Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

Von Garua wurden die Kriegsgefangenen auf 
dem englischen Dampfer unter zuvorkommender 
Behandlung den Benue abwärts nach Lokodja und 
von hier aufwärts den Niger nach Baro gebracht. 
Der weitere Transport nach Lagos erfolgte auf 
der Bahn. 
Von Lagos erfolgte die Überführung auf einem 
französischem Dampfer nach Kotonn. Über diesen 
Teil der Reise berichtet Stabsarzt Dr. Bergéat: 
31. Juli mittags um 12 Uhr Abfahrt nach Ko- 
tonu auf einem kleinen, offenen, schmierigen Lagune- 
schlepper nach Kotonn (Dahomey# Dem Umstande, 
daß der uns begleitende englische Offizier unsere 
Überweisungspapiere erst abgab, nachdem unser 
ganzes Gepäck an Bord war, verdanken wir die 
Rettung unseres Gepäckes, da die beiden Frangosen 
sich weigerten, auf dasselbe zu warten. 
Für die Frangosen übernahm uns der französische 
Serg. Castelli, ein überaus falscher Bursche, der sich 
sofort nach seinen Verwandten in Mülhaufen er- 
kundigte. Ferner sagte er uns, daß uns sicher ein 
französischer Offizier übernommen hätte, daß man 
uns einen anderen besseren Dampfer geschickt hätte, 
wenn man gewußt hätte, daß gefangene Offiziere 
bei diesem Transporte wären. Nach den späteren 
Ereignissen stellten sich alle diese Sprüche als reinste 
Lügen heraus. Um 2½ Uhr nachts kamen wir in 
Kotonn an. Das erste war, daß man uns unsere 
Negerjungen nahm, uns sagte, wir sollen unsere Ge- 
päckstücke selber tragen, wenn wir sie nicht verlieren 
wollten. Die Unteroffiziere wurden sofort von uns 
getrennt und wir in das ehemalige Gefängnis, jetzt 
Camp des isolés genannt, geführt. Ein änßerst un--ü 
verschämter Adjutant empfing uns dort, in unver- 
schämtesten Ausdrücken gab er seinem Arger, daß er 
der Boches halber noch so spät heraus müßte, Aus- 
druck. Er führte uns in ein Zimmer, auf dessen 
Boden für uns genanu sieben stinkende, nasse Stroh= 
säcke lagen, in der Mitte des Raumes waren zwei 
Blechtins, einer mit Wasser, der andere für unsere 
Bedürfnisse,. wie er uns entgegenschrie. Dann verbot 
er uns zu sprechen unter Androhung schießen zu 
lassen, versperrte die Türe und verschwand laut 
schimpfend. Erst auf eine Beschwerde am nächsten 
Morgen wurde die Türe geöffnet und uns gesagt. 
daß wir erst dann in den 15 mal 15 m großen Hof 
hinabdürften. wenn wir hier oben 30 Tage lang 
eingesperrt gewesen wären. Auf alle Forderungen, 
mit einem Offizier des Platzes sprechen zu dürfen. 
wurde uns gesagt, daß für uus kein solcher da sei. 
obwohl wir sie in der Kaserne nebenan stets sahen. 
Auf unsere Bitten, unsere Bedürfnisse außerhalb 
unserer Raumes verrichten zu dürfen, wurde uns 
die im Hofe öffentlich an der Straße aufgestellte 
Tonne der Eingeborenen und der uns bewachenden 
Soldaten angewiesen, mit der Bemerkung, daß der 
Europäerabtritt für die Boches nicht da sei. Es 
blieb einem dabet nichts anderes übrig, als jedesmal 
bei Bedarf die Eingeborenentonne zu benutzen, zu 
der man von zwei schwarzen Soldaten mit aufsge- 
pflanztem und geladenem Gewehr geführt wurde. 
Die Tonne stand unmittelbar an einer der Haupt- 
verkehrsstraßen, so daß sich jedesmal eine Menge 
Zuschauer einfanden. Am B3. August morgens kam 
der Kapitän Ponçot zu uns, dem wir unsere Be- 
schwerden vorbrachten, der aber für unseren Sprecher 
nur ein unverschämtes Grinsen hatte, uns ferner 
Tages. 
  
