Tit. V.
Armen-Wesen.
Jiffer 1. Wirkungskreis der Lokalarmenpflege.
Früher galt für das Armenwesen die Allerhöchste Verordnung vom
47. November 1816 und das Gesetz vom 25. Juli 1850, die Unterstütz-
ung hülfsbedürftiger und erkrankter Personen betreffend.
An deren Stelle ist nun seit dem 1. Juli 1869 das neue Armen-
gesetz vom 29. April 1869 getreten.
Art. 1 dieses Gesetzes stellt als Aufgabe der öffentlichen Armen-
pflege auf:
4) hülfsbedürftige Personen zu unterstützen, und
2) der zunehmenden Verarmung entgegenzuwirken.
Die Verarmung, beziehungsweise der materielle Wohlstand einer
Gemeinde steht nicht selten mit dem sittlichen Zustand einer Gemeinde
in der engsten Verbindung; der Wirkungskreis der Gemeindebehörden
ist daher, insbesondere was Ziffer 2 betrifft, sehr wichtig und um-
fangreich.
Um der Verarmung entgegenwirken zu können, ist es nothwendig,
daß man die Quellen derselben kennt.
Sie sind:
4) übertriebener Luxus und Kleiderpracht,
2). unersättliche Genußsucht und Wohlleben,
3) Müssiggang, Arbeitsschen und Abneigung gegen eine. geordnete
Lebensweise,
4) der frühzeitige Besuch der Wirthshäuser durch die maännliche
Jugen
5) die vielen Tanzmusiken und die Feier der sogenannten Blaumon=
tage, und endlich
0) die schlechte Handhabung der Polizeistunde.
Nicht allen diesen Uebelständen können die Gemeindebehörden mit!
Energie entgegenarbeiten. aber doch vielen, und sollten sie doch wenig-
stens so viel thun, als in ihren Kräften steht.
Art. 2 bestimmt: Die öffentliche Armenpflege liegt den politischen
Distrikts= und Kreisgemeinden ob.
Art. 4. Die öffentliche Armenpflege gewährt nur dann Unterstütz-
ung, wenn der Hülfsbedürftige weder von den zu seiner Alimentatiomn
oder Unterstützung rechtlich Verpflichteten, noch durch die freiwillige
Armenpflege die nöthige Hülfe eplangen kann.,
Art. 5. Personen, welche binnen 5 Jahren nach Enfang. solcher
Unterstützungen ein Vermögen erworben haben, sind zum Nückersatz des
Empfangenen verpflichtet.