8 58. Die Rechtsverordnungen des Reichs. 105
Die Form, in welcher die von den Einzelstaaten zu erlassenden Ver-
ordnungen auszufertigen sind, bestimmt sich, falls nicht etwa das
Reichsgesetz darüber eine Anordnung trifft, nach dem Landesstaats-
recht. Was endlich die Bundesratsverordnungen anlangt, so liegt die
Ausfertigung der Bundesratsbeschlüsse, wie dies bei allen beschließen-
den Kollegien Gebrauch ist, dem Vorsitzenden, also dem Reichskanzler
ob!). Eine kaiserliche Ausfertigung der vom Bundesrat beschlossenen
Verordnungen ist in der Reichsverfassung nicht vorgeschrieben; Art. 17
erfordert dieselbe nur bei Gesetzen. Diese Unterscheidung ist sach-
lich begründet, da für ein Gesetz der Bundesratsbeschluß nur eine der
verfassungsmäßigen Vorbedingungen ist, für eine Verordnung dagegen
der Bundesratsbeschluß genügt.
Die rechtliche Bedeutung der Ausfertigung ist bei den Verordnungen
dieselbe, wie bei den Gesetzen. Es wird durch dieselbe authentisch
bekundet, daß die Verordnung formell ordnungsmäßig zustande ge-
kommen ist, und daß sie den in der Urkunde enthaltenen Wortlaut
hat?).. Wenn in der Ausfertigungsformel einer kaiserlichen Verord-
nung bezeugt wird, daß dieselbe mit Zustimmung des Bundesrates oder
im Einvernehmen mit dem Bundesrat erlassen ist, so entzieht sich die
Richtigkeit dieser Tatsache jeder weiteren Prüfung und Beurteilung
durch die Gerichte, Verwaltungsbehörden und Untertanen des Reiches.
Es ist in dieser Formel nicht nur ein Zeugnis enthalten, daß der In-
halt der Verordnung dem Bundesrat zur Beschlußfassung vorgelegt
und durch einen Beschluß desselben gebilligt worden ist, sondern auch
ein formell unanfechtbares Urteil ausgesprochen, daß dieser Beschluß
des Bundesrates den Verfassungsbestimmungen gemäß und gültig ge-
faßt worden ist‘). Der kaiserliche Ausspruch kann nicht von Gerichten
oder Verwaltungsbehörden in den einzelnen von ihnen zu entschei-
denden Fällen unbeachtet gelassen oder berichtigt werden. Die Ver-
antwortlichkeit für die Richtigkeit des kaiserlichen Ausspruchs über-
nimmt der Reichskanzler durch Gegenzeichnung der kaiserlichen Ur-
kunde. Dasselbe gilt von den vom Reichskanzler erlassenen Verord-
nungen, wenn in denselben bezeugt wird, daß sie nach Vernehmung
oder unter Genehmigung eines Bundesratsausschusses oder unter Zu-
stimmung des Bundesrats oder nach Anhörung einer Reichsbehörde
ergangen sind. Ist dem Reichskanzler der Erlaß der Verordnung an-
vertraut, so ist ihm auch unter eigener Verantwortlichkeit die Be-
obachtung des dafür vorgeschriebenen Verfahrens überlassen.
Bei den vom Bundesrat zu beschließenden Verordnungen hat der
Bundesrat, wie jedes Kollegium bei seinen Beschlüssen, die dafür be-
kanzler ausgefertigt werden. Anderer Ansicht Arndt S. 169 ff., welcher eine allge-
meine Befugnis zur Subdelegation des Verordnungsrechts annimmt.
1) Vgl. auch HänelS. 8.
2) Thoma, Polizeibefehl I S. 429 fg.
3) S. oben S. 44 ff.