Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

$ 19. Der Verlust der Staatsangehörigkeit. 179 
sondern es genügt, daß dies in dem Zeitpunkt der Fall ist, in welchem 
der Verlust der Staatsangehörigkeit für den Ausgetretenen erfolgt; denn 
der Verlust der Staatsangehörigkeit für diese Personen ist eine auf der 
Familienzugehörigkeit beruhende Folge, welche der Verlust der Staats- 
angehörigkeit des Ausgetretenen für sie von Rechts wegen nach sich 
zieht!,. Die positive Formulierung des Gesetzes läßt den Fall unent- 
schieden, wenn auch die Kinder zwar zehn Jahre lang von Deutsch- 
land abwesend sind, aber sich nicht bei dem Vater befinden. Auf 
Grund des Abs. 1 des $ 21 ist auch bei ihnen der Verlust als einge- 
treten anzusehen ?). 
Wesentlich erleichtert ist der Wiedererwerb der Staats- (resp. 
Reichs-)JAngehörigkeit, welche durch bloßen Nichtgebrauch erloschen 
ist. Es ist nämlich jeder deutsche Staat, in dessen Gebiet ein Deut- 
scher sich niederläßt, der seine Staatsangehörigkeit durch zehnjährige 
Abwesenheit im Auslande, also ohne Entlassungsvertrag, verloren 
hat, verpflichtet, demselben die Aufnahmeurkunde auf Verlangen 
zu erteilen ($ 21, Abs. 5); es sind also auf denselben nicht die von 
Ausländern, sondern die von Reichsangehörigen geltenden Bestim- 
mungen anzuwenden?) Außerdem ist der frühere Heimatsstaat‘) 
berechtigt (aber nicht verpflichtet), seinen ehemaligen Angehörigen, 
auch ohne daß sie sich in seinem Gebiete niederlassen, die Staats- 
angehörigkeit wieder zu verleihen, also ihnen gegen die Folgen der 
langen Abwesenheit eine in integrum restitutio zu erteilen. Voraus- 
gesetzt ist jedoch in diesem Falle, daß sie nicht inzwischen eine an- 
dere staatsangehörigkeit erworben haben ($ 21, Abs. 4). Diese 
1) Daher tritt der Verlust in diesem Zeitpunkt ein auch für diejenigen Minder- 
jährigen, welche erst später dem Vater oder der Mutter in das Ausland nachgefolgt 
sind; Beschl. des OLGer. zu Dresden vom 8. April 1895 bei Reger Bd. 15, S. 439; 
sowie für die im Auslande geborenen Kinder; Urteil des Reichsger. vom 5. November 
1897 bei Reger Bd. 18, S. 263; andererseits tritt der Verlust für die Kinder nicht 
ein, wenn der Vater die Reichsangehörigkeit für sich durch Reisepapiere, Heimats- 
scheine, Eintragung in die Matrikel oder Unterbrechung der Frist wahrt. Entsch. 
des bayer. VGH. vom 25. Febr. 1898 bei Reger Bd. 18, S. 266. Auch für unehe- 
liche Kinder, welche sich bei der Mutter im Auslande befinden, tritt diese Rechts- 
folge nicht ein, weil sie nicht unter der elterlichen Gewalt der Mutter stehen. Entsch. 
des bayer. VGH. vom 24. März 1898 bei Reger Bd. 18, S. 377 und Seydel, Bayer. 
Staatsr. I, S. 190, Note 55. 
2) D. h. der Verlust tritt bei ihnen selbständig, nicht als Folge des in der 
Person des Vaters eingetretenen Verlustes ein. Dasselbe gilt von Kindern, welche 
nicht unter der elterlichen Gewalt des Vaters oder der Mutter stehen, wenngleich 
sie sich bei dem Vater oder der Mutter aufhalten. 
3) Auch hinsichtlich der Gebühren. Erlaß des badischen Ministeriums des 
Innern von 1882 bei Reger Bd. 2, S. 427. — Vgl. das Erkenntn. des Oberlandesge- 
richts Hamburg bei Reger Bd. 11, S. 72. — Das Recht auf die Renaturalisation 
darf auch nicht durch Verhinderung der Niederlassung vereitelt werden. Urteil des 
Reichsger. vom 22. Mai 1896 bei Reger Bd. 17, S. 212 fg. 
4) In dieser Hinsicht erweist sich demnach die Staatsangehörigkeit im Gegen- 
satz zur Reichsangehörigkeit wirksam. 
5) Solange der ehemalige Deutsche , der durch lange Abwesenheit die Reichs-
	        
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