Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 2. Die Gründung des Norddeutschen Bundes. 29 
sehen werden, sondern als eine Tat, als eine Rechtshandlung 
der norddeutschen Staaten. Die Staaten vollzogen als willens- und 
handlungsfähige Personen durch Gründung des Norddeutschen Bundes 
einen Willensentschluß. Die Art und Weise, wie dieser Ent- 
schluß erklärt und verwirklicht wurde, bestand darin, daß jeder Staat 
in der Form des Gesetzes, d.h. unter Konstatierung der Ueber- 
einstimmung der Krone und der Volksvertretung, ihn öffentlich be- 
kundete und dadurch zugleich seine Regierung ermächtigte und ver- 
pflichtete, alle zur Ausführung dieses Entschlusses erforderlichen Maß- 
regeln zu treffen. 
Der Entschluß, in den Norddeutschen Bund einzutreten, konnte 
aber in keiner anderen Weise mit der erforderlichen Bestimmtheit 
ausgedrückt werden als durch Bezugnahme resp. Verkündigung der 
Verfassung desselben. In ihr allein war der präzise Ausdruck seines 
Zweckes, seines Mitgliederbestandes und Gebietsumfanges, seiner Kompe- 
tenz seiner Verfassungseinrichtungen usw. gegeben. Der Name Norddeut- 
scher Bund erhält nur durch die Bundesverfassung einen konkreten 
und fest bestimmten Inhalt. Sie mußte daher mitpubliziert werden. 
Die Klausel: »Die Verfassung des Norddeutschen Bundes tritt in 
dem Gebiete des Staates X am 1. Juli 1867 in Kraft«, welche die Ein- 
führungspatente haben, ist vollkommen identisch mit dem Satze: 
»Der Staat X tritt am 1. Juli 1867 in den Norddeutschen Bund 
ein.« 
Denn die Verfassung des Norddeutschen Bundes konntein einem 
Einzelstaat gar nicht anders in Kraft treten, als durch Gründung des 
Norddeutschen Bundes, resp. Eintreten in denselben; und kein Staat 
konnte anders in den Norddeutschen Bund eintreten als dadurch, daß 
die Verfassung des letzteren in seinem Gebiete in Kraft trat'). 
Hieraus ergibt sich: Nicht die Norddeutsche Bundesverfassung ist 
übereinstimmendes Landesgesetz der Einzelstaaten, nicht ihre Sanktion 
wird für jeden Staat besonders von der Landesstaatsgewalt erteilt, son- 
dern der Entschluß des Staates, in den durch diese Verfassung 
definierten Bund einzutreten, ist in jedem Einzelstaat,, durch Landes- 
gesetz erklärt worden. Objekt der Publikationsgesetze vom Juni 1867 
sind nicht die Bestimmungen der norddeutschen Bundesverfassung an 
sich, sondern Objekt ist die Erklärung des Beitritts zu demjenigen 
Bunde, welcher in dieser Verfassung definiert ist. Die Verfassung greift 
zwar in das Landesrecht der einzelnen Staaten ein, sie ist aber nach 
ihrem Wesen eine Ordnung des zwischenstaatlichen Verhält- 
nisses der Bundesstaaten, eine Organisation der Gesamtheit, also 
1) Zustimmend Liebe, Zeitschr. f. Staatswissenschaft, Bd. 38 (1882), S. 627 fg.; 
Zorn]1,S. 29; Anschütz, Enzykl. S. 505; Lönig, Grundzüge S.8 und hinsicht- 
lich eines analogen Vorgangs Fleiner, Die Gründung des Schweizer. Bundes- 
staates im Jahre 1848. Basel 1898. S. 34. Vgl. auch Kühlewein, Entstehung von 
Bundesstaat und Aktiengesellschaft in rechtl. Vergleich. (Erlanger Dissertation) 1894.
	        
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