304 $ 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete.
gesetz vom 9. Juni 1895 wurden dann auch Schutztruppen für Südwest-
afrıka und für Kamerun errichtet, auf welche das Gesetz vom 22. März
1891 für anwendbar erklärt wurde. Die Schutztruppen sind keine Teile
des Reichsheeres, sondern eine vom Reichsheer verschiedene bewaffnete
Macht des Reichs. Die Reichsmilitärgesetze finden daher auf die Schutz-
truppen nur Anwendung, insoweit sie für dieselben besonders in Kraft
gesetzt worden sind oder nach ihrem Inhalt auch für die Schutz-
truppen oder Angehörige gelten sollen. Eine umfassende Regelung
erhielten die Rechtsverhältnisse der Schutztruppen durch das Reichs-
gesetz vom 7. Juli 1896 (Reichsgesetzbl. S. 187), welches die Form
einer Novelle zu den Gesetzen vom 22. März 1891 und 9. Juni 1895
hatte und für den Reichskanzler die Ermächtigung enthielt, die Be-
stimmungen dieser Geseize zusammenzustellen. Diese neue Redaktion
des Schutztruppengesetzes trägt das Datum vom 18. Juli
1896 (Reichsgesetzbl. S. 653). Gleichzeitig mit diesem Gesetz traten
die Militärstrafgesetze des Deutschen Reichs in den afrikanischen
Schutzgebieten in Kraft. Das Gesetz vom 18. Juli 1896 8 18 enthält
die Anordnung, daß durch kaiserliche Verordnung bestimmt wird, in
welchen Schutzgebieten und unter welchen Voraussetzungen wehr-
pflichtige Reichsangehörige, die daselbst ihren Wohnsitz haben, ihrer
aktiven Dienstpflicht bei den Schutztruppen Genüge leisten dürfen.
Diese Vorschriften sind für die Schutztruppe für Südwestafrika erlassen
worden durch die Verordnung vom 30. März 1897 (Reichsgesetzbl.
S. 167 ff.); sie enthält zugleich die Bestimmung, daß Angehörigen des
Reichsheeres oder der kaiserlichen Marine, welche auf Grund freiwil-
liger Meldung der Schutztruppe für Südwestafrika zugeteilt werden,
die Zeit, während welcher sie bei der Schutztruppe dienen, auf die
aktive Dienstzeit im Heere oder in der Marine angerechnet wird ($ 1).
Daß diese Vorschriften nur für Südwestafrika erlassen worden sind,
hat seinen Grund darin, daß nur diese Schutztruppe auch aus Ge-
meinen des Reichsheeres und der Marine besteht '), während bei den
anderen Schutztruppen die Gemeinen aus der farbigen Bevölkerung
durch Werbung genommen werden. Die Dienstverhältnisse der Far-
bigen bestimmen sich nach dem Werbekontrakt‘). Die strafrechtlichen
und Disziplinarverhältnisse der farbigen Angehörigen der ostafrikani-
kaiserlichen Schutztruppen (Reichsgesetzbl. S. 670 ff.); ferner die Disziplinarstraford-
nung von demselben Tage (Kolonialbl. S. 515). Infolge der Militärstrafgerichtsord-
nung vom 1. Dezember 1898 wurde das strafgerichtliche Verfahren gegen Militärper-
sonen der Schutztruppen neu geregelt durch die kaiserl. Verordnung vom 18. Juli
1900 (Reichsgesetzbl. S. 831 ff... Jetzt ist an die Stelle derselben getreten die kai-
serl. Verordn. vom 2. November 1909 (RGBl. S. 943). Auch die beiden
Reichsgesetze über Offizierspensionen und Mannschaftsversorgung vom 31. Mai 1906
(RGBl. S. 565 und 593) und das Reichsges. vom 17. Mai 1907 (RGBl. S. 214) über die
Hinterbliebenen-Fürsorge sind auf die Schutztruppen in Geltung gesetzt worden.
1) Gesetz vom 18. Juli 1