Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

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Stunden in die Hand fallen werde. Die Truppe 
war, deshalb allein auf die in Khorab befindliche 
Verpflegung angewiesen. etwa 14 Tage ausreichend. 
Der Geguer hatte es daher gar nicht nötig, einen 
Angriff, der ihm nr Verluste bringen können, zu 
unternehmen, er würde mit der Besetzung von Tsumeb 
und Namutoni den letzten Ausweg versperrt haben 
und seine bisherige Taktik ließ keinen Zweifel darüber, 
daß er selbst keine Opfer bringen, sondern abwarten 
wekter bis ihm die reife Frucht von selbst in den 
Schoß fallen würde. Ein Vorstoß unserseits würde 
unser kleines Häuflein gegen mindestens zehnfache 
Übermacht an Gewehren und Geschützen geführt 
-haben und wäre sinnlos gewesen. Ebenso war der 
Versuch, mit aller Macht über Namutoni nach Norden 
durchzubrechen, von vornherein zu verwerfen, weil 
in Namutoni die 4000 Mann von Britz sein mußten 
und weil die abziehende Truppe auf ihren gänglich 
verbrauchten, jammervollen Tieren nur schneckenhaft 
hätte vorwärts kommen können und daher auf dem 
Marsche von allen drei feindlichen Kolonnen an- 
gegriffen und vernichtet worden wärc. Das End- 
ergebnis konnte also nur sein, daß die Truppe nach 
höchstens drei Wochen durch das Feuer der schweren 
feindlichen Artillerie zusammengeschossen worden wäre 
oder wegen Proviantmangels sich bedingungslos 
hätte ergeben müssen, oder endlich, daß sie sich in 
völlig fruchtlosen Angriffen auf eine ungehenerliche 
Übermacht verblutet hätte, ohne das geringste zu 
erreichen, ohne ihrerseits dem Feinde nennenswerte 
Verluste beizubringen. 
Ein Vorteil für das Baterland daheim, für das 
Schutzgebiet oder für die Truppe selbst war auf 
beiden Wegen nicht mehr zu erreichen. Dagegen 
konnten dic Folgen weiteren Widerstandes mit nach- 
folgender bedingungsloser Ubergabe oder Gejangen- 
nahme der Reste für das Schutzgebiet noch recht 
schlimm werden. Schon deshalb, weil in Khorab 
noch sehr viele der bodenständigen, meist verheira- 
teten Ansiedler den Schutztruppenrock trugen, deren 
Hinopferung für die wirtschaftliche Zukunft des Landes 
einen Zusammenbruch bedeutet Vbätte. Dann aber 
wäre bei bedingungsloser Ubergabe oder Gefangen- 
nahme der Rest der Truppe, darunter auch die Nicht- 
aktiven, zweifellos kriegsgefangen abtransportiert 
worden. Da man ein Ende des Krieges nicht ab- 
sehen konnte, wäre dies einem völligen Stillstand 
des wirtschaftlichen Lebens, einer Verödung der 
meisten Farmen, bitterer Not der hilflosen Frauen 
und Kinder gleichgekommen. Aber auch der Einfluß 
der Bevölkerung auf die Eingeborenen und ihr An- 
sehen bei diesen — ein Grund, der daheim allerdings 
vielleicht nicht so verstanden wird, dennoch aber 
schwerwiegend war wäre bei völliger Überwälti= 
gung der Truppe durch den Feind auf Jahrgehnte 
hinaus vernichtet gewesen, was uns nach dem Frie- 
densschluß die Beruhigung der Eingeborenen noch 
erheblich schwieriger gemacht haben würde, als dies 
jetzt der Fall ist. Schließlich, wäre nur der Schimmer 
einer „Möglichkeit vorhanden gewesen, daß in kurzer 
Zeit Friede werde, dann allerdings hätten unser 
Gouverneur und unser Nommandeur wohl die Auf- 
opferung der Truppe bis auf den letzten Mann ver- 
antworten können. In einem Konflikt der Pflichten 
haben meines Erachtens der Gouverneur und Kom- 
mandeur versucht, dem Vaterlande und dem Schut= 
gebiet, d. i. der Zukunft des deutschen Südwest- 
afrika, zu retten, was sich noch retten ließ. 
Am 6. Juli trat der Gouverneur in Anwesenheit 
des Kommandeurs der Schutztruppe in Otavi mit 
Botha in Verhandlungen ein. Zugleich begann ein 
  
