Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIX. Jahrgang, 1918. (29)

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einen Häuptling entsteht eine Prügelei, weil unter 
den Körben mit Essen einer mit Steinen angefüllt 
ist. — Zwei Familien in einer Ortschaft haben 
jahrelang Streit darüber, welche von ihnen das 
Recht hat, ihre Ehrenjungfrau beim Tanz den 
Kopfschmuck tragen zu lassen. 
Wer solche Sachen für Albernheiten hält und 
darüber zur Tagesordnung übergeht, der bleibe 
daheim. Er wird nie mit den Eingeborenen 
fertig werden. « 
Noch wunderlicher als manche ihrer Sitten 
mutet uns der Charalter der Samoaner an. Mit 
unserem Maßstab gemessen, käme das intelligente, 
freundliche, gastfreie und manierliche Volk herzlich 
schlecht weg. Einer der angesehensten Häuptlinge, 
ein ehrwürdiger Greis mit vornehmen und ge- 
winnenden Umgangsformen, mit dem ich gern 
und viel verkehrte, machte sich kein Gewissen 
daraus, wenn es ihm paßte, die Unwahrheit zu 
sagen. Als er einmal in Geldverlegenheit war, 
versuchte er, von meinem Kassenvorsteher Geld zu 
erhalten, indem er ihm vorredete, ich hätte ihm 
ein monatliches Gehalt von 200 Mark versprochen! 
Es kam dem alten Herrn auch nicht darauf an, 
heute das Wort zu brechen, das er gestern unter 
den feierlichsten Beteuerungen gegeben. 
Eine weitverbreitete Unsitte unter den Samoa- 
nern war die Benutzung gefälschter Briefe zum 
Schaden ihrer Gegner. 
Zum Eide habe ich die Samoaner nicht zu- 
gelassen, weil sie gar kein Verständnis dafür an 
den Tag legten. In den Angelegenheiten ihrer 
eigenen Familie ist nach ihrer Moral die Lüge 
nicht nur gestattet, sondern unter Umständen Pflicht. 
Daß der weiße Richter sich für befangen hält, 
wenn er über Angehörige seiner eigenen Familie 
zu richten hat und von dem lrrteil zurücktritt, ist 
dem Samoaner unverständlich und erscheint ihm 
unmoralisch! Der samoanische Richter muß seiner 
Familie auf alle Fälle zum Siege verhelfen, auch 
wenn er gegen seine richterliche lberzeugung 
handelt. 
Ein alter Samoaner, der schon vor der Flaggen- 
hissung viele Jahre als Amtsdiener beim deutschen 
Konsulat gewesen und als biederes Faktotum von 
Konsul zu Konsul vererbt und schließlich als 
selbstverständliches Inventarstück auf das Gouver- 
wirtschaftlicher Beziehung zu treffen hat. 
  
nement übernommen worden war, eröffnete mir 
einmal, als ihm ein Gehaltsvorschuß verweigert 
werden mußte, daß er nunmehr auf dem be- 
nachbarten Tutuila in amerikanische Dienste treten 
würde, er hätte die deutsche Knauserei satt! 
Ich habe diese wenigen Beispiele aufsgeführt, 
um zu illustrieren, daß die Samoaner anders 
denken und fühlen als wir, daß sie deswegen 
anders behandelt werden müssen. Und was von 
den Samoanern gilt, gilt in höherem Maße von 
den erheblich tieferstehenden Eingeborenen in 
Deutsch-Neuguinea und von zahlreichen Neger- 
stämmen im Innern Afrikas. Weiter darf nie 
verkannt werden, daß die Eingeborenen, so wie 
sie von den Weißen verschieden sind, auch unter- 
einander grundverschieden sind. Den Maßstab 
für die Beurteilung der Eingeborenen darf man 
nicht aus dem heimischen Eichamt mit heraus- 
nehmen, den muß man sich draußen selbst zurecht 
schneiden! 
Auf diesem schwierigen Gebiete der Einge- 
borenenbehandlung ist der Missionar der treueste 
Mitarbeiter und Bundesgenosse der Kolonial-= 
regierung. Er liefert der Regierung unermüdlich 
wertvolles Material für die psychologische Er- 
forschung der Eingeborenen und bereitet bei ihnen 
durch Lehre und Unterweisung das Verständnis 
für die Maßnahmen vor, die die Regierung im 
Interesse der Eingeborenen und zur Aufrecht- 
erhaltung von Ruhe und Ordnung und für die 
Entwicklung des Landes in gesundheitlicher und 
Den 
Eingeborenen gegenüber wirkt der Misstonar 
neben der Lehre vor allem durch das eigene 
Beispiel. Hat er sich einmal unter den Ein- 
geborenen eingerichtet und ihr Vertrauen ge- 
wonnen, so beginnt die neben der Lehre nie 
außer acht zu lassende Unterweisung in der 
praktischen Arbeit. Der Betrieb von Ackerbau, 
Viehzucht und Handwerk seitens der Eingeborenen 
wird planvoll gehoben. Dies geschieht in erster 
Linie durch die wirtschaftlichen Anlagen, die fast 
bei jeder Missionsstation errichtet werden. Hier 
wird den Eingeborenen gezeigt, wie der Boden 
mit zweckmäßigeren Werkzeugen urbar gemacht, 
wie er verbessert und sachgemäß ausgenutzt wird. 
Der nächste Schritt ist die Gründung besonderer
	        
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