Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 30. Die formelle Erledigung der Geschäfte des Bundesrates. 281 
Ausschuß; sie darf nur vorgenommen werden, wenn sie in der Ein- 
Jadung ausdrücklich angekündigt ist’). 
2. Durch die revidierte Geschäftsordnung sind die Sitzungen in 
zwei Arten geteilt. Die wichtigeren Geschäftsaufgaben, insbeson- 
dere die Gresetzesvorlagen, werden von einem durch den Reichskanzler 
für jede Session des Bundesrates zu bestimmenden Zeitpunkt an in 
möglichst rasch sich folgenden Sitzungen, welchen die sersten Be- 
vollmächtigten« der Regierungen anwohnen, erledigt. Vorlagen, welche 
nicht früher als drei Wochen vor dem vom Reichskanzler bestimmten 
Zeitpunkt an den Bundesrat gelangen, werden in der laufenden Session 
nur dann endgültig festgestellt, wenn sie durch Mehrheitsbeschluß als 
dringlich erklärt werden?). Für die minder wichtigen Aufgaben des 
Bundesrates ist die Anwesenheit der ersten Bevollmächtigten nicht 
erfordert und sie können während des Restes der Sitzungsperioden 
erledigt werden. Hierdurch zerfällt jede Session des Bundesrates in 
zwei Teile, von denen der eine als eine Konferenz der leitenden Staats- 
männer der größeren Bundesstaaten zur Beschlußfassung über die 
wichtigeren Angelegenheiten erscheint, der andere zur Erledigung der 
gewöhnlichen oder unbedeutenden Geschäfte bestimmt ist. Es ist ferner 
bestimmt, daß »Gesetzentwürfe und sonstige wichtige 
Vorlagen« einer ersten Beratung unterzogen werden, in welcher 
eine definitive Beschlußnahme noch nicht erfolgt. Eine Berichter- 
stattung der Ausschüsse, wofern eine solche beschlossen wird, kann 
der ersten Beratung sowohl vorausgehen als nachfolgen. Zwischen 
der ersten und der zweiten Beratung müssen mindestens fünf Tage in 
der Mitte liegen. Eine Abkürzung dieser Frist, sowie die Vornahme 
der ersten und der zweiten Beratung in derselben Sitzung kann gegen 
den Widerspruch von 14 Stimmen nicht beschlossen werden; dagegen 
kann auch am Schlusse der zweiten Beratung die Aussetzung der 
definitiven Abstimmung mit Stimmenmehrheit beschlossen werden °). 
3. Jeder »stimmführende« Bevollmächtigte kann in Verhinderungs- 
fällen den Bevollmächtigten eines anderen Staates substituieren. 
Ein solcher Substitut ist verschieden von den sitellvertretenden Bevoll- 
mächtigten, welche derselbe Staat neben den Hauptbevollmächtigten 
ernennen kann‘. Eine Substitution gilt aber immer nur für eine 
Sitzung; in der nächstfolgenden Sitzung kann nur ein Bevoll- 
mächtigter der Regierung dieselbe vertreten. Es ist aber zugelassen, 
daß mehrere Staaten dieselbe Person zu ihrem Bevollmächtigten er- 
nennen’). 
ıD Rev. Geschäftsordnung ebenda. Auch für andere Wahlen, z. B. der Mitglieder 
der Reichsschuldenkommission u. dgl., wird in der Regel vorher der Tag, an welchem 
sie vorgenommen werden sollen, festgesetzt. 
2) Rev. Geschäftsordn. 8 3. 3) Rev. Geschäftsordn. $ 16. 
4) Rev. Geschäftsordn. $ 1. Siehe oben S. 245 fg. 
5) Rev. Geschäftsordn. 8 2. Von der Substitution ist dem Reichskanzler unver- 
züglich Mitteilung zu machen. 
 
	        
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