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das Kisonge über die eigenen Stammesgrenzen
hinaus gesprochen. Die Eingeborenen sind in
erster Linie Ackerbauer, bei allen Dörfern finden
sich (teilweise außerordentlich große) Kassadafelder
und sonstige ausgedehnte Kulturen; daneben be-
treiben sie allgemein die kleine Hausindustrie für
den eigenen Bedarf. Geld erwerben sie durch
Kautschukgewinnung, Trägerdienste und den Ver-
kauf von Lebensmitteln an Enropäer und deren
Personal.
Die Einrichtung der Häuptlingsschaften war
1913 erst zum Teil durchgeführt. Große Neger-
reiche gibt es nicht. Jedoch hatte noch damals
der Oberhäuptling von Kabinda, Lupongo, un-
verhältnismäßig großen Einfluß. Früher selbst
ein Sklave aus der Gegend von Tschofa ist er
selbst der Typ eines alten geriebenen Sklaven-
händlers. Er hatte den Belgiern bei den
Kämpfen mit den Arabern und im Betelele-
Aufstand wertvolle Dienste geleistet und war von
ihnen dafür stark verwöhnt worden. Noch 1913
erhob er allerlei Tribute aus der ganzen Gegend.
Allerdings wurde er dafür auch von den Belgiern
zu ungewöhnlichen Abgaben herangezogen. Er
hatte im Jahre 1913 noch an jeden in Kabinda
ansässigen Europäer und es waren damals,
wie gesagt, mehr wie dreißig — täglich 4 Hühner
und 10 Eier zu liefern, während er selbst dafür
nur 2 Fr. erhielt. Der Preis eines Huhnes auf
dem Eingeborenenmarkt belief sich dagegen auf
1 Fr., der eines Eies auf 0,10 Fr., so daß der
wahre Wert seiner Lieferung 5 Fr. betrug.
Lupongo selbst wälzte allerdings diese Steuer
auf die Bevölkerung ab, indem er sich die er-
sforderlichen Hühner aus der ganzen Umgegend
liefern ließ, ohne selbst dafür zu bezahlen. Be-
zeichnend für den Reichtum der Gegend an
Geflügel ist es jedenfalls, daß auf dieser einen
Station von den Europäern allein pro Jahr
etwa 40 000 Hühner vertilgt werden konnten,
ohne daß eine merkbare Erschöpfung der Bestände
eintrat. Die zweite große Einnahmequelle Lu-
pongos war seine Beteiligung an den Träger-
löhnen der innerhalb seines Bereiches angeworbe-
nen Leute. Er erhielt 5 v. H. sämtlicher Löhne
und sollte sich insgesamt auf mehrere 10 000 Fr.
stehen, man sprach sogar von einer Einnahme
von etwa 100 000 Fr. im Jahr. Doch dürfte
diese Zahl wohl sicher übertrieben sein. Im
Vergleich zu ihm war die Mehrzahl der übrigen
Häuptlinge des Bezirkes recht unbedeutend, nur
die Häuptlinge Mutombo-Mukulu, Kimoto,
Buana-Moessi hatten noch etwas größeren
Einfluß.
Die Eingeborenenbevölkerung machte im all-
gemeinen, vor allem westlich des Lomami einen
ausgezeichneten Eindruck. Unter den Männern
sah man viele kräftige, gut gebaute Figuren von
6 Fuß Größe und mehr. Die Frauen waren
meist zierlich. Unter ihnen gab es häufig recht
hübsche Erscheinungen mit niedlichen, fast euro-
päischen Gesichtszügen. Der Bedarf an Kleidungs-
stücken war schon verhältnismäßig groß. Die
Dörfer machten in der Gegend von Kabinda
einen außerordentlich sauberen Eindruck, die
Hütten waren in Gehöftlage gebaut. Die Dorf-
schaften hatten die Wege und Brücken zu unler-
halten. In der Gegend von Kabinda wurden
sie noch nicht dafür bezahlt, obgleich an sich eine
Bezahlung gesetzlich angeordnet ist (vgl. Dekret
vom 2. Mai 1910). Die Vermittlung zwischen
den Häuptlingen und den Verwaltungsbeamten
wurde fast überall durch sogenannte Messagers
besorgt, die vom Gouvernement bezahlt wurden,
meistens mit 7,50 Fr. pro Monat. Die größeren
Häuptlinge unterhielten in den Dörfern außerhalb
ihres eigenen Wohnsitzes vielfach besondere Ver-
treter, die sogenannten Niempara, die dann
ihrerseits wieder vom Gouvernement bei der
Steuereinziehung herangezogen wurden und dafür
auch Geld erhielten. Der Gesundheitszustand der
Eingeborenen-Bevölkerung war in der südwest-
lichen Hälfte verhältnismäßig gut. Schlafkrankheit
war relativ selten. Nur in der Gegend von
Tschofa trat sie häufiger auf. Besondere Vor-
sicht ist bei dem Baden im Sankuru geboten, da
das Wasser zu bestimmten Jahreszeiten den als
maladie de Sankuru" bekannten, sehr lästigen
Hautausschlag hervorruft.
Der Bezirk Lomami ist in 5 Territorien
geteilt, nämlich Pania-Mutombo, Kanda-
Kanda, Tschofa, Kabinda und Kasongo-
Niembo. Die Verwaltungsstationen befinden sich
an den gleichnamigen Orten. Das Bezirksamt
Kabinda liegt auf einem Hügel, die Eingeborenen-
stadt mit ihren verschiedenen Vierteln auf anderen
Hügeln rund herum. Das Gelände ist ein un-
regelmäßiges Gemenge von Berg und Tal, ähn-
lich dem bei Boma, nur daß hier die Gegend
wesentlich fruchtbarer und vor allem bevölkerter
ist. Die Gebände des Bezitksamts lagen um
einen parkartig gehaltenen Platz mit Rasenflächen
und alten Schattenbäumen. Sie waren aus
Lehmwänden mit Grasdach aufgeführt. Ihre
Einrichtung war im allgemeinen recht dürftig.
Die Station in Kisengwa war sehr weitlänfig
aus Mitteln des Landes erbaut und recht gut
gehalten. Da aber kein Beamter mehr dort
ständig stationiert war, so dürfte auch sie wohl
inzwischen mit so vielen anderen Stationen das
Schicksal des Verfalls erlitten haben. In Kanda-
Kanda war die Mehrzahl der Häuser der eben-
falls sehr weitläufig gebauten Station in Ziegel-
steinen aufgeführt.
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