Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

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Die- bestehenden Eigenschaften des Kulturrindes veran- 
laßten auch die Südafrikaner zur Aufkreuzung mit 
Friesen, Ayrshire, Devonshire, Shorthorn usw. Heut 
ist man davon abgekommen und hat die Reste des 
Afrikanderrindes in einer Herdbuchgesellschaft gesammelt 
ünd züchtet es überall dort, wo man ein genügsames 
Rind unter südafrikanischen Bedingungen nötig hat. 
Das Kulturrind züchtet man nur dort, wo die Nachfrage 
die Anpassung der „Scholle“ durch Anbau von Luzerne, 
Futtergetreide an das Kulturrind bezahlt macht, also 
Nachfrage vorbanden ist 
Auch die Rangofen in Algier haben mit der Zucht 
des Guelma, eines hochgezüchteten Eingeborenenrindes, 
iin extensiven Betrieb die besten Erfolge erzielt. 
Wir haben gesehen, daß das Tier zwar ein „Pro- 
dukt der Scholle ist“, daß diese aber verändert werden 
lann in einigem Maße durch Verbesserung, Futter- 
anban, Zufütterung. durch bessere Haltung des Tieres. 
Frag!k sich nur, ob es möglich ist, derartige Maßnahmen 
über die großen Flächen des Schutzgebietes auszu- 
dehnen. — im Hinblick auf die Kosten — vor allem, 
öb der Neger, für den doch in der Hauptsache das 
Fleisch bestimmt ist, auch nur einen Heller mehr be- 
zahlen wird für das Fleisch des Kulturrindes. Wir 
haben also nur ein In vnteresse daran, in den Schutz- 
gebieten Mittelafrikas in extensiver Wirtschaft möglichst 
viel und preiswertes Fleisch zu erzeugen — dafür ge 
nligt aber das einheimssche Rind. 
Wie wir gesehen haben, mangelt es den Ein- 
geborenen im allgemeinen keineswegs an Verständnis 
für die Erfordernisse der afrikanischen Tierzucht — was 
ihm abgeht, ist das Verständnis für rationelle Be- 
wirtschaftung. Da hat nun als Berater oder auch als 
Lehrer der beamtete Tierarzt als? Zuchtleiter mönlichst 
schonend und in steter Zusammenarbeit mit dem far- 
bigen Züchter einzugreifen. Er hat sich durch ein- 
gehendes Studium über die Scholle, über den Schlag, 
seine Leistungen und die angewandten Zuchtarten zu 
unterrichten und bessernd einzugreifen, falls es not- 
wendig ist,; kann er dort, wo es nicht geübt wird, 
die überflüssigen Bullen, kastrieren und damit eine Er- 
svarnis an Männern, die diese sonst gesondert hüten. 
herbeiführen. Ferner hat er sein besonderes Augen. 
merk auf die Kälberaufzucht zu richten. Ist die Zucht- 
jähigkeit der Besitzer erloschen, so hat er Bullenkälber 
auszuwählen und diese in einer Aufzuchtstation aufzu- 
giehen und später zu verteilen. In derartigen Sta- 
tionen können die Söhne der Häuptlinge unterwiesen 
werden in Viehzuchtfragen. Ist der Schlag entartet, 
so hat er aus einem verwandten Schlag unter Wahrung 
der veterinärpolizeilichen Maßnahmen Zuchtmaterial 
auszuwählen zwecks Einkreuzung. Unter besonders 
günstigen Bedingungen soll sogar die Einkrenzung 
enuropäischer Rinder nicht abgewiesen werden, jedoch soll 
unter keinen Umständen der eigentliche Typ der Land- 
schaft verwischt werden. Bei Überstockung hat der 
Tierurzt auf den Abfluß überflüssigen Viehs zu wirken, 
in wenig mit Vieh besetzten Gegenden für Zuwachs 
Sorge zu tragen. Ebenso müssen ihm die Absatz- 
bedingungen in Zusammenarbeit mit der Verwaltung 
angelegen sein von Vieh und tierischen Rohstoffen, um 
durch klingenden Gewinn das Interesse des Eingeborenen 
an der Aucht zu fördern. Er hat im Einverständnis 
mit der Verwaltung dafür Sorge zu tragen, daß nicht 
zu viele Männer durch andere Arbeiten der Bieh- 
wirtschaft entzogen werden. 
Die Leitung der Tierzucht und die Tierseuchenbekämpfung. 
Ich habe oben ausgeführt, daß die Tierzucht der 
Eingeborenen ausschließlich zu bearbeiten ist von den 
mit der Selichenbekämpfung betranten Tierärzten aus 
  
