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Gae ichtamtlicher Teilselm.
KAus den Krchiven des belgischen Kolonialministeriums.
Achte Veröffentlichung.“)
Die Erwerbung des Lunda-Gebietes durch den kKongostaat im Jahre 1891.
(Mit zwei Karten.)
Die vom König Leopold unmittelbar vor und
während der Berliner Kongokonferenz mit den
Pächten geführten Berhandlungen über die Grenzen
des zukünftigen Kongostaates hatten hinsichtlich
der Grenzverhältnisse im Südwesten gegen die
portugiesische Kolonie Angola sehr unklare und
einander widersprechende Zustände geschaffen. Nach
dem mit Deutschland am 8. November 1884 ge-
trofenen Abkommen sollte der Kongostaat nicht
über den Parallel von Noki nach Süden hinaus-
reichen. Der Vertrag mit Frankreich vom 5. Fe-
brnar 1885 sah als Südgrenze des Kongostaates
bis östlich zum Lubilasch den 6. südl. Br. vor.
In dem Vertrag mit Portugal vom 14. Februar
1885 war als Grenze der Parallel von Noki
bis zu dessen Schnittpunkt mit dem Kuango fest-
geietzt. Von diesem Punkt aus sollte der Lauf
des Kuango nach Süden zu die weitere Grenze
der beiderseitigen Besitzungen bilden. Das stellte
eine Selbstbeschränkung der portugiesischen An-
sprüche dar, die gegenüber den vor der Kongo-
lonferenz von Lissabon aus mit soviel Lärm und
Emphase aufgestellten Rechten auf große Teile des
südlichen Zentralafrika einfach unverständlich er-
scheinen mußte. In seiner Neutralitätserklärung
vom 1. August 1885 war von seiten des Kongo-
states als Südwestgrenze"") nördlich der Kongo-
7) Ugl. zuletzt „D. Kol. Bl.“ 1917, Nr. 8.9, S. 132 ff.
““) Um diese wörtlich mit dem frangösischen Text
der Neutralitäts-Erklärung vom 1. August 1885 über-
einstimmendc, an sich sehr unklare Festsetzung verstehen
zu können, muß daran erinnert werden, daß die um
die Mitte des Jahres 1885 noch sehr unvollständige
gortographie des südlichen Kongobeckens das Strom-
stitem des Kasai mit dem unter dem Agqguator von
Süden her in den Kongo mündenden Ruki-Busira in
Lerbindung brachte. Man war zZu dieser Hypothese
durch die Angaben Stanlens über den Kroßen Vaisen-
nichtum des Ruki verleitet worden. Daß der Kasai
diel südlicher, unter 3% südl. Br., in den Kongo münde,
wurde durch W Lissmann erst am 9. Juli 1885 festge-
jellt. Diese erste Befahrung des Kasai und Wissmanns
weitere Forschungen in den Jahren 1886/87 sowie die
Ewedition' von Kund und Tappenbeck Ende 1885
lhrten zu der Erkenntnis, daß der Kwango, Wamb "o“
Kuilu-Djuma. Loango, Kasai, Lulua, Lubilasch-
Zanlurn, Lukenie usw. ein einheitliches, mächtiges
kuomsystem bilden, das seine Zuflüsse fast ausschließ-
von Süden her erhält und das mit dem Ruki
nchts zu tun hat.
Zambesi-Wasserscheide die Wasserscheide der Ge-
wässer, die zum Becken des Kasai zwischen dem
6.P und dem 12.7 südl. Br. gehören, dann der
6. südl. Br. bis zu seinem Schnittpunkt mit dem
Kuango, dann der Kuango selbst bis zu seinem
Zusammentreffen mit dem Parallel von Noki und
dann dieser Parallel als Grenzen angeführt.
Rückten also diese Angaben die Grenzen des
Kongostaates gegenüber den mit Deutschland und
Frankreich geschlossenen Verträgen im Südwesten
willkürlich bereits erheblich nach Westen vor, so
schien doch immerhin ein großer Teil des weiten
Lundagebietes zwischen Kasai und Knango nicht
zum Kongostaat gehören zu sollen. (Siehe Karte
M
Aber das schien nur so. Im stillen be-
reitete der König die Maßnahmen vor, die ihn
auch in den Besitz des ganzen Lundagebietes zu
setzen bestimmt waren. Gegen etwaige Einsprüche
von seiten Portugals hinsichtlich einer weiteren
Ausdehnung des Kongostaates nach Südwesten
bis zum Kuango hielt er sich durch den mit dieser
Macht am 14. Februar 1885 abgeschlossenen Ver-
trag vollauf gedeckt, da dieser Vertrag den Kuango
als beiderseitige Grenze bezeichnete, ohne sonder-
barerweise näher zu bestimmen, bis wie weit nach
Süden dieser Fluß als Grenze in Betracht zu
kommen habe. Diese Unterlassung, die sich die
portugiesischen Unterhändler bei Abschluß dieses
Abkommens hatten zuschulden kommen lassen, sollte
sich an ihrem Land bitter rächen.
An die rein wissenschaftlichen Forschungs-
expeditionen, die die „Afrikanische Gesellschaft in
Deutschland“ von 1875 an unter Pogge-Lux
(1875—76), Schütt (1877— 79), Buchner
(1878—81), Pogge-Wissmann (1881—82)
nach dem Lundagebiet ausgesandt hatte, in un-
verdächtiger Weise anknüpfend, benutzte der König
die Erfahrungen, die Wissmann auf seinen ersten
Reisen in jenen Gebieten erworben hatte, um ihn
von 1883—85 an der Spitze einer großen Ex-
pedition abermals ins Lundagebiet für anscheinend
rein wissenschaftliche Ziele zu entsenden. Durch
Stationsgründungen hatte indessen dieses Unter-
nehmen den politischen Plänen des Königs vor-
zuarbeiten. Vom Kongo her nach Süden vor-