8 29. Der Bundesrat als Organ des Reiches. 257
und durch seinen Beschluß erfolgt die Sanktion der Reichsgesetze.
Siehe unten $ 55.
Il. Der Bundesratals Organ der Verwaltung.
Der Bundesrat ist nicht in dem Sinne eine »Verwaltungsbehörde«
des Reiches, daß er selbständig Verfügungen erlassen und ihre Aus-
führung unmittelbar erzwingen könnte; die tatsächliche Durchführung
aller Verwaltungsmaßregeln des Reiches ist vielmehr entweder Sache
des Kaisers und der von ihm ernannten Behörden, oder sie fällt in
den Bereich der Selbstverwaltung der Einzelstaaten. Eine Beteiligung
des Bundesrates an der Verwaltung findet nur statt in der Form
der Beschlußfassung. Die Fälle, in denen dem Bundesrate in
dieser Gestalt Verwaltungsbefugnisse eingeräumt sind, können durch
jedes neue Gesetz von Jahr zu Jahr sich vermehren oder verändern;
eine prinzipielle, aus dem Wesen des Bundesrates logisch abzuleitende
Abgrenzung gibt es nicht. Indessen lassen sich 'diese Befugnisse des
Bundesrates nach allgemeineren Gesichtspunkten gruppieren.
1. Gemäß Art. 7, Ziff. 2 der Reichsverfassung beschließt der Bundes-
rat »über die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen all-
gemeinen Verwaltungsvorschriften und Einrich-
tungen«.
Diese Zuständigkeit ist die Folge der den Einzelstaaten zustehenden
Selbstverwaltung. Da die Behörden und Beamten, welchen die Hand-
habung der Reichsgesetze und die Verwaltung der reichsgesetzlich
geregelten Angelegenheiten obliegt, in keinem Dienstverhältnis zum
Reich, sondern nur zu ihrer Landesregierung stehen, so ist diese
auch nur berechtigt, ihnen Dienstanweisungen und Vorschriften für
die von ihnen zu führende Verwaltung zu geben. Der Reichskanzler
ist dazu nicht befugt; der Kaiser ist nicht der Dienstherr der Landes-
beamten. Dadurch ist die Gefahr begründet, daß die durch die Reichs-
gesetzgebung geschaffene Rechtseinheit gestört und aufgelöst wird durch
die Verschiedenheit der Dienstanweisungen und Verwaltungsvorschriften
der Einzelstaaten. Um dies zu verhüten und die gleichmäßige
Handhabung der Reichsgesetze in allen Bundesstaaten zu sichern, hat
der Bundesrat die im Art. 7 Ziff. 2 ihm zugewiesene Zuständigkeit.
Allgemeine Verwaltungsvorschriften sind daher Vorschriften, welche
für alle Bundesstaaten gleichmäßig gelten, im Gegensatz zu den Dienst-
anweisungen der einzelnen Bundesregierungen. Sie können immer
nur »zur Ausführung« eines Reichsgesetzes beschlossen werden, setzen
also den Erlaß eines solchen voraus, und sind daher nur intra legem,
nicht praeter legem zulässig. Sie stehen ferner im Gegensatz zu spe-
ziellen Entscheidungen konkreter Fälle’. Die Rechtswirkung
. BD Rechtsverordnungen zu beschließen ist der Bundesrat durch Art. 7, Ziff. 2
nicht ermächtigt; es bedarf dazu in allen Fällen einer besonderen reichsgesetzlichen
Ermächtigung. Siehe unten 8 58.