Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

18 $ 54. Der Begriff und die Erfordernisse des Gesetzes. 
des Königtums hob sich die Promulgation von der Sanktion, von der 
sie begrifflich durchaus verschieden war, auch in der äußeren Erschei- 
nung ab, und es treten jetzt Sanktion, Promulgation und Publikation 
als drei völlig getrennte Erfordernisse eines Gesetzes hervor. Es gilt 
dies namentlich von der Verfassung des Jahres VIII. Nach dem Art. 37 
dieser Verfassung wurden die Gesetze sanktioniert (erlassen) vom Corps 
legislatif. Innerhalb einer Frist von zehn Tagen konnte aber die 
Sanktion sowohl von dem Tribunal als von der Regierung durch 
Rekurs an den Senat pour inconstitutionalit& de la loi angefochten wer- 
den, so daß also der Sanktionsbeschluß erst nach Ablauf der zehn- 
tägigen Frist, wenn innerhalb derselben der Rekurs nicht erhoben 
wurde, Rechtskraft erlangte. Nach einem Arröt& vom 28 Nivöse des 
Jahres VIII war die Anordnung getroffen, daß in dem Arbeitszimmer 
der Konsuln ein Koffer sich befinden sollte, in welchem die Siegel 
der Republik deponiert waren und in welchen die Dekrete des Corps 
leEgislatif vom Staatssekretär gelegt werden sollten. Am zehnten Tage 
nach Erlaß der Dekrete des Corps l£gislatif hatte der Staatssekretär 
sie dem ersten Konsul zu überreichen, welcher die Beidruckung 
des Staatssiegels befahl und eine offizielle, unterschriebene, gegen- 
gezeichnete und mit dem Siegel versehene Ausfertigung unverzüglich 
dem Justizminister übersendete !). 
Hierin bestand die dem ersten Konsul zustehende Promulgation 
der Gesetze, während die Sanktion vom Corps l£gislatif ausging, die 
Publikation dem Justizminister und den Behörden oblag. Es ist klar, 
daß der Rechtsgrund für die verbindliche Kraft der Gesetze nicht in 
der Promulgation, sondern in der Sanktion derselben beruhte; die 
Promulgation konstatierte nur, daß der staatliche Gesetzgebungsbefehl 
verfassungsmäßig erlassen worden ist, und gab demselben einen for- 
mellen und authentischen Ausdruck ?. Portalis bezeichnet in dem 
Discours vom 23 Frimaire X (14. Dezember 1801) nro. 16 (beiLocr&l, 
Ss. 466 ff.) die Promulgation als solemnis editio legis und fügt mit dem 
ihm eigentümlichen phrasenhaften Stil hinzu: »La promulgation est une 
forme exterieure A la loi comme la parole et l’&criture sont exterieures 
ä la pensee.« 
LV’Assembleenationaleade&äcreteetnousvoulonset ordonnons 
ce qui suit: .... Mandons et ordonnons & tous les tribunaux, corps administratifs et 
municipalites que les presentes ils fassent transcrire sur leurs registres, lire, publier 
et afficher dans leurs ressorts et departements respectifs. 
1) Vgl. Valette und Benat St.-Marsy, Traite de la confection des Lois, 
Paris 1839, p. 205, 206. 
2) Ein Avis du conseil d’Etat du 5 pluviose An VIII (26. Januar 1800) 
führt aus, dab die Promulgation der (sesetze nicht dem pouvoir legislatif, sondern dem 
pouvoir exe&cutif zustehe und fügt hinzu: „Il faut bien se garder de confondre cette 
promulgation avec la sanction, que le Roi constitutionel avait en 1791 ou avec V’ac- 
ceptation que le Conseil des Anciens avait par la Constitution de l’an III. Cette 
sanction et cette acceptation Eetaient parties necessaires de la formation de la loi et 
ne ressemblaient en rien A sa promulgation.“ Locrea.a. O.1,S. 625ff.
	        
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