176 & 19. Der Verlust der Staatsangehörigkeit.
seinen Antrag!) die Entlassungsurkunde seines bisherigen Heimats-
staates erhalten und zwar kostenfrei ($ 24, Abs. 1).
2. Die Entlassung behufs Auswanderung, d.h. die
Entlassung, welche das Aufhören der Reichsangehörigkeit zur Folge
hat, darf von den Einzelstaaten nicht erteilt werden solchen Per-
sonen, welche sich durch die Entlassung ihrer Militärpflicht entziehen
wollen2).. Es darf daher an solche Personen die Entlassung nur dann
erteilt werden, wenn sie nachweisen, daß sie in einem anderen Bundes-
staate die Staatsangehörigkeit erworben haben. Von dieser Vorschrift
darf kein Staat dispensieren, andererseits darf er die Entlassung nicht
1) Wenn er diesen Antrag nicht stellt, verbleibt ihm die Staatsangehörigkeit
seines bisherigen Heimatsstaates; es kann daher ein Deutscher gleichzeitig mehreren,
ja sogar allen Bundesstaaten angehören. Wenn z. B. jemand nacheinander in meh-
reren Bundesstaaten im Staatsdienst oder im Kirchen-, Schul- oder Kommunaldienst
angestellt ist, so kumuliert er die Angehörigkeit zu allen diesen Staaten nebst der
ihm angeborenen Staatsangehörigkeit, und er vererbt alle diese Staatsangehörig-
keiten auf seine Deszendenten in infinitum. Derselbe Vorgang kann sich unter sei-
nen Söhnen, Enkeln wiederholen, und es können auf diese Art Staatsangehörigkeiten
in großer Zahl für eine Person erwachsen, die davon gar keine Ahnung hat. Diese
ruhenden Staatsangehörigkeiten sind in der Regel ohne alle sichtbaren Wirkungen,
dauern aber fort, und wenn jemand, der mehrere von ihnen, ohne es zu wis-
sen, in sich vereinigt, zum Zweck der Auswanderung sich die Entlassung von dem-
jenigen Staate erteilen läßt, in dessen Gebiet er wohnt und zu dem allein die An-
gehörigkeit ihm bewußt ist, so hebt dies seine Reichsangehörigkeit nicht auf. Dies
kann zu den sonderbarsten Folgen, namentlich in strafrechtlicher Hinsicht, führen.
Auch wird die Behörde des ausländischen Staats, die ihn auf Grund der Entlassungs-
urkunde naturalisiert, zu dem Irrtum verleitet, daß er die deutsche Reichsangehörig-
keit aufgegeben habe, während sie ohne das Wissen und gegen den Willen aller Be-
teiligten fortbesteht. — Die Behauptung von G. Meyer, Staatsrecht 8 78, daß die
von einem Staate zum Zweck der Auswanderung erteilte Entlassung den Verlust
aller deutschen Staatsangehörigkeiten nach sich ziehe, hat im Gesetz keine Stütze;
vgl. Seydel, Bayer. Staatsrecht I, S. 284, Note 10, wäre aber de lege ferenda zu
empfehlen.
2) Das Gesetz $ 15, Abs. 2 führt drei Kategorien solcher Personen auf, näm-
lich: 1. Wehrpflichtige, im Alter vom vollendeten 17. bis zum vollendeten
20. Lebensjahre, wenn sie nicht ein Zeugnis der Kreisersatzkommission beibringen,
daß sie die Entlassung nicht bloß in der Absicht nachsuchen, um sich der Dienst-
pflicht zu entziehen. 2. Militärpersonen, welche zum stehenden Heere oder
zur Flotte gehören, Offiziere des Beurlaubtenstandes und Beamte, bevor sie aus dem
Dienst entlassen sind. 3. Die zur Reserve des stehenden Heeres oder zur Flotte
und die zur Landwehr und Seewehr gehörigen und nicht als Offiziere angestellten
Personen, nachdem sie zum aktiven Dienst einberufen worden sind. Vgl. ferner
Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 1874, 860 (Reichsgesetzbl. S. 61) und Reichs-
gesetz vom 6. Mai 1880, Art. 1, 8 3, Ziff. 8 (Reichsgesetzbl. S. 104). Die an diese
Bestimmungen sich knüpfenden Rechtsfragen sind unten bei der Lehre von der Wehr-
pflicht zu erörtern. Siehe Cahn S. 119 ff. Die Beförderung über See von wehr-
pflichtigen Auswanderern im Alter vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 25. Le-
bensjahre, bevor sie eine Entlassungsurkunde oder ein Zeugnis der Ersatzkommission
darüber beigebracht haben, daß ihrer Auswanderung aus dem Grunde der Wehrpflicht
kein Hindernis entgegensteht, ist verboten. Auswanderungsges. vom 9. Juni 1897,
& 23, lit. a und 8 43.