8 28. Die Staatenrechte im Bundesrate. 245
können sie während ihres Aufenthaltes am Sitze des Bundesrates nur
mit Genehmigung ihres Landesherrn an einen anderen Ort geladen
werden !).
e) Dagegen ist der Bundesratsbevollmächtigte Mandatar und in der
Regel auch Beamter des Einzelstaates, welchen er vertritt. Er ist da-
her seiner Regierung verantwortlich dafür, daß er seinen Instruktionen
gemäß gestimmt habe; nicht minder aber für seine anderweitige amt-
liche Tätigkeit, namentlich für die ihm obliegende Berichterstattung
an die Regierung über die Vorgänge am Bundesrate. Wenn der Be-
vollmächtigte — was die Regel ist — zugleich Beamter des von ihm
vertretenen Staates ist, so bestimmt sich seine Verantwortlichkeit nach
dem in diesem Staate geltenden Beamtengesetz?); er ist ferner der
Disziplinargewalt seiner Regierung unterworfen und er bezieht aus den
Mitteln des Einzelstaates seinen Gehalt. Mit der Entwicklung der
Reichsgesetzgebung, der Verwaltungszuständigkeit des Reichs und der
Ausbildung des Behördensystems des Reichs ist auch in dieser Hin-
sicht eine Modifikation dieser Grundsätze dadurch entstanden, daß
Staatssekretäre der obersten Reichsämter zu preußischen Bevollmäch-
tigten am Bundesrat ernannt werden. Dieselben sind keine preußi-
schen Beamten, brauchen keineswegs zugleich Mitglieder des preußi-
schen Staatsministeriums zu sein und sind dienstlich dem Reichskanzler
unterstellt. Während nach der RV. der Bundesrat als ein Organ er-
scheint, welches dem Kaiser und den Reichsbehörden selbständig ge-
genübersteht und an welchem nur die Einzelstaaten beteiligt sind, ist
diese Trennung tatsächlich beseitigt worden; die Reichsverwaltungen
haben innerhalb des Bundesrats Platz gefunden und auf seine Be-
schlüsse einen maßgebenden Einfluß erlangt; formell aber freilich nur
als preußische Bevollmächtigte, nicht als kaiserliche.
f) Da die Anzahl der Bevollmächtigten weder das Stimmenver-
hältnis im Bundesrat noch die Finanzen des Reiches berührt, so ist
es prinzipiell den Einzelstaaten überlassen, wie viele Bevollmächtigte
zum Bundesrate sie ernennen wollen. Da aber eine unbegrenzte An-
zahl von Bevollmächtigten eine große Belästigung und Erschwerung
des Geschäftsganges herbeiführen könnte, so hat die Reichsverf. Art. 6,
Abs. 2 ein Maximum festgesetzt durch die Bestimmung:
»Jedes Mitglied des Bundes kann?) so viel Bevollmächtigte
zum Bundesrate ernennen, wie es Stimmen hat.«
Ueberdies steht es jedem Bundesstaate frei, Stellvertreter
für die Bevollmächtigten zum Bundesrate zu ernennen‘). Der RV. ist
diese Institution unbekannt; sie beruht auf der Geschäftsordnung des
—
1) Zivilprozeßordnung 8 382 Abs. 2, 402; Strafprozeßordnung $ 49, Abs. 2, 8 72.
Milit.Strafger.Ordn. 8 207, 208.
2) vv. MohlS. 277 fg. 3) „kann“, nicht „muß“.
4) Vgl. K. Perels, Stellvertretende Bevollmächtigte zum BR. 1907 (aus der
Festgabe für Hänel). Siehe auch Vogels im Arch. f. öff. R. Bd. 27, S. 69.