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mitteilte, daß der Kommandant des Platzes nicht 
hier wäre, obwohl wir ihn bereits auf der Straße 
gesehen hatten: Nach langem Hin und Her erreichten 
wir, daß wir den Europäerabort benutzen durften 
und die Erlaubnis, uns unsere Cxpeditionsbetten 
aufzuschlagen. Von unserem Gepäck durften wir nur 
zu einem Koffer, auch dann erst, nachdem alles her- 
ausgerissen war, was er enthielt; die denkbar harm- 
losesten Dinge wurden uns dabei von dem Sergeanten 
Vergnauld abgenommen: sie blieben auch bei unserer 
Abreise verschwunden! Neben dem Adjutanten tat 
sich noch ein in dem Gebände scheinbar strajweise 
internierter weißer französischer Soldat 2. Klasse 
hervor, der mit dem Hausherru in Beschimpfungen 
gegen uns wetteiferte. Am 4. August morgens erschien 
ein französischer Major, dem erneut unsere Klagen 
und Beschwerden über diese „ehrenvolle Behandlung, 
die durch keine reziproken Maßnahmen geändert 
werden soll“, vorgetragen wurden. Er behauptete, 
von unseren Bedingungen nichts zu wissen, auch 
nicht, woher wir gekommen wären! Auf unsere 
Forderung, in den Hof gehen zu dürfen, erhielten 
wir die Erlaubnis dagun während zwei Stunden des 
Außerdem durften wir unter Begleitung 
von da ab auf eine Stunde einen vorgeschriebenen 
Weg an den Meeresstrand machen. Damit waren 
die Höchstvergünstigungen für den Aufenthalt in 
Kotonn, von dem kein Mensch wußte, wielange er 
dauern sollte, erreicht. 
Am Morgen des 1. August sah ich zum erstenmal 
hier unsere kriegsgefangenen Landsleute aus Kamerun 
und Togo. In meinem Leben werde ich diesen An- 
blick nicht mehr vergessen. Fast ohne Ausnahme 
sahen sie aus wie eine Herde verprügelter Hunde. 
dazu waren fast alle schwer blutarm, steckten zum 
Teil in Lumpen statt Kleidern, klagten über schlechte 
Verpflegung, mangelhafteste ärttliche Behandlung, 
vor allem darüber, daß sie nur ganz wenig oder gar 
kein Chinin belämen, wenn sie an Malaria litten. 
Jeden Morgen sah ich von unserem Hause aus einen 
Trupp kranker Kriegsgefangener auf dem Wege ins 
hiesine Spital vorbeigiehen, es war ergreifend zu 
sehen, wie diese armen Leute litten, ganz abgesehen 
von der persönlich schlechten Behandlung. die ihnen 
von den weißen Bestien zuteil wurde. Nachdem uns 
die vier zu unserer Bedienung kommandierten Lands- 
leute über die Greuel im Innern Dahomens erzählt 
hatten, wunderten wir uns über die Behandlung, 
die uns zuteil geworden war, nicht mehr im ge- 
ringsten. 
Unsere Verpflegung in Kotonn bestand Tag um 
Tag in einem kleinen Stück Schweinefleisch, mittage 
sowohl wie abends, dazu gab es Reis und dicke 
Bohnen oder Linsen. Das Essen war äußerst ge- 
schmacklos gekocht, das Gemüse oft überhaupt unge- 
nießbar. Bitten um anderes blieben erfolglos, nach 
einigen Tagen gelang es uns, durch das schwarze 
Weib des Adjutanten, das eingige durch Geld fühlend 
gemachte Herz hier, Früchte beschaffen zu lassen. 
Bei gelegentlicher Durchfahrt von französischen 
Truppentransportdampfern nach Kamerun wurden 
wir natürlich von dem Adjutanten und dem Soldaten 
2. Klasse den teilweise sinnlos betrunkenen Kameraden 
als Schaustücke vorgeführt. Daß wir bei derartigen 
Besuchen die unglaublichsten Dinge über uns ergehen 
lassen mugten braucht nicht näher ausgeführt zu 
werden. Es war nur ein riesenhafter Aufwand von 
Slducht und Resignation erforderlich, um diesen 
unberechenbaren Leuten gegenüber Herr seiner Sinne 
geblieben zu sein.
	        
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