Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 14. Begriff und staatsrechtliche Natur der Reichsangehörigkeit. 135 
Bürgerrechts. Da der Gesamtstaat und der Gliedstaat zwei einander 
nebengeordnete Staaten sein sollen, unter denen die Souveränität ge- 
teilt sei, so ergibt sich, daß der einzelne in gewissen Beziehungen dem 
einen, in anderen Beziehungen dem anderen Staate angehört, daß er 
Bürger zweier koordinierter Staaten ist, daß aber sein Bürgerrecht, da 
keiner dieser beiden Staaten ein vollständiger Staat ist, in keinem der- 
selben ein volles Staatsbürgerrecht ist. Am bestimmtesten spricht schon 
v. Mohl, Bundesstaatsrecht der Vereinigten Staaten, S. 380, dies aus: 
»Da der Bund aus zweierlei Staaten besteht, dem Bundesstaate und 
den einzelnen Bundesgliedern, so steht auch den Bewohnern ein zwei- 
faches Bürgerrecht zu, das des speziellen Staates, welchen sie bewoh- 
nen, und dann das allgemeine Bürgerrecht des Bundes.« Waitz, 
Politik 171 zitiert mit voller Zustimmung eine Aeußerung des Herrn 
v. Radowitz, welcher mit Beziehung auf die 1849 in Aussicht ge- 
nommene Verfassung sagt: »Daher steht in gewissen Beziehungen jeder 
Deutsche unter der Zentralgewalt, in anderen Beziehungen unter der 
einzelnen Staatsgewalt, in keiner Beziehung aber unter beiden zugleich«'), 
und Waitz selbst erklärt S. 200: »Die Angehörigen eines Bundes- 
staates bilden Ein Volk, das eine doppelte staatliche Organisation em- 
pfangen hat; an der einen nehmen sie teil, in welchem Einzelstaat sie 
auch wohnen; denn nicht durch diesen, sondern unab- 
nationales Privatrecht (1889) I, S. 164 ff.; Zorn in v. Stengels Wörterbuch des deut- 
schen Verwaltungsrechts Bd. 2, S.340 ff.; Bodo Lehmann in Hirths Annalen 1899, 
S. 776ff. Ferner die Lehrbücher von G. Meyer 8 75ff., 213ff. und dessen Verwal- 
tungsrecht I, $ 42; Zorn ], S. 342ff.; Schulze, Deutsches Staatsrecht I, S. 344 ff.; 
Gareis, Allgem. Staatsrecht S. 140 ff.; Gaupp-Göz, Württemb. Staatsr. S. 19 ff.; 
v.Sarweyl], S. 14lfl.; Hänell, S.353ff.; Anschütz, Enzykl. I, S. 527 ff.; 
Jellinek, System der subj. Rechte, S. 114 ff.; Leoni, Das öffentl. Recht von 
Elsaß-Lothringen I, S.15ff.; Bornhak, Preuß. Staatsr. I, S.238ff.; Gierke, Deut- 
sches Privatr. I, 8 56. — Reichhaltige Kommentare zum Reichsgesetz vom 1. Juni 
1870 über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit sind 
von A. Reger, Kleinere Reichsverwaltungsgesetze S. 16ff. (Ansbach 1885); Cahn, 
Das Reichsgesetz vom 1. Juni 1870 (Berlin u. Leipzig 1889), 3. Aufl. 1908; Bazille 
und Köstlin, Das Recht der Staatsangeh. mit bes. Berücksichtigung Württembergs, 
Stuttgart 1902. Daselbst eine Zusammenstellung der sehr reichhaltigen Literatur. 
Sieber, Das Staatsbürgerrecht im internationalen Verkehr, 2 Bde., Berl. 1907 (ent- 
hält eine Zusammenstellung der in den wichtigsten Staaten bestehenden Vorschriften 
über Erwerb und Verlust des Staatsbürgerrechts). Außerdem gibt es zahlreiche Er- 
örterungen de lege ferenda von zum großen Teil sehr zweifelhaftem Wert. 
1) Vgl. auch die bei Waitz S. 172 angeführte Aeußerung Tocquevilles. 
In ähnlicher Art sagt Schulze, Preußisches Staatsrecht II, S. 358: Während in 
einem Einheitsstaate ein doppeltes Indigenat in diesem und zugleich in einem frem- 
den Staate sich als Irregularität darstellt, hat in einem Bundesstaate jeder Bürger 
mit Notwendigkeit ein doppeltes Indigenat, wie sich sein ganzes politisches Leben 
ineinerzweifachen Sphäre, der des Zentralstaates und der des Einzelstaa- 
tes, bewegt“. In seinem Deutschen Staatsrecht I, $ 138 aber hat er anerkannt, daß 
Reichsbürgerrecht und Landesangehörigkeit unzertrennlich mit einander verbunden 
sind und sich nicht gesondert denken lassen.
	        
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