Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 21. Begriff und staatsrechtliche Natur des Bundesgebietes. 197 
geregelt ist. Denn die Landesbehörden sind eben auch hinsichtlich 
solcher Materien nicht Willenswerkzeuge (Organe) des Reiches, sondern 
der Einzelstaaten. Dagegen ergibt sich aus der bundesstaatlichen Eini- 
gung der Einzelstaaten die gegenseitige Pflicht zur Hilfe, insbesondere 
zur Erledigung ordnungsmäßig ergangener Requisitionen. 
Diese Grundsätze sind reichsgesetzlich zuerst anerkannt und im 
einzelnen geregelt worden für die Handhabung der Rechtspflege durch 
das Gesetz, betreffend die Gewährung der Rechtshilfe vom 21. Juni 1869. 
Die territoriale Begrenzung der Zuständigkeit der Landesgerichte ist 
das Prinzip, von welchem dieses Gesetz ausgeht; aber die Gerichte 
des ganzen Bundesgebietes haben sich gegenseitig Rechtshilfe zu leisten, 
gleichviel ob das ersuchende und das ersuchte Gericht demselben 
Bundesstaate oder ob sie verschiedenen Bundesstaaten angehören ($ 1, 
8 20). Spätere Gesetze, namentlich das Gerichtsverfassungsgesetz haben 
eine noch engere Verbindung unter den Staaten des Reichs hergestellt 
(siehe Bd. 3, 8 87) '). 
Eine Aeußerung der fortdauernden Gebietshoheit der Einzelstaaten 
ist auch das Recht derselben, den von auswärtigen Staaten bestellten 
Konsuln für ihr Gebiet das Exequatur zu erteilen. Es handelt sich 
hierbei nicht, wie bei der Ernennung von Konsuln, um die einheit- 
liche Vertretung des Reiches dem Auslande gegenüber, sondern um- 
gekehrt um die Wahrung der Interessen von Angehörigen auswärtiger 
Staaten im Reichsgebiete. Die Erlaubnis, einen Konsul zur Wahrung 
solcher Interessen zu bestellen und die Anerkennung desselben, d. h. 
die Einräumung derjenigen Rechte, welche nach Grundsätzen des 
Völkerrechts oder besonderen Verträgen Konsuln zustehen, an die von 
dem auswärtigen Staate für dieses Amt ausersehene Person, kann jeder 
Staat für den Umfang seines Gebietes erteilen?).. Ein Hoheitsrecht des 
Reiches wird dadurch nicht berührt. Nur kann selbstverständlich kein 
Einzelstaat einem fremden Konsul Rechte beilegen, welche mit Reichs- 
gesetzen, mit Verträgen, welche das Reich abgeschlossen hat, oder mit 
der dem Reiche zustehenden völkerrechtlichen Souveränität in Wider- 
spruch stehen. 
1) Das Reichsgesetz vom 9. Juni 1895 (Reichsgesetzbl. .S. 256) hat die Verpflich- 
tung der Staaten, sich gegenseitig Beistand zu leisten, ausgedehnt auf die Einziehung 
von Abgaben und die Vollstreckung von Vermögensstrafen und hat ihre Strafgerichts- 
gewalt im 8 7 auch auf Angehörige anderer Bundesstaaten erstreckt. Das Reichs- 
gesetz vom 17. Mai 1898, $ 2 (Reichsgesetzbl. S. 189) hat die Pflicht der Gerichte zur 
Leistung der Rechtshilfe auch für die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbar- 
keit eingeführt. 
2) Es ist dies ausdrücklich „allseitig“ anerkannt worden im bayerischen Schluß- 
protokoll Nr. 12 (Reichsgesetzbl. 1871, S. 25).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.