Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

16 8 54. Der Begriff und die Erfordernisse des Gesetzes. 
Eine ähnliche Einrichtung besteht in England. Das Recht der 
Krone, die von den beiden Häusern genehmigten Bills zu sanktionieren, 
ist ein Scheinrecht, da nach einem unbezweifelten Rechtssatz die 
Krone die Genehmigung nicht verweigern darf!). Von wesentlicher 
Bedeutung aber ist die Befugnis der Krone, das Gesetz auszu- 
fertigen. Die alte und regelrechte Form der Erklärung des Gesetzes 
besteht darin, daß der König in einer feierlichen Sitzung des Hauses 
der Lords erscheint, die Gemeinen an die Schranke entbietet, vom 
Kronklerk die Titel der vom Parlament beschlossenen Bills verlesen 
läßt und die Genehmigung derselben erklärt. Seit Statut 35 Heinrich VIII., 
Kap. 21 ist statt dieser Form auch die Erklärung durch Patent zu- 
lässig, welches vom König eigenhändig unterschrieben, von dem Kron- 
klerk gegengezeichnet und mit dem großen Staatssiegel versehen sein 
muß. In feierlicher Sitzung der Lords, zu welcher die Gemeinen ge- 
laden werden, wird das Patent seinem ganzen Inhalte nach verlesen 
und die königliche Genehmigungsklausel wird von dem Klerk des 
Parlaments in das Protokollbuch der Lords eingetragen. Dieser Vor- 
gang ist keine eigentliche Verkündigung des Gesetzes, obwohl die Fiktion 
besteht, daß alles, was in öffentlicher Sitzung des Parlaments geschieht, 
auch öffentlich bekannt gemacht sei; die wirkliche Bekanntmachung 
des Gesetzes erfolgt erst später durch den Druck. Die juristische Be- 
deutung des Aktes besteht vielmehr in der formellen und authentischen 
Erklärung des staatlichen Gesetzgebungswillens. 
Bevor diese Erklärung erfolgen kann, muß der König und der ihm 
in dieser Angelegenheit Rat erteilende Minister prüfen, ob die Bill in 
der Tat die ordnungsmäßige und übereinstimmende Genehmigung bei- 
der Häuser erlangt hat und ob die zahlreichen Formvorschriften, 
welche das englische Recht für das Zustandekommen eines Gesetzes auf- 
gestellt hat, vollständig beobachtet worden sind. Ergibt sich in dieser Be- 
ziehung ein Mangel, so ist die Bill dem betreffenden Hause zur Er- 
ledigung desselben und zur Beseitigung der Formwidrigkeit zuzustellen ?). 
Promulgation aufrecht und schaffte nur die Zusammenfassung aller Gesetze einer 
Session zu einem Reichstagsabschied ab. Erst der 66. Gesetzartikel vom 27. Dezem- 
ber 1881 (ungar. Landesgesetzessammlung 1881, deutsche Ausgabe S. 801 ff.) hat die 
althergebrachte Form der feierlichen Publicatio legis im Reichstage beseitigt und 
durch eine bloße Anzeige der erfolgten Sanktion (8 8 des Gesetzes) ersetzt. Jellinek 
S. 325, Note 24. 
1) Der letzte Fall, in welchem eine von dem Parlament genehmigte Bill von der 
Krone verworfen wurde, ereignete sich im Jahre 1707. Auch vorher waren Fälle 
dieser Art höchst selten. Die Verpflichtung des Königs wird teils aus dem von ihm 
geleisteten Eid, teils aus der Stellung der dem Parlamente verantwortlichen Minister, 
auf deren Rat der König seine Regierungshandlungen vornimmt, hergeleitet. Vgl. 
Cox, Staatseinrichtungen Englands S. 43fg.; May, Das engl. Parlament S. 422 und 
besonders Blackstone, Commentaries1I, chap. 2. (15. engl. Ausgabe, London 1809, 
Vol. I, p. 183sq.; französ. Uebersetzung von Chompre I], p. 350 sq.) 
2) Vgl. über die Einzelheiten die ausführliche Darstellung beiMay.a.a. 0. S. 378 
bis 430, besonders S. 425fg. und Redlicha.a. O0. S. 655 ff.
	        
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