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fahrens u. s. w. tritt nicht ipso jure ein und kein Gericht ist verpflich-
tet, eine gegen ein Reichstagsmitglied schwebende Untersuchung
bis nach der Schließung der Sitzungsperiode von Amts wegen
auszusetzen; sondern es muß der Reichstag aus eigener Initiative von
dem Recht des Art. 31, Abs. 3 Gebrauch machen und die Unterbrechung
des Strafverfahrens »verlangen«. Die Erfüllung dieses Verlangens er-
folgt durch die Vermittelung des Reichskanzlers. Während der Unter-
brechung des Verfahrens ruht die Verjährung. Siehe S. 358.
5. Wer ein Mitglied. des Reichstages durch Gewalt oder durch Be-
drohung mit einer strafbaren Handlung verhindert, sich an den Ort
der Versammlung zu begeben oder zu stimmen, wird mit Zuchthaus
bis zu fünf Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft.
Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft bis zu zwei
Jahren ein'). Reichsstrafgesetzbuch $ 106. Vgl. Reichsverfassung Art. 74.
Die Strafe tritt auch dann ein, wenn die Handlung von einem
Beamten, wenn auch ohne Gewalt oder Drohung, aber durch Miß-
brauch seiner Amtsgewalt oder Androhung eines bestimmten MiB-
brauchs derselben begangen ist. Reichsstrafgesetzbuch 8 339, Abs. 2.
6. Die Mitglieder des Reichstages sind befugt, die Berufung zum
Amte eines Schöffen oder Geschworenen oder eines Beisitzers eines
Seeamtes abzulehnen ?).
7. Wenn ein Mitglied des Reichstages während der Sitzungsperiode
und seines Aufenthalts am Orte der Versammlung an einem anderen
Orte als Zeuge oder Sachverständiger vernommen werden soll, so ist
hierzu die Genehmigung des Reichstages erforderlich).
8 38. Die Diäten der Reichstagsabgeordneten.
An die Stelle des ursprünglichen Art. 32 der RV., welcher lautete:
»Die Mitglieder des Reichstages dürfen als solche keine Besoldung oder
Entschädigung beziehen«, hat das Reichsgesetz vom 21. Mai 1906, $1
(RGBl. S. 467) die Vorschrift gesetzt:
»Die Mitglieder des Reichstags dürfen als solche keine Be-
soldung beziehen. Sie erhalten eine Entschädigung nach Maß-
gabe des Gesetzes«.
vember 1874 (Stenogr. Ber. 1874/75, S. 244 ff.) bestätigt wurde, und welche sich an die
feststehende Auslegung, die der mit Art. 31, Abs. 3 übereinstimmende Art. 84 Abs.4
der preuß. Verfassungsurkunde im preußischen Landtage gefunden hat, anlehnt. Auch
in der Literatur besteht hierüber keine Meinungsverschiedenheit. Vgl. die Zitate bei
G. Meyer 8 133, Note 17.
1) Vgl. hierzu John in v. Holtzendorffs Handbuch des Strafrechts III, S. 81 fg.
Binding, Lehrb. Bes. Teil U, 2, S. 825; M. E. Mayerin der Vergl. Darstellung
des deutschen und ausländ. Strafrechts Bd. I, S. 271 ff.
2) Gerichtsverfassungsgesetz 8 35, Ziff. 1, 885, Abs. 2. Reichsgesetz vom 27. Juli
1877, 8 10 (Reichsgesetzbl. S. 551).
3) Strafprozeßordnung $ 49, 72; Zivilprozeßordnung $ 382, 402; Milit.-Strafproz.-
Ordn. 8 207, Abs. 2; 208, Abs. 1.