Waffenstillstand. Bei den Besprechungen über diesen 
Waffenstillstand am Tage vorber, also am 5. Juli, 
wurde von dem deutschen Generalstabsosfizier darauf 
hingewiesen, daß auch die Flügelkolonnen unter 
Myburg und Brih von dem Abschluß der Waffeuruhe 
benachrichtigt werden müßten. Bothas Generalstabs- 
chef, Oberst Colliers, entgegnete darauf, daß ihre 
Funkenstation nicht gut arbeite und Drahtverbindung 
mit den beiden Generalen nicht vorhanden sei. Er 
könne deshalb keine Gewähr dafür übernehmen, daß 
die Nachricht rechtzeitig überbracht werde, wolle aber 
alles versuchen. Myburg und Britz durch Offigiere 
in Autos sofort zu benachrichtigen. Der „deutsche 
Oifizier betonte demgegenüber. daß er unsere Truppen 
benachrichtigen würde, eiwa angreifende britische 
Truppen vom Bestehen des Waffenstillstandes zu 
unterrichten. Daraus geht deutlich bervor, daß die 
Abmachung der Waffenruhe für alle Operationen 
und nicht nur für Khorab gelten sollte. Es ist aber 
GEGrund zu der Annahme vorhanden, daß diese Ab- 
machung von Botha nicht anständig und ehrlich ge- 
handhabt worden ist. daß im Gegenteil die Flügel- 
kolonnen offenbar die Anweisung bekommen haben. 
Tsumeb und Namutoni, auch wenn sie bis zum Be- 
ginn des Waffenstillstandes noch nicht gefallen sein 
sollten, einfach zu besetzen. 
Botha wußte jedenfalls bei Beginn der Ver- 
handlungen am 6. Juli noch nichts von der Besetzung 
der Punkte Tsumeb und Namutoni, und es kam zu 
folgenden Abmachungen: 1. Die gesamte aktive Truppe 
wird mit Waffen, Munition, Pferden und Artillerie 
im Norden des Schutzgebiets auf einem noch zu be- 
stimmenden Platz konzentriert und verbleibt dort 
weiter unter dem Besehl ihrer Offiziere bis zum 
Friedensschluß. 2. Sämtliche Reserveformationen 
werden aufgelöst; die Leute werden entlassen und 
dürfen ihrem Berufe ungehindert nachgehen. Die 
Waffen dieser Reserveformationen werden an die 
Unionstruppen abgegeben. Das waren die Haupt- 
punkte, und bei der Besprechung wurde seitens Bothas 
und seines Stabes in den deutschen Verhandlungs- 
führenden der Eindruck erweckt, daß die Annahme 
dieser Bedingungen durch London infolge dringender 
„Befürwortung“ durch Botha in kurzer Zeit sicher sei. 
Als Gouverneur und Kommandeur nach Khorab 
zurückkamen, erfuhren sie, was sich im Laufe des 
Tages inzwischen in Tsumeb und Namutoni zuge- 
tragen hatte. In Tsumeb war Major Wehle ältester 
Offizier. Er wußte, daß der Ort gegen den heran- 
rückenden General Myburg mit seinen 4000 Mann 
bis zum Beginn der kommenden Waffeuruhe gehalten 
werden sollte, hatte aber. nach Abzug der Wachen 
und Posten für die Magazine und Depots sowie 
für die über 800 gefangenen Engländer und Buren 
eigentlich nur eine Batterie von vier alten Geschützen 
zur Verfügung, dic er durch etwa 20 Mann bedienen 
konnte. Durch einen unglücklichen Zufall erhielt er 
die offizielle Nachricht vom Abschluß des Waffen- 
stillstandes erst drei Stunden vor Beginn desselben: 
inoffiziell war er schon vorher davon unterrichtet 
gewesen. Major Wehle sandte sofort den Hauptmann 
v Alvensleben als Parlamentär dem Feinde mit der 
Nachreie entgegen, daß um 7 Uhr ein Waffenstill- 
stand beginne. Ob sein Unterhändler beim Feinde 
eingetroffen sei. konnie der Maior von seiner Stellung 
aus nicht sehen. Er sah aber, daß die feindlichen 
Kolonnen sich nach 5 Uhr gegen Tsumeb gZu in Be- 
wegung setzten, und als diese Vorwärtsbewegung 
um 6½ Uhr noch nicht zum Stillstand gekommen 
war, ließ er die Geschütze der Batterie mit einigen 
Salven Herrn Myburg ein Halt zudonnern. Das.
	        
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