W 84 20C
Stunden in die Hand fallen werde. Die Truppe
war, deshalb allein auf die in Khorab befindliche
Verpflegung angewiesen. etwa 14 Tage ausreichend.
Der Geguer hatte es daher gar nicht nötig, einen
Angriff, der ihm nr Verluste bringen können, zu
unternehmen, er würde mit der Besetzung von Tsumeb
und Namutoni den letzten Ausweg versperrt haben
und seine bisherige Taktik ließ keinen Zweifel darüber,
daß er selbst keine Opfer bringen, sondern abwarten
wekter bis ihm die reife Frucht von selbst in den
Schoß fallen würde. Ein Vorstoß unserseits würde
unser kleines Häuflein gegen mindestens zehnfache
Übermacht an Gewehren und Geschützen geführt
-haben und wäre sinnlos gewesen. Ebenso war der
Versuch, mit aller Macht über Namutoni nach Norden
durchzubrechen, von vornherein zu verwerfen, weil
in Namutoni die 4000 Mann von Britz sein mußten
und weil die abziehende Truppe auf ihren gänglich
verbrauchten, jammervollen Tieren nur schneckenhaft
hätte vorwärts kommen können und daher auf dem
Marsche von allen drei feindlichen Kolonnen an-
gegriffen und vernichtet worden wärc. Das End-
ergebnis konnte also nur sein, daß die Truppe nach
höchstens drei Wochen durch das Feuer der schweren
feindlichen Artillerie zusammengeschossen worden wäre
oder wegen Proviantmangels sich bedingungslos
hätte ergeben müssen, oder endlich, daß sie sich in
völlig fruchtlosen Angriffen auf eine ungehenerliche
Übermacht verblutet hätte, ohne das geringste zu
erreichen, ohne ihrerseits dem Feinde nennenswerte
Verluste beizubringen.
Ein Vorteil für das Baterland daheim, für das
Schutzgebiet oder für die Truppe selbst war auf
beiden Wegen nicht mehr zu erreichen. Dagegen
konnten dic Folgen weiteren Widerstandes mit nach-
folgender bedingungsloser Ubergabe oder Gejangen-
nahme der Reste für das Schutzgebiet noch recht
schlimm werden. Schon deshalb, weil in Khorab
noch sehr viele der bodenständigen, meist verheira-
teten Ansiedler den Schutztruppenrock trugen, deren
Hinopferung für die wirtschaftliche Zukunft des Landes
einen Zusammenbruch bedeutet Vbätte. Dann aber
wäre bei bedingungsloser Ubergabe oder Gefangen-
nahme der Rest der Truppe, darunter auch die Nicht-
aktiven, zweifellos kriegsgefangen abtransportiert
worden. Da man ein Ende des Krieges nicht ab-
sehen konnte, wäre dies einem völligen Stillstand
des wirtschaftlichen Lebens, einer Verödung der
meisten Farmen, bitterer Not der hilflosen Frauen
und Kinder gleichgekommen. Aber auch der Einfluß
der Bevölkerung auf die Eingeborenen und ihr An-
sehen bei diesen — ein Grund, der daheim allerdings
vielleicht nicht so verstanden wird, dennoch aber
schwerwiegend war wäre bei völliger Überwälti=
gung der Truppe durch den Feind auf Jahrgehnte
hinaus vernichtet gewesen, was uns nach dem Frie-
densschluß die Beruhigung der Eingeborenen noch
erheblich schwieriger gemacht haben würde, als dies
jetzt der Fall ist. Schließlich, wäre nur der Schimmer
einer „Möglichkeit vorhanden gewesen, daß in kurzer
Zeit Friede werde, dann allerdings hätten unser
Gouverneur und unser Nommandeur wohl die Auf-
opferung der Truppe bis auf den letzten Mann ver-
antworten können. In einem Konflikt der Pflichten
haben meines Erachtens der Gouverneur und Kom-
mandeur versucht, dem Vaterlande und dem Schut=
gebiet, d. i. der Zukunft des deutschen Südwest-
afrika, zu retten, was sich noch retten ließ.
