Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

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10 000 wären das Höchste, was l#e old countr 
unter den bestehenden Umständen an Leuten erwarten 
könne.“ Und weiter, daß sie sagen konnte, die Hal- 
lung der BothaRegierung in der Rekrutierungsfrage 
sei unworthler und beggurle, d. h. unwürdig und 
bettelhait. 
Wie aber war uns gegenüber die Lage des 
„Briten“ Botha und seiner Regierung? Die Union 
ist von etwa 1½ Million Weißen bewohnt, Menschen- 
material war also über und übergenug vorhanden, 
es galt nur, cs auf die Beine zu bringen. Und 
das gelang mit Kniffen und Pfiffen, mit Lügen 
und Schändlichkeiten. Eins muß man Botha lassen, er 
war „oller Brite" geworden, er, der vor wenig mehr 
als 10 Jahren sein Volk hatte britischer Giec er- 
liegen sehen. Der Krieg gegen das kleine und schwache 
Südwest kam ihm gelegen, weil er die innerpolitische 
Spannung beseitigen konnte. Nicht alle Buren hatten 
England so „hochherzig“ den Massenmord um die 
Jahrhundertwende verziehen wie Botha. Als der 
glimmende Funke zur lodernden Flamme ward, als 
England in Krieg verstrickt wurde, da begann * n 
Südafrika zu brodeln und zu kochen. „Das 
ist in Gefahr, die Deutschen wollen es ero dobern. 
schrie Botha, und das half schließlich und rettete 
England # vorläufig Südafrika 
Während das kleine Südwest von jeglicher Ver- 
bindung mit der Außenwelt abgeschnitten war, hatte 
Botha es leicht, in kurger Zeit Arrillerie, Handfeuer- 
waffen, Kriegsautos, Fiuggeuge, kurz, was der 
moderne Krieg erfordert, aus England in jeder 
Meuße herbeizuschaffen und seine defense force aus- 
zurüsten. Er machte von dieser Möglichkeit denn 
auch gehörig Gebrauch. Botha hat Exzellenz Seitz 
später zugestanden, daß er zeitweilig über 60 000 
Mann gegen unsere 5000 im Schutzgebiet hatte. 
Dagu kamen aber noch die Stammformationen in 
der Union und was er sonst dort zur Aufrecht- 
erhaltung des ganzen Nachschubs benötigte. Es ist 
daher wohl glaublich, daß die Union, wie feindliche 
Offiziere auch behaupten, über 80 000 Mann gegen 
uns unter den Waffen hatte. Und wie glänzend war 
das Expeditionsheer ausgerüstet! Es hatte Artillerie 
und Maschinengewehre auf Autos montiert, sogar 
leichtere Geschütge auf Autos. Auch schwere weit- 
tragende Schiffsgeschütze führte es mit sich. Über 
2000 Lastautos und eine überhaupt unbeschränkte 
Anzahl von Personenautos sowie allein 200 Wasser- 
autos dienten der Erleichterung des Vorwärts- 
kommens. Funkenstationen auf Autos vermittelten 
Nachrichten. Motorräder ratterten überall umher, 
und Bahnmaterial war in Massen verfügbar, so daß 
Botha nicht nur die Strecke Priska—lUpington —Kalk- 
sontein bauen und damit das Eisenbahnnetz der 
Union an das unsere anschließen, sondern auch die 
gänzlich zerstörte Bahn Lüderitzbucht—Keetmanshoop 
sowie die Otavibahn wiederherstellen konnte. 80 000 
Pferde und 60 000 Manltiere mögen die Bothaleute 
etwa hier gehabt haben. Auf Tiere brauchte jeden- 
falls keine Rücksicht genommen zu werden und wurde 
keine Rücksicht genommen: Auf der Anmarschstraße 
der Kolonnen Bothas nach dem Norden lagen sie 
Ipäter zu Tausenden verendet. Dabei aber hatten 
die feindlichen Reiter für ihre Tiere an Kraftfutter 
mehr als sie brauchten. Nicht vergessen soll auch 
werden, daß Botha für alle möglichen Zwecke süd- 
afrikanische Eingeborene zur Verfügung hatte. Diese 
dienten nicht allein als Treiberpersonal für alle Ge- 
spanne, sondern sie wurden sogar als Kundschafter, 
und zwar als bewaffnete Kundschafter, verwandt, wie 
eine bei dem vor Aus gefallenen Kapitän de Meillon, 
  
