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einen Häuptling entsteht eine Prügelei, weil unter
den Körben mit Essen einer mit Steinen angefüllt
ist. — Zwei Familien in einer Ortschaft haben
jahrelang Streit darüber, welche von ihnen das
Recht hat, ihre Ehrenjungfrau beim Tanz den
Kopfschmuck tragen zu lassen.
Wer solche Sachen für Albernheiten hält und
darüber zur Tagesordnung übergeht, der bleibe
daheim. Er wird nie mit den Eingeborenen
fertig werden. «
Noch wunderlicher als manche ihrer Sitten
mutet uns der Charalter der Samoaner an. Mit
unserem Maßstab gemessen, käme das intelligente,
freundliche, gastfreie und manierliche Volk herzlich
schlecht weg. Einer der angesehensten Häuptlinge,
ein ehrwürdiger Greis mit vornehmen und ge-
winnenden Umgangsformen, mit dem ich gern
und viel verkehrte, machte sich kein Gewissen
daraus, wenn es ihm paßte, die Unwahrheit zu
sagen. Als er einmal in Geldverlegenheit war,
versuchte er, von meinem Kassenvorsteher Geld zu
erhalten, indem er ihm vorredete, ich hätte ihm
ein monatliches Gehalt von 200 Mark versprochen!
Es kam dem alten Herrn auch nicht darauf an,
heute das Wort zu brechen, das er gestern unter
den feierlichsten Beteuerungen gegeben.
Eine weitverbreitete Unsitte unter den Samoa-
nern war die Benutzung gefälschter Briefe zum
Schaden ihrer Gegner.
Zum Eide habe ich die Samoaner nicht zu-
gelassen, weil sie gar kein Verständnis dafür an
den Tag legten. In den Angelegenheiten ihrer
eigenen Familie ist nach ihrer Moral die Lüge
nicht nur gestattet, sondern unter Umständen Pflicht.
Daß der weiße Richter sich für befangen hält,
wenn er über Angehörige seiner eigenen Familie
zu richten hat und von dem lrrteil zurücktritt, ist
dem Samoaner unverständlich und erscheint ihm
unmoralisch! Der samoanische Richter muß seiner
Familie auf alle Fälle zum Siege verhelfen, auch
wenn er gegen seine richterliche lberzeugung
handelt.
Ein alter Samoaner, der schon vor der Flaggen-
hissung viele Jahre als Amtsdiener beim deutschen
Konsulat gewesen und als biederes Faktotum von
Konsul zu Konsul vererbt und schließlich als
selbstverständliches Inventarstück auf das Gouver-
wirtschaftlicher Beziehung zu treffen hat.
nement übernommen worden war, eröffnete mir
einmal, als ihm ein Gehaltsvorschuß verweigert
werden mußte, daß er nunmehr auf dem be-
nachbarten Tutuila in amerikanische Dienste treten
würde, er hätte die deutsche Knauserei satt!
Ich habe diese wenigen Beispiele aufsgeführt,
um zu illustrieren, daß die Samoaner anders
denken und fühlen als wir, daß sie deswegen
anders behandelt werden müssen. Und was von
den Samoanern gilt, gilt in höherem Maße von
den erheblich tieferstehenden Eingeborenen in
Deutsch-Neuguinea und von zahlreichen Neger-
stämmen im Innern Afrikas. Weiter darf nie
verkannt werden, daß die Eingeborenen, so wie
sie von den Weißen verschieden sind, auch unter-
einander grundverschieden sind. Den Maßstab
für die Beurteilung der Eingeborenen darf man
nicht aus dem heimischen Eichamt mit heraus-
nehmen, den muß man sich draußen selbst zurecht
schneiden!
Auf diesem schwierigen Gebiete der Einge-
borenenbehandlung ist der Missionar der treueste
Mitarbeiter und Bundesgenosse der Kolonial-=
regierung. Er liefert der Regierung unermüdlich
wertvolles Material für die psychologische Er-
forschung der Eingeborenen und bereitet bei ihnen
durch Lehre und Unterweisung das Verständnis
für die Maßnahmen vor, die die Regierung im
Interesse der Eingeborenen und zur Aufrecht-
erhaltung von Ruhe und Ordnung und für die
Entwicklung des Landes in gesundheitlicher und
Den
Eingeborenen gegenüber wirkt der Misstonar
neben der Lehre vor allem durch das eigene
Beispiel. Hat er sich einmal unter den Ein-
geborenen eingerichtet und ihr Vertrauen ge-
wonnen, so beginnt die neben der Lehre nie
außer acht zu lassende Unterweisung in der
praktischen Arbeit. Der Betrieb von Ackerbau,
Viehzucht und Handwerk seitens der Eingeborenen
wird planvoll gehoben. Dies geschieht in erster
Linie durch die wirtschaftlichen Anlagen, die fast
bei jeder Missionsstation errichtet werden. Hier
wird den Eingeborenen gezeigt, wie der Boden
mit zweckmäßigeren Werkzeugen urbar gemacht,
wie er verbessert und sachgemäß ausgenutzt wird.
Der nächste Schritt ist die Gründung besonderer