Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

246 8 68. Das Reichsland. Die Organisation des Reichslandes. 
und Obliegenheiten normiert, während im $ 3 die fakultative Ueber- 
tragung landesherrlicher Befugnisse hinzugefügt ist. 
b) Sowohl die Ernennung als auch die Abberufung sowie die Ueber- 
tragung landesherrlicher Befugnisse bedarf der Gegenzeichnung 
des Reichskanzlers. Richtiger Ansicht nach galt dies auch 
schon nach dem Gesetz von 1879'), war in demselben aber nicht aus- 
drücklich ausgesprochen; das Gesetz vom 31. Mai 1911 hat auch in 
diesem Punkte jede falsche Auslegung ausgeschlossen und das Erfor- 
dernis der Gegenzeichnung des Reichskanzlers gesetzlich festgelegt 
($ 2 Abs. 1, 83 Abs. 1). Für die staatsrechtliche Stellung des Statt- 
halters ist dies von maßgebender Bedeutung; es wird dadurch aner- 
kannt, daß die Ernennung, Abberufung und Ausstattung des Statthalters 
mit landesherrlichen Befugnissen eine Angelegenheit des Reiches 
ist?). Die Motive S. 9 charakterisieren die staatsrechtliche Stellung des 
Statthalters in sehr zutreffender Weise mit den Worten: »Er ist nicht 
Landesbeamter von Elsaß-Lothringen, sondern Reichsbeamter, obgleich 
er seine Bezüge aus der Landeskasse erhält. Seine Rechtsverhältnisse 
sind deshalb nicht durch Landesgesetz, sondern durch Reichsgesetz 
geregelt. Hierbei behält es auch in Zukunft sein Bewenden« °). 
Die Anordnung, daß der Statthalter in Straßburg residiert (seinen 
dienstlichen Wohnsitz hat), ist aus dem Gesetz von 1879 in das neue 
Verfassungsgesetz übernommen worden ($ 2 Abs. 5). 
c) Die ministeriellen Befugnisse und Öbliegenheiten 
des Stattnalters bestehen aus zwei Gruppen. Die erste umfaßt die ge- 
samte Zuständigkeit des Reichskanzlers in elsaß-lothringischen 
Landesangelegenheiten, welche infolge des Gesetzes vom 4. Juli 1879 
auf den Statthalter übergegangen ist; die zweite wird gebildet durch 
die überaus zahlreichen landesgesetzlichen Bestimmungen, 
durch welche dem Statthalter bestimmte Funktionen zugewiesen werden. 
Da die erste Gruppe von Befugnissen und Obliegenheiten im Ver- 
fassungsgesetz & 2 Abs. 2 dem Statthalter übertragen worden ist, so 
kann durch Landesgesetz eine Abänderung nicht erfolgen, während 
die zweite Gruppe sich nach dem jeweiligen Bestande der Landes- 
gesetzgebung bestimmt‘). Die besondere Hervorhebung, daß der Statt- 
1) Auch in der Praxis wurde diese Ansicht befolgt; vgl. Reichsgesetzbl. 1879, 
S. 282; 1885, S. 273; 1888, S. 189; 1890, S. 2; 1894, S. 529; 1907, S. 759. 
2) In politischer Beziehung wird durch die Gegenzeichnung des Reichskanzlers 
die Uebereinstimmung des Statthalters mit ihm in der politischen Tendenz und Grund- 
auffassung verbürgt. Der Reichskanzler hat einen gesetzlich begründeten Einfluß auf 
die Auswahl des Statthalters. 
3) Die Kaiserl. Verordnungen werden daher nicht im Gesetzbl. für Els.-Lothr., 
sondern im Reichsgesetzblatt verkündet. Siehe Note 1. 
4) Die durch $ 10 des Ges v. 30. Dez. 1871 (Gesetzbl. f. Els.-Lothr. 1872, S. 49) 
dem Oberpräsidenten übertragenen „außerordentlichen Gewalten“, welche durch das 
Ges. v. 4. Juli 1879 $ 2 auf den Statthalter übergegangen waren, sind durch das RG. 
v. 18. Juni 1902 (RGBl. S. 231) aufgehoben worden.
	        
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