Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

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schafft und dann nach der Schweiz ausgetauscht. 
Auf der Seereise wurde er in eine Ladeluke ge- 
sperrt; eine Eisenplatte stellte sein Bett dar. An 
Körpergewicht hat er 75 Pfund verloren! 
Der Kriegsfreiwillige Herrmann hat seine 
Erlebnisse ausführlich aufgezeichnet; seine Nieder- 
schrift ist der Schrei eines todwunden Menschen. 
„Für Recht und Menschlichkeit!“ So hallt es 
täglich aus dem Lager der Entente. Wer aber 
die heuchlerische Maske näher besieht, dem grinst 
die Bestie entgegen. 
Deutsch-Ostafrika verloren? 
Von K. Roehl, Pastor und Missionar, 
kürglich aus belg.-franz. Gefangenschaft ausgetauscht. 
In diesen Tagen ging die englische Meldung 
durch die Zeitungen, daß Deutsch-Ostafrika von 
den Deutschen frei sei; Generalmajor v. Lettow- 
Vorbeck sei mit dem Reste seiner Truppe auf 
portugiesisches Gebiet übergetreten. Die Entente 
wird sich das wieder als einen großen Sieg buchen 
und in die neutrale Welt hinausschreien. Aber 
für jeden Deutsch-Ostafrikaner ist jene Nachricht 
ein Stich ins Herz. Da ist also der ganze, mehr 
als dreijährige Heldenkampf mit seinen hier in 
Europa gar nicht vorstellbaren Entbehrungen doch 
vergeblich gewesen! All das edle Blut unserer 
Landsleute ist doch umsonst geflossen! Auch Tau- 
sende von Schwarzen haben ihr Leben für die 
schwarz-weiß -rote Fahne zwecklos hingegeben! 
Da haben also die ewigen Nörgler und Alltags- 
propheten recht, an denen es bei Kriegsbeginn 
auch in Ostafrika nicht gefehlt hat, die das alles 
vorausgesehen und vorausgesagt haben, wie es 
nun tatsächlich gekommen ist: „Deutsch-Ostafrika 
ist verloren! Nein! und abermals nein! 
Wenn man diesen überklugen Alleswissenden nach- 
gegeben und nach ihrem Rate die Kolonie unter 
englischen Schutz gestellt hätte, ja dann wäre 
Ostafrika unwiederbringlich für uns dahin, dann 
würde England mit Recht sagen: „Eure Kolonie 
hat unsern Schutz erbeten, wir haben ihn gewährt 
und wir werden ihn ihr nie wieder entziehen.“ 
Aber Deutschland muß und wird nicht nur eine 
Großmacht, sondern auch eine Kolonialmacht 
bleiben. Wie unserem Volke für Europa ein 
Hindenburg, so ist ihm für Ostafrika ein Lettow 
gegeben. Auch dieser war der rechte Mann zur 
rechten Zeit am rechten Ort, für Deutschland ein 
deutsches Kolonialland zu erkämpfen. 
Aber wie? Der englische Bericht sagt doch, es 
gäbe keinen Deutschen mehr auf ostafrikanischem 
Boden? Zugegeben, daß der englische Patrouillen- 
führer, der diese Tatsache festgestellt haben will, 
  
tanen die Tränen in die Angen, 
  
einmal nicht gelogen hat —, ist uns darum 
Deutsch-Ostafrika verloren? Als vor reichlich 
hundert Jahren der Korse in Tilsit den Frieden 
diktieren konnte und ganz Deutschland beherrschte, 
war Deutschland da verloren? Wir wissens: 
„Das Volk stand auf, der Sturm brach losl!“ 
Die französische Herrschaft wurde weggefegt, 
Deutschland blieb deutsch So wenig das deutsche 
Volk damals französisch geworden war, so wenig 
ist die Bevölkerung von Deutsch-Ostafrika 
jetzt englisch oder gar belgisch geworden. 
Während meiner Gefangenschaft in Frankreich 
habe ich zwar in englischen und französischen 
Blättern immer wieder lesen müssen, wie dankbar 
der Ostafrikaner die Befreiung von deutschem Joch 
begrüße. Aber ich weiß das besser. Ich habe 
jetzt mehr als zwanzig Jahre in Deutsch-Ostafrika 
zugebracht und in dieser Zeit nicht nur als ein 
Fremder unter den Leuten gewohnt, sondern mit 
ihnen gelebt, an ihren Freuden und Leiden teil- 
genommen, habe ihr Fühlen und Denken dadurch 
kennen und verstehen gelernt. Ich habe jetzt im 
Kriege die strahlenden Augen unserer schwarzen 
Verwundeten gesehen, wenn sie z. B. von ihrem 
„bWana Tembahassi!“ (Hauptmann Wintgens) 
sprachen. Wer Negerherzen versteht, dem leuchtete 
aus diesem Glanz der Augen die Freude und der 
Stolz darüber entgegen, daß sie unter solch einem 
Führer in solch einer Truppe kämpfen durften. 
Obgleich ich mit Hunderten von verwundeten 
schwarzen Kriegern zu tun hatte, ist mir keiner 
begegnet, der darüber gemurrt hätte, daß er für 
die deutschen Herren zum Krüppel geworden sei. 
Nicht anders empfand auch die Masse der übrigen 
eingeborenen Bevölkerung. 
Als ich im Mai 1916 im Auftrage des Militär- 
befehlshabers von Ruan da dem Sultan Msinga 
mitteilte, daß Ruanda von den deutschen Truppen 
gegen die belgische Ubermacht nicht länger gehalten 
werden könne, kamen diesem unumschränkten Herrn 
über Leben und Tod seiner drei Millionen Unter- 
und er hielt es 
nicht unter seiner königlichen Würde, ihnen freien 
Lauf zu lassen. Es war sicher das erste Mal, 
daß er weinte, so lange er auf dem Thron von 
Ruanda saß. Als ich selbst aus Ruanda fortging, 
ließ ich den Eingeborenen, die mir Geld zur Auf- 
bewahrung übergeben hatten, sagen, sie möchten 
es sich jetzt holen. Sie kamen auch, ließen sich 
das Geld auszahlen, aber dann gaben sie es mir 
wieder zurück mit dem Bemerken: „Jetzt, bei dem 
bevorstehenden belgischen Einbruch ist das Geld 
bei Dir besser aufgehoben als bei uus. Du wirst 
ja später sicher wiederkommen und dann wollen 
wir uns unser Geld holen.“ Es waren viele 
dabei, die mir ihr ganzes Barvermögen anver- 
traut haben.
	        
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