8 43. Die richterlichen Reichsbehörden. 4153
handelsgericht« und zwar auf Grund der im Reichsgesetz vom 16. April
1871, 8 2, Abs. 2 enthaltenen Bestimmung').
Die Kompetenz des Oberhandelsgerichts, welche sich anfangs auf
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten in Handelssachen beschränkte, ist durch
eine große Zahl von Reichsgesetzen fortwährend erweitert worden’);
auch ist es als oberster Gerichtshof für Elsaß-Lothringen an die Stelle
des Kassationshofes zu Paris getreten °).
Mit der Einführung der Reichsjustizgesetze ist das Reichsoberhan-
delsgericht in Wegfall gekommen. Das Reich übt die ordentliche
streitige Gerichtsbarkeit sowohl in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten wie
in Strafsachen in letzter Instanz nach Maßgabe des Gerichtsverfassungs-
gesetzes und der Prozeßordnungen durch das Reichsgericht in
Leipzig aus‘). Bei demselben werden Zivil- und Strafsenate gebildet,
deren Zahl der Reichskanzler bestimmt’); selbstverständlich findet
dieses Recht aber an den Festsetzungen des Reichsetats eine finanzielle
Schranke. Der Präsident, die Senatspräsidenten und Räte werden auf
Vorschlag des Bundesrats von dem Kaiser ernannt; zum Mitgliede des
Gerichts kann nur ernannt werden, wer die Fähigkeit zum Richter-
amte in einem Bundesstaate erlangt und das 35. Lebensjahr vollendet
hat‘). Im übrigen vergleiche über die Zuständigkeit und die Organi-
sation des Reichsgerichts unten Bd. 3, $ 86, I.
Bei dem Reichsgericht besteht eine Staatsanwaltschaft, deren Ver-
richtungen durch einen Oberreichsanwalt und einem oder
mehrere Reichsanwälte ausgeübt werden; dieselben sind nicht
richterliche Beamte und stehen unter der Aufsicht und Leitung des
Reichskanzlers ’).
2. Die Reichskonsulargerichte in denjenigen Ländern,
1) Der Plenarbeschluß v. 2. September 1871 ist mitgeteilt in den Entscheidungen
des Oberhandelsgerichts II, S. 448.
2) Durch folgende Reichsgesetze: Gesetz vom 1. Juni 1870 über die Aufhebung
der Abgaben von der Flößerei $ 2, Abs. 3 (Bundesgesetzbl. S. 313); Gesetz v. 11. Juni
1870 über das Urheberrecht $ 32 (Bundesgesetzbl. S. 346); Gesetz vom 22. April 1871,
S$S 3 (Reichsgesetzbl. S. 88) in betreff der Konsulargerichtsbarkeit; Haftpflichtgesetz
vom 7. Juni 1871, $ 10 (Reichsgesetzbl. S. 209); Reichsbeamtengesetz vom 31. März
1373, & 149 ff., 153 fg. (Reichsgesetzbl. S. 88, 89); Strandungsordnung vom 17. Mai 1873,
$ 44 (Reichsgesetzbl. S. 82); Markenschutzgesetz vom 30. November 1874, $ 19 (Reichs-
gesetzbl. S. 146); Bankgesetz vom 14. März 1875, 850 (Reichsgesetzbl. S. 193); Patent-
gesetz vom 23. Mai 1877, $ 32, 37 (Reichsgesetzbl. S. 508, 599); Rechtsanwaltsordnung
vom 1. Juli 1878, 8 113 (Reichsgesetzbl. S. 197). — Diese reichsgesetzlichen Bestim-
mungen sind noch gegenwärtig insofern von praktischer Bedeutung, als
die Zuständigkeit des bayerischen obersten Landesgerichts in allen denjenigen Sachen,
welche zur Zuständigkeit des Reichsoberhandelsgerichts gehört haben, ausgeschlossen
ist. Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz $ 8, Abs. 2.
3) Reichsgesetz vom 14. Juni 1871 (Reichsgesetzbl. S. 315).
4) Gerichtsverfassungsgesetz $ 12, 125—141; Reichsgesetz vom 11. April 1877
(Reichsgesetzbl. S. 415); vom 22. Mai 1910 (Reichsgesetzbl. S. 767).
5) Gerichtsverfassungsgesetz $ 132. 6) Ebendas. $ 127.
7) Ebendas. $ 143, Ziff. 1, $ 148.