Am 6. Juli trat der Gouverneur in Anwesenheit
des Kommandeurs der Schutztruppe in Otavi mit
Botha in Verhandlungen ein. Zugleich begann ein
Waffenstillstand. Bei den Besprechungen über diesen
Waffenstillstand am Tage vorber, also am 5. Juli,
wurde von dem deutschen Generalstabsosfizier darauf
hingewiesen, daß auch die Flügelkolonnen unter
Myburg und Brih von dem Abschluß der Waffeuruhe
benachrichtigt werden müßten. Bothas Generalstabs-
chef, Oberst Colliers, entgegnete darauf, daß ihre
Funkenstation nicht gut arbeite und Drahtverbindung
mit den beiden Generalen nicht vorhanden sei. Er
könne deshalb keine Gewähr dafür übernehmen, daß
die Nachricht rechtzeitig überbracht werde, wolle aber
alles versuchen. Myburg und Britz durch Offigiere
in Autos sofort zu benachrichtigen. Der „deutsche
Oifizier betonte demgegenüber. daß er unsere Truppen
benachrichtigen würde, eiwa angreifende britische
Truppen vom Bestehen des Waffenstillstandes zu
unterrichten. Daraus geht deutlich bervor, daß die
Abmachung der Waffenruhe für alle Operationen
und nicht nur für Khorab gelten sollte. Es ist aber
GEGrund zu der Annahme vorhanden, daß diese Ab-
machung von Botha nicht anständig und ehrlich ge-
handhabt worden ist. daß im Gegenteil die Flügel-
kolonnen offenbar die Anweisung bekommen haben.
Tsumeb und Namutoni, auch wenn sie bis zum Be-
ginn des Waffenstillstandes noch nicht gefallen sein
sollten, einfach zu besetzen.
Botha wußte jedenfalls bei Beginn der Ver-
handlungen am 6. Juli noch nichts von der Besetzung
der Punkte Tsumeb und Namutoni, und es kam zu
folgenden Abmachungen: 1. Die gesamte aktive Truppe
wird mit Waffen, Munition, Pferden und Artillerie
im Norden des Schutzgebiets auf einem noch zu be-
stimmenden Platz konzentriert und verbleibt dort
weiter unter dem Besehl ihrer Offiziere bis zum
Friedensschluß. 2. Sämtliche Reserveformationen
werden aufgelöst; die Leute werden entlassen und
dürfen ihrem Berufe ungehindert nachgehen. Die
Waffen dieser Reserveformationen werden an die
Unionstruppen abgegeben. Das waren die Haupt-
punkte, und bei der Besprechung wurde seitens Bothas
und seines Stabes in den deutschen Verhandlungs-
führenden der Eindruck erweckt, daß die Annahme
dieser Bedingungen durch London infolge dringender
„Befürwortung“ durch Botha in kurzer Zeit sicher sei.
Als Gouverneur und Kommandeur nach Khorab
zurückkamen, erfuhren sie, was sich im Laufe des
Tages inzwischen in Tsumeb und Namutoni zuge-
tragen hatte. In Tsumeb war Major Wehle ältester
Offizier. Er wußte, daß der Ort gegen den heran-
rückenden General Myburg mit seinen 4000 Mann
bis zum Beginn der kommenden Waffeuruhe gehalten
werden sollte, hatte aber. nach Abzug der Wachen
und Posten für die Magazine und Depots sowie
für die über 800 gefangenen Engländer und Buren
eigentlich nur eine Batterie von vier alten Geschützen
zur Verfügung, dic er durch etwa 20 Mann bedienen
konnte. Durch einen unglücklichen Zufall erhielt er
die offizielle Nachricht vom Abschluß des Waffen-
stillstandes erst drei Stunden vor Beginn desselben:
inoffiziell war er schon vorher davon unterrichtet
gewesen. Major Wehle sandte sofort den Hauptmann
v Alvensleben als Parlamentär dem Feinde mit der
Nachreie entgegen, daß um 7 Uhr ein Waffenstill-
stand beginne. Ob sein Unterhändler beim Feinde
eingetroffen sei. konnie der Maior von seiner Stellung
aus nicht sehen. Er sah aber, daß die feindlichen
Kolonnen sich nach 5 Uhr gegen Tsumeb gZu in Be-
wegung setzten, und als diese Vorwärtsbewegung
um 6½ Uhr noch nicht zum Stillstand gekommen
war, ließ er die Geschütze der Batterie mit einigen
Salven Herrn Myburg ein Halt zudonnern. Das.