Gründen der Veterinärpolizei, der größeren Sicherheit 
des Erfolges und der verminderten Kosten er mit 
der Leitung der Tierzucht betraute Tierarzt ist gleich- 
zeitig für alle veterinärpolizeilichen Maßnahmen ver- 
antwortlich. Er hat durch ausgedehnte Bereisung des 
Schutzgebietes sich von der Durchführbarkeit der von 
ihhm getroffenen Anordnungen zu überzeugen und die 
wwerihür der ihm znteusseut gen Bezirkstierärzte an 
Ort und Stelle auf ihre Brauchbarkeit zu prüfen. Er 
hat die Viehzählung und „verteilung über das Schutz- 
gebiet zu bearbeiten, die Frage der Verwertung und 
die der tierischen Rohstoffe und die Beförderungs- 
möglichkeiten. In den Fragen der Seuchenforschung 
und Senchenbekämpfung steht ihm ein Bakteriologe zur 
eite, der den Regierungstierärzten entnommen worden 
ist und eine Sonderausbildung erhalten hat. Dieser 
hat seinen Sitz an irgendeinem Mittelpunkt, am besten 
dem der Hauptverwaltung. Als Regierungstierärzte 
wären Tierärzte nuszuwählen in möglichst jungen 
Jahren, unverheiratet, welche durch eine Doktorarbeir 
ihre Befähigung zu wissenschaftlichen Arbeiten dar- 
getan h haben. ätten einen Kursus für tropische 
biier- und Meuschenkrankheiten durchzumachen und dabei 
gleichzeitig mit den Sprachen des für sie in Frage 
sbemnda Schutzgebietes sich zu befreunden. Im ersten. 
Jahre sind sie draußen mehreren älteren Afrilanern 
nacheinander beizugeben, im zweiten erhalten sie die 
tierärztliche Sorge für einen Bezirk. Im Urlanb soll 
ihnen Gelegenheit gegeben werden, die Prüfung als. 
beamteter Tierarzt abzulegen. Der Regierungstierarzt 
muß auf einer Station ein kleines Laboratorium zur 
Verfügung haben, so daß er kleinere Arbeiten aus- 
führen kann, die dann der Nachprüfung des Bakterio- 
logen unterliegen. Altere Reg'’erungstierärzte sollen 
die tierärztliche Leitung von mehreren Bezirken und 
ihren Tierärzten bekommen. 
1 Gegenden, in denen die Tierzucht die leitende 
Stellung einnimmt, wäre die Berufung eines erfahrenen 
Tierarztes als Bezirksamtmann von großem Wert und 
würde Ersparnis an Kosten erzielt werden. 
Es ist nicht mehr als recht und billig. daß die 
Tierärzte als Vollakademiker von vornherein die be- 
treffende Gehaltsklasse einnehmen. 
Die Hemmnisse der Tierzucht des tropischen Afrika. 
An Tierseuchen findet man in den Tropen einen 
großen Teil der aus Deutschland bekannten bakteriellen 
Infektionskrankheiten, vermehrt durch die typisch afri- 
kanischen, durch blutsangende Insekten übertragenen, 
und durch Protozoen hervorgerufenen Seuchen. 
Fast alle diese Krankheiten sind erforscht worden 
von Tierärzten und Arzten, besonders im Institut von 
Sir Artur Theiler in Pretoria. Es sind für alle Wege 
angegeben, wie ihr Auftreten verhindert, sie bekämpft 
oder eigegrenzt werden können. Ihro Erstickung und 
Vorbeugung ist im wesentlichen eine Frage eines aus- 
reichenden tierärztlichen Personals. (Die einzelnen 
Seuchen und ihre Bekämpfung hier anzuführen, liegt 
nicht im Rahmen der Arbeit, die im wesentlichen eigene 
und nicht veröffentlichte Beobachtungen bringen soll.) 
Eine tropische Seuche, gegen die uns trotz uner- 
mildlicher Arbeit der bedeutendsten Forscher weder ein 
Arzneimittel noch ein Serum oder Vakzin zur Ver- 
fügung steht, das ihrer Verbreitung entsprechend preis- 
wert und einfach anzuwenden ist, wird hervorgerufen 
durch die Trypanosomen und übertragen durch die 
Tsetjefliege. Das Studium dieser Seuche ist um so 
wichtiger, da, wie ich beobachten konnte, sie ständig im 
Vorrücken begriffen ist, und in den letzten Jahren sich 
herausgestellt, hat, daß die menschliche Trypase, die 
Schlafkrankheit, saaich durch den Uberträger der tierischen
	        
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