kleine und schwache
Südwest kam ihm gelegen, weil er die innerpolitische
Spannung beseitigen konnte. Nicht alle Buren hatten
England so „hochherzig“ den Massenmord um die
Jahrhundertwende verziehen wie Botha. Als der
glimmende Funke zur lodernden Flamme ward, als
England in Krieg verstrickt wurde, da begann * n
Südafrika zu brodeln und zu kochen. „Das
ist in Gefahr, die Deutschen wollen es ero dobern.
schrie Botha, und das half schließlich und rettete
England # vorläufig Südafrika
Während das kleine Südwest von jeglicher Ver-
bindung mit der Außenwelt abgeschnitten war, hatte
Botha es leicht, in kurger Zeit Arrillerie, Handfeuer-
waffen, Kriegsautos, Fiuggeuge, kurz, was der
moderne Krieg erfordert, aus England in jeder
Meuße herbeizuschaffen und seine defense force aus-
zurüsten. Er machte von dieser Möglichkeit denn
auch gehörig Gebrauch. Botha hat Exzellenz Seitz
später zugestanden, daß er zeitweilig über 60 000
Mann gegen unsere 5000 im Schutzgebiet hatte.
Dagu kamen aber noch die Stammformationen in
der Union und was er sonst dort zur Aufrecht-
erhaltung des ganzen Nachschubs benötigte. Es ist
daher wohl glaublich, daß die Union, wie feindliche
Offiziere auch behaupten, über 80 000 Mann gegen
uns unter den Waffen hatte. Und wie glänzend war
das Expeditionsheer ausgerüstet! Es hatte Artillerie
und Maschinengewehre auf Autos montiert, sogar
leichtere Geschütge auf Autos. Auch schwere weit-
tragende Schiffsgeschütze führte es mit sich. Über
2000 Lastautos und eine überhaupt unbeschränkte
Anzahl von Personenautos sowie allein 200 Wasser-
autos dienten der Erleichterung des Vorwärts-
kommens. Funkenstationen auf Autos vermittelten
Nachrichten. Motorräder ratterten überall umher,
und Bahnmaterial war in Massen verfügbar, so daß
Botha nicht nur die Strecke Priska—lUpington —Kalk-
sontein bauen und damit das Eisenbahnnetz der
Union an das unsere anschließen, sondern auch die
gänzlich zerstörte Bahn Lüderitzbucht—Keetmanshoop
sowie die Otavibahn wiederherstellen konnte. 80 000
Pferde und 60 000 Manltiere mögen die Bothaleute
etwa hier gehabt haben. Auf Tiere brauchte jeden-
falls keine Rücksicht genommen zu werden und wurde
keine Rücksicht genommen: Auf der Anmarschstraße
der Kolonnen Bothas nach dem Norden lagen sie
Ipäter zu Tausenden verendet. Dabei aber hatten
die feindlichen Reiter für ihre Tiere an Kraftfutter
mehr als sie brauchten. Nicht vergessen soll auch
werden, daß Botha für alle möglichen Zwecke süd-
afrikanische Eingeborene zur Verfügung hatte. Diese
dienten nicht allein als Treiberpersonal für alle Ge-
spanne, sondern sie wurden sogar als Kundschafter,
und zwar als bewaffnete Kundschafter, verwandt, wie
eine bei dem vor Aus gefallenen Kapitän de Meillon,
dem Führer des feindlichen Svionenkorps, gesundene
Aufstellung beweist, und wie zahlreiche Erfahrungen
unserer Truppeu bei andern Gelegenheiten bestätigten.
Bei Haguur griffen z. B. feindliche Eingeborene die
d’utsche Station an, und bei Kabus wurden unsere
Verwundeten von Eingeborenen, die Waffen schwin-
gend mit den Engländern einherritten, bis auf das
Hemd ausgeplündert. Erwähnt sei hier gleich, daß
die Schutztruppe es demgegenüber streng vermied,
Eingeborene zu bewaffnen und gegen den weißen
Feind zu verwenden. Unbewaffnet sind Eingeborene
nicht zur Erkundung vorguschicken, und deshalb war
die drutsche Truppe auch darin im Nachteil. Hinzu
kommt, daß die Union sich planmäßig auf die Er-
oberung des deutschen Schutzgebietes vorbereitet
hatte. Das beweisen schon die vielfach bei gefangenen
feindlichen Offizieren gefundenen Karten, die insofern
besser waren als unsere eigenen, weil sie z. B. bei
Eisenbahnbrücken alle Maße enthielten und bei Wasser-
stellen Auskunft darüber gaben, wieviel Tiere und
Menschen dort Wasser finden konnten. Das bewies
auch das unverhoffte Zusammentreffen mit allen mög-
lichen Leuten, die früher im Schutzgebiet als Pro-
spekroren, Agenten, Kellner, Händler, Arbeiter und
Aufseber jahrelang ihr Brot verdient hatten, jetzt
aber als feindliche Offiziere auftraten! Durch jahre-
lange, plaumäßige Spionage hatte sich das biedere
England also mit allen Verhältnissen in Deuts
Südwest vertraut gemacht. Es sind übrigens auch
noch sonstige sichere Beweise dafür in unsern Händen,
daß die Eroberung Deutsch-Südwestafrikas von der
Union eine längst geplante und sorgfältig vorbereitete
Sache tewesen ist.
#s Vorgehen des Feindes wurde zu unserm
Glück darch den allerdings mit gänzlich ungureichenden
Mitteln versuchten Aufstand der den Engländern
feindlichen Buren verzögert und konnte nicht sofort
mit voller Wucht einsetzen, wie dies sicherlich be-
absichtigt war. Trotzdem kam es schon am 15. Sep-
tember zu dem Uberfall der deutschen Station Ramans-
drift am Oranje Dies war die erste feindliche
Handlung, die uns klar bewies, daß alle Hoffnung,
die zu allermeist von Buren bewohnte Union werde
der Gemeinbürgschaft der weißen Rasse wegen sich
neutral verhalten, eitel war. Botha und seine An-
hänger hatten die alten, aus der Not geborenen
Grundsätze des Burenvolkes, die Aufrechterhaltung
der Herrschaft der weißen Rasse inmitten der schwarzen
Millionen, die Aufrechterhaltung des Ansehens dieser
Nasse als erste Pflicht zu betrachten, einfach zugunsten
britischer Gewissenlosigkeit in der Wahl der Mittel
über Bord geworfen. Unsere Antwort auf den Uber-
fall von Ramansdrift war die Aufhebung der bri-
ltischen Besatzungen in Stolzenfels, Nakab und Riet-
sontein.
Ich möchte nun den Gang der Ereignisse schil-
dern, wie ich ihn teils selbst miterlebt, teils aus zu-
verlässigen Quellen erfahren habe: Anfang September
machten sich die ersten Anzeichen bemerkbar, daß sich
stärkere feindliche Kräfte dem Oranje näherten. Der
Kommandeur nahm seine Truppen absichtlich zurück
und lockte die Engländer über den Oranje in das
Schutzgebiet in eine Falle. Am 26. September gelang
es dann auch, bei Sandfontein eine Elitetruppe
des Feindes, die Cape mounteck rifles von der per-
manent force, etwa 300 Mann, mit zwei modernen
Geschützen, unter Führung des schon vorher zum
britischen Militärgonverneur für Windhuk bestimmten
Colonel Grant abzuschneiden und nach hartem Ge-
fecht zur Ubergabe zu zwingen. Hierauf stellte der
Gegner die Operationen am Oranje zunächst ein