Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

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Neuverteilung soll aber nicht das einzige sein, 
was diese Staaten in gemeinschaftlicher Arbeit 
leisten. lber die Verteilung hinaus ist für die 
gemeinschaftliche Arbeit nach zweifacher Richtung 
Raum: Einmal ist es möglich, die territoriale 
Abgrenzung der Hoheitsgebiete dadurch in ihrer 
Einseitigkeit zu mildern, daß den Schutzmächten 
Beschränkungen zum Zwecke der gleichmäßigen 
Berücksichtigung der eigenen und der Interessen 
der andern Staaten auferlegt werden, und sodann 
kommt in Betracht, für die Lösung gewisser großer 
Probleme, die das ganze Afrika angehen, die 
Mitarbeit aller Schutzmächte zu sichern und Richt- 
linien aufzustellen, nach denen sich diese Mitarbeit 
vollziehen soll. In beiden Beziehungen gilt es 
nur längst Begonnenes fortzuführen. Im An- 
sang der letzten Aufteilung Afrikas steht die 
Kongoakte, die in Berlin unter den Anspizien 
Bismarcks zustande gekommen ist. Handelsfreiheit 
in Zentralafrika, Schiffahrtsfreiheit auf den Strom- 
systemen des Kongo und des Niger, Bekämpfung 
des Sklavenhandels und Neutralisierung des 
Kongobeckens, das sind die großen Gegenstände, für 
die sie in kühnem Wurfe eine internationale 
Regelung gesucht hat. Andere Verträge, die die 
Mächte zum gemeinsamen Kampfe gegen die 
Sklaverei, gegen die Abgabe von Branwein 
und Feuerwaffen vereinigten, sind der Kongo- 
alte gefolgt. Deutschland hat an diesem groß- 
gügigen System internationaler Verträge auf das 
loyalste mitgearbritet und für die peinliche Durch- 
jührung Sorge getragen. Der Versuch, an der 
Neuntralität des Kongobeckeus auch während des 
Weltkrieges festzuhalten, ist, wie Sie wissen, an 
dem Willen der Gegner gescheitert. dem 
Kriege war die Notwendigkeit immer deutlicher 
hervorgetreten, noch weitere Probleme, wie sie 
sich aus dem Zusammenleben der verschiedenen 
enropäischen Nationen auf dem afrikanischen Kon- 
linent ergeben, einer internationalen Regelung zu 
unterversen. Ich denke da vor allem an die 
Schaffung großer gemeinschaftlicher Verlehrsstraßen 
durch die Besitzungen verschiedener Mächte sowie 
an die Belämpfung gesährlicher Volksseuchen, wie 
z. B. der Schlafkrankheit. WMir wollen auf der 
Bahn der internationalen Verträge in den 
beiden bezeichneten Richtungen sortschreiten und 
darüber hinaus Einrichtungen schaffen helfen, 
Vor 
  
durch die die Beobachtung der Abmachungen 
gewährleistet wird. Wenn das in ein solches 
Vertragssystem einbezogene Gebiet dadurch in 
weiterer Zukunft allmählich den Charakter einer 
gemeinschaftlichen Kolonie der europäischen Staaten 
annehmen müßte, in der die Besitzer der Einzel- 
gebiete zu Treuhändern der Gesamtorganisation 
werden, so kann die Aussicht auf eine derartige 
Entwicklung uns in der gekennzeichneten Haltung 
nicht wankend machen. 
Eine besondere Betrachtung erfordert das 
Problem der Militarisierung der eingeborenen 
Stämme Afrikas, ein Problem, das der Krieg 
erst in seiner ganzen fürchterlichen Tragweite bloß- 
gelegt hat. Frankreich ist es, das die Welt mit 
diesem Geschenk bedacht hat. Nachdem es schon 
seit Jahren den Gedanken der Ergänzung der 
eigenen Streitkräfte durch eine „schwarze Armee“ 
gepflegt, ja in ihm geradezu geschwelgt hatte, ist 
es gleich nach Ausbruch des Krieges zu Aus- 
hebungen großen Stils in seinen afrekanischen 
Kolonien geschritten und hat Tausende von Ein- 
geborenen auf die europäischen Kriegsschauplätze 
geworfen. England, das früher solche Gedanken 
mit Entrüstung von sich gewiesen häite, ist dem 
Verbündeten anfangs elwas schüchtern, später 
aber, wie Sie an den eben zitierten Ausspruch 
Winston Churchills erkannt haben, recht energisch 
gesolgt. Kein Zweifel, daß die Möglichkeil des Zurück- 
greifens auf farbige Massenheere in Zukunft einenene 
drohende Gefahr für den europäischen Frieden bilden 
wird. Kein zweifel auch, daß die Militarisierung 
der Eingeborenen die Entwicklung der afrikanischen 
Kolonien schwer beeimrächtigen würde. Es lieg! 
deshalb im gemeinschaftlichen Interesse der euro- 
päischen Mächte, die plötzlich hervorgetretene neue 
Gefahr zu beseitigen. Die Gefahr wird auch von 
unseren Feinden anerkannt. Aber mit der ihnen 
eigentümlichen Behendigkeit verdrehen sic den 
Tatbestand, beschuldigen uns der Vorbereitung 
des Kolonialkriegs von langer Hand und malen 
zum Zwecke der Abschreckung fürchterliche Ver- 
gewaltigungen und Angriffe an die Wand, deren 
sich die Welt künftig von uns zu versehen hätte, 
wenn wir afrikanische Kolonialmacht bleiben 
würden und der preußische Militarismus sich in 
Afrika austoben dürfte. Das erste Instrumem 
in diesem mißtönenden Konzerte spielt Sir Harry
	        
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