Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

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Posten am Bima, einem linken Nebenflusse des 
Uelle. Hier wird er im April Leutnant, sein 
Gehalt steigt in der Zeit von Oktober 1898 bis 
November 1900 von 3400 auf 5000 Fr.; man 
muß also mit seinen Diensten sehr zufrieden ge- 
wesen sein. Im September 1900 wird ihm die 
Leitung des Uelle-Djabir-Gebietes übertragen. 
Er verläßt daher den Libokwa-Posten, wo nur 
sein bisheriger Untergebener, ebenfalls ein frühercr 
Sergeant der belgischen Armee, Remi Janssens 
zurückbleibt. Zum Capitaine im März 1901 be- 
fördert, kehrt Tilkens nach Ablauf seiner zweiten 
Dienstperiode im April 1901, geschmückt mit dem 
Etoile de service à 2 raies, nach Belgien zurück. 
Nach seinem Weggang überfielen die durch 
eine, wie wir weiter unten sehen werden, jahre- 
lang fortgesetzte überaus grausame Behandlung 
zum äußersten getriebenen Eingeborenen der 
Nachbarschaft nächtlicherweile den Libokwa-Posten. 
Nach den bestehenden Vorschriften waren die Ge- 
wehre der Besatzung, weil der Staat seinen eigenen 
Truppen nicht völlig trauen konnte, im Magazin 
eingeschlossen. Die aus 52 Mann bestehende Be- 
satzung ergriff die Flucht, da sie fast ohne Waffen 
war. Ihr Chef war mit seiner schwarzen Ge- 
liebten, ohne den Versuch zu machen, sie zu 
sammeln oder seinen Revolver zu gebrauchen, 
durch das Fenster gesprungen und irrte drei Tage 
mit dem ihm zur Seite bleibendem Weib ziellos 
im Wald herum, ohne auch nur daran zu 
denken, die benachbarte, nur wenige Stunden 
entfernte nächste Station zu benachrichtigen. Bloß 
der Umstand, daß ein farbiger Sergeant und ein 
Korporal tapfer Stand hielten und ein Gebäude 
der Station verteidigten, veranlaßte die Einge- 
borenen, sich schließlich zurückzuziehen. Dieser 
Vorfall brachte den Stein ins Rollen. Der ohne- 
hin kranke Janssens wurde im März 1901 
revoqué pour avoir gravement manqué à ses 
devoirs militairs de chef de poste en ne pre- 
nant pas les dispositions voulues pour assurer 
la conservation de son postes und in Boma 
in Untersuchungshaft genommen. 
Die dortigen Gerichte beschäftigten sich wieder- 
holt mit seinem Fall. Am 19. September 1901 
vom Kriegsgericht zu zehn Jahren Strafhaft ver- 
urteilt, erklärte auf seine eingelegte Berufung der 
Conseil de guerre d’appel am 14. Oktober, daß, 
weil es sich um einen Fall handle, auf den ev. 
Todesstrafe stehe und weil ein Weißer in Frage 
komme, das Kriegsgericht inkompetent gewesen sei 
und verwies den Fall an das Tribunal in Boma, 
das den Angeklagten freisprach. Auf eingelegte 
Berufung des Staatsanwalts erkannte der Cours 
d'appel in Boma am 24. Dezember 1901, daß 
die Voruntersuchung gegen den Angeklagten nicht 
vorschriftsmäßig vorgenommen, die Zeugen nicht 
  
ordnungsmäßig vereidigt und verhört und andere 
Verstöße gegen die bestehenden Bestimmungen 
vorgekommen seien. Er erkannte daher, daß vor 
der Urteilsfällung eine Reihe der wichtigsten 
Zeugen vor den Gerichtshof zu laden seien. In 
Anbetracht der großen Entfernungen und um dem 
Angeklagten zu ermöglichen, nach dem ihm zu- 
stehenden Heimaturlaub wieder vor Gericht zu 
erscheinen und seine Verteidigung zu führen, 
ordnete das Gericht an, daß das Urteil bis zum 
Juli 1902 zu verschieben sei. Der Angeklagte 
trat am 4. Januar 1902 seine Heimreise an. Am 
2. August 1902 erkannte das Gericht in Abwesen- 
heit des selbstverständlich nicht nach Boma zurück- 
gekehrten Janssens unter Zubilligung mildernder 
Umstände wieder auf eine Strafe von zehn-Jahren 
und auf militärische Degradation. Eine Folge 
hatte das Urteil nicht, ein Auslieferungsantrag 
wurde vom Kongostaat an Belgien in dieser Sache 
nicht gestellt. 
Ein Bruder des Angeklagten hatte sich wäh- 
rend der schwebenden Untersuchung an den Staats- 
sekretär de Cuvelier gewendet und unter Ein- 
reichung von Briefen des Beschuldigten die Er- 
wartung ausgesprochen, daß an seinem Bruder 
keine so schreiende Ungerechtigkeit einer Verurteilung 
begangen werden würde, während die ebenso 
schuldigen Vorgesetzten desselben frei ausgingen. 
vde ne demande la punition de personne, je 
ne demande simplement que ceci: Mon frere 
sér#a renvoyé des fins de la poursuite et re- 
patric le plutöt possible comme si de rien 
n'avait été. Volla la seule et unique chose due 
je demande et qui est juste.“ Andernfalls 
drohte er, die Sache in die Zeitungen zu bringen 
und sich an Deputierte zu wenden. 
Die Vorgänge, die zu der Erhebung der Ein- 
geborenen in der Umgebung der Station Libokwa 
geführt hatten, die grausame Behandlung derselben, 
bei der Janssens, wie wir weiter unten sehen 
werden, ebenfalls beteiligt gewesen war, kamen 
bei den Gerichtsverhandlungen nicht näher zur 
Sprache. Jedenfalls erfolgte seine Verurteilung 
nur auf Grund seines militärischen Verhaltens 
bei dem Anfall auf den Posten. In einer Akten- 
notiz findet sich folgende für die Stellung der 
kongolesischen Behörden kennzeichnende Stelle: 
„Dans sa lettre Nr. 1040, du 22 novembre 
adressée à I’Intsrieur, le Gouverneur Général 
éGerit qdue les considérations emises par le 
Commissaire Général Lahaye, dans un rapport 
sur la révolte d'’on est sortie F’affaire de 
lächeté reprochée à Janssens, concordent sur 
beaucoup de points avec les extraits des lettres 
de Janssens qdue le Département avait envoyés 
à Boma. Dans ce rapport Lahaye se trouve 
néanmoins le passage suivant: je ne puis
	        
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