Full text: Handbuch für Gemeindeschreiber, Bürgermeister, Gemeinde- und Stiftungsverwaltungen nach Maßgabe der neuen Sozial-Gesetze und Vollzugs-Vorschriften.

62 Tit. V. Armenwesen. 
Dieselbe Verpflichtung tritt auch ein für jene Personen, welche zwar 
die Unterstützung nicht empfangen haben, aber zur Alimentation ver— 
pflichtet gewesen sind. 
Art. 6. Der Anspruch auf öffentliche Unterstützung beschränkt sich 
auf Gewährung des Unentbehrlichsten zur Erhaltung des Lebens. 
Wer eine öffentliche Unterstützung genießt, ist auch verpflichtet, sich 
zu einer, seinen Kräften angemessenen Arbeit innerhalb oder außerhalb 
einer Beschäftigungsanstalt verwenden zu lassen. 
Art. 9. Für den Bezirk jeder politischen Gemeinde besteht eine 
örtliche Armenpflege, deren Geschäfte durch den Armenpflegschaftsrath 
besorgt werden. 
Art. 10. Die Unterstützungspflicht der Gemeinde erstreckt sich zu- 
nächst auf die in ihr heimathsberechtigten, hülfsbedürftigen Personen, 
soweit nicht diese Pflicht gesetzlich der Staats= oder einer anderen Kasse 
auferlegt ist. 
Die Aufgabe der Armenpflege ist also: 
4) den ganz oder theilweise arbeitsunfähigen Personen die zur Er- 
haltung ihres Lebens unentbehrliche Nahrung, Kleidung und Heiz- 
ung zu geben; 
2) Kranken ie erforderliche ärztliche Hülfe nebst Pflege und Heilmit- 
teln zu verschaffen und insbesondere Geisteskranke, welche der nö- 
thigen Aufsicht und Pflege entbehren, in eine Irrenanstalt zu ver- 
bringen; 
3) für die einfache Beerdigung verstorbener mittelloser Personen zu 
sorgen, wobei jedoch eine Verpflichtung zur Bezahlung von Stol- 
gebühren nicht besteht; 
4) aüre Kindern die nöthige Erziehung und Ausbildung zu ver- 
schaffen. 
Arbeitsfähige Personen haben gar keinen Anspruch auf öffent- 
liche, Unterstützung; die Armenpflege hat jedoch auch solchen Personen in 
Fällen dringender Noth die im Interesse der öffentlichen Sicherheit oder 
Sittlichkeit augenblicklich unentbehrliche Hülfe zu gewähren. 
Art. 11. Wenn Dienstboten, Gesellen, Lehrlinge, Fabrikarbeiter 
u. sw., welche außerhalb ihrer Heimathsgemeinde im Dienste oder in stän- 
diger. Arbeit stehen, wegen Erkrankung der Hülfe bedürfen, so ist letztere 
von jener Gemeinde, in welcher sie zur Zeit der Erkrankung in Dienst 
oder Arbeit stehen, zu gewähren, und zwar auch dann, wenn sie in einer 
andern Gemeinde wohnen. Wurde diese Hülfe während woller 90 Tage 
gewährt und dauert die Nothwendigkeit der Hülfeleistung fort, so ist die 
Heimgthsgemeinde der erkrankten Person verpflichtet, letztere zu überneh- 
men und die weiter entstehenden Kosten zu ersetzen. Die auf Verpfleg- 
ung hülfsbedürftiger Geisteskranker oder Gebärender erwachsenden Kosten 
hat die Heimathsgemeinde vom Beginn der geleisteten Hülfe an zu 
tragen. 
Art. 12. Außerdem ist jede Gemeinde verbunden. 
1) den im Gemeindebezirk befindlichen Hülfsbedürftigen, deren Hei- 
math unbekannt oder bestritten ist, oder deren Unterstützung von 
der verpflichteten Gemeinde oder öffentlichen Cassen verweigert.
	        
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