Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

8 66. Reichsverwaltung und Staatsverwaltung. 209 
tion und dem Gerichtsstande bei Klagen aus einem solchen Vertrage 
ist dies von Bedeutung. 
b) Die] obrigkeitlichen Verfügungen sind nicht Aeuße- 
rungen oder Betätigungen der Reichsgewalt, sondern der Staatsgewalt 
der Bundesglieder. Sie stehen demnach, soweit nicht durch 
Reichsgesetz besondere Vorschriften ergangen sind, 
unter den staatsrechtlichen Regeln des Einzelstaates; insbesondere hin- 
sichtlich der Amtsgewalt (Kompetenz) der einzelnen Behörden, hin- 
sichtlich der Formen, unter denen die Verfügungen zu erlassen sind, 
in betreff der gegen sie zulässigen Beschwerden, über die Folgen der 
Nichtbeobachtung des in der Verfügung erteilten Befehles usw. 
c) Die Leitung der Verwaltung steht den Zentralbehörden 
der Einzelstaaten zu, nicht dem Reiche. Die einzelnen mit der un- 
mittelbaren Verwaltungstätigkeit betrauten Behörden sind Landesbe- 
hörden; sie empfangen ihre Befehle und Instruktionen von den Lan- 
desregierungen und in letzter Stelle von den Landesherren. Der Reichs- 
kanzler kann ihnen unmittelbar keine Dienstbefehle erteilen; er kann 
sich nur an die Regierung des Einzelstaates wenden und sie auffor- 
dern, für die Befolgung der vom Reiche erlassenen Anordnungen Sorge 
zu tragen und die Landesbehörden dazu anzuhalten. Das Reich kann 
daher die von den Behörden der Einzelstaaten erlassenen Verfügungen 
weder aufheben oder abändern, noch gegen die Beamten einschreiten, 
sondern es kann nur auf Grund des Art. 19 der Reichsverfassung gegen 
das Bundesglied wegen Nichterfüllung seiner verfassungsmäßigen Pflich- 
ten die Exekution vollstrecken. Denn der Einzelstaat, welcher die 
Verletzung reichsgesetzlicher Anordnungen durch seine Behörden still- 
schweigend duldet oder ausdrücklich genehmigt, verletzt seine Gehor- 
samspflicht gegen das Reich; der Landesbeamte dagegen, welcher in 
seiner amtlichen Tätigkeit gegen die Reichsgesetze verstößt, verletzt 
dadurch seine Dienstpflicht gegen den Einzelstaat, welchem er an- 
gehört. 
9. Aus diesen Erörterungen ergibt sich zugleich die Entscheidung 
der Frage nach der Verantwortlichkeit für die hier in Rede 
stehenden Verwaltungsgeschäfte. Die unmittelbare, ausführende und 
leitende Verwaltung ist ein Geschäft des Einzelstaates, die Kontrolle 
dieser Verwaltung ein Geschäft des Reiches. Demgemäß ist der Reichs- 
kanzler dem Kaiser und dem Reichstage dafür verantwortlich, daß er 
diese Kontrolle pflichtgemäß und mit der erforderlichen Sorgfalt und 
Umsicht handhabt. Eine Vertretung desselben kann nur durch einen 
Generalstellvertreter geübt werden; Stellvertreter für einzelne Verwal- 
tungszweige sind unstatthaft. Die Minister der Einzelstaaten dagegen 
sind ihren Landesherren und Landtagen gegenüber verantwortlich für 
die gesetzmäßige und zweckentsprechende Führung der unmittelbaren 
Verwaltung. Daß die Gesetze, welche diese Verwaltung regeln, Reichs- 
gesetze sind, ändert hieran nichts. Denn einerseits kann den Reichs-
	        
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