dem Führer des feindlichen Svionenkorps, gesundene 
Aufstellung beweist, und wie zahlreiche Erfahrungen 
unserer Truppeu bei andern Gelegenheiten bestätigten. 
Bei Haguur griffen z. B. feindliche Eingeborene die 
d’utsche Station an, und bei Kabus wurden unsere 
Verwundeten von Eingeborenen, die Waffen schwin- 
gend mit den Engländern einherritten, bis auf das 
Hemd ausgeplündert. Erwähnt sei hier gleich, daß 
die Schutztruppe es demgegenüber streng vermied, 
Eingeborene zu bewaffnen und gegen den weißen 
Feind zu verwenden. Unbewaffnet sind Eingeborene 
nicht zur Erkundung vorguschicken, und deshalb war 
die drutsche Truppe auch darin im Nachteil. Hinzu 
kommt, daß die Union sich planmäßig auf die Er- 
oberung des deutschen Schutzgebietes vorbereitet 
hatte. Das beweisen schon die vielfach bei gefangenen 
feindlichen Offizieren gefundenen Karten, die insofern 
besser waren als unsere eigenen, weil sie z. B. bei 
Eisenbahnbrücken alle Maße enthielten und bei Wasser- 
stellen Auskunft darüber gaben, wieviel Tiere und 
Menschen dort Wasser finden konnten. Das bewies 
auch das unverhoffte Zusammentreffen mit allen mög- 
lichen Leuten, die früher im Schutzgebiet als Pro- 
spekroren, Agenten, Kellner, Händler, Arbeiter und 
Aufseber jahrelang ihr Brot verdient hatten, jetzt 
aber als feindliche Offiziere auftraten! Durch jahre- 
lange, plaumäßige Spionage hatte sich das biedere 
England also mit allen Verhältnissen in Deuts 
Südwest vertraut gemacht. Es sind übrigens auch 
noch sonstige sichere Beweise dafür in unsern Händen, 
daß die Eroberung Deutsch-Südwestafrikas von der 
Union eine längst geplante und sorgfältig vorbereitete 
Sache tewesen ist. 
#s Vorgehen des Feindes wurde zu unserm 
Glück darch den allerdings mit gänzlich ungureichenden 
Mitteln versuchten Aufstand der den Engländern 
feindlichen Buren verzögert und konnte nicht sofort 
mit voller Wucht einsetzen, wie dies sicherlich be- 
absichtigt war. Trotzdem kam es schon am 15. Sep- 
tember zu dem Uberfall der deutschen Station Ramans- 
drift am Oranje Dies war die erste feindliche 
Handlung, die uns klar bewies, daß alle Hoffnung, 
die zu allermeist von Buren bewohnte Union werde 
der Gemeinbürgschaft der weißen Rasse wegen sich 
neutral verhalten, eitel war. Botha und seine An- 
hänger hatten die alten, aus der Not geborenen 
Grundsätze des Burenvolkes, die Aufrechterhaltung 
der Herrschaft der weißen Rasse inmitten der schwarzen 
Millionen, die Aufrechterhaltung des Ansehens dieser 
Nasse als erste Pflicht zu betrachten, einfach zugunsten 
britischer Gewissenlosigkeit in der Wahl der Mittel 
über Bord geworfen. Unsere Antwort auf den Uber- 
fall von Ramansdrift war die Aufhebung der bri- 
ltischen Besatzungen in Stolzenfels, Nakab und Riet- 
sontein. 
Ich möchte nun den Gang der Ereignisse schil- 
dern, wie ich ihn teils selbst miterlebt, teils aus zu- 
verlässigen Quellen erfahren habe: Anfang September 
machten sich die ersten Anzeichen bemerkbar, daß sich 
stärkere feindliche Kräfte dem Oranje näherten. Der 
Kommandeur nahm seine Truppen absichtlich zurück 
und lockte die Engländer über den Oranje in das 
Schutzgebiet in eine Falle. Am 26. September gelang 
es dann auch, bei Sandfontein eine Elitetruppe 
des Feindes, die Cape mounteck rifles von der per- 
manent force, etwa 300 Mann, mit zwei modernen 
Geschützen, unter Führung des schon vorher zum 
britischen Militärgonverneur für Windhuk bestimmten 
Colonel Grant abzuschneiden und nach hartem Ge- 
fecht zur Ubergabe zu zwingen. Hierauf stellte der 
Gegner die Operationen am Oranje zunächst ein 
 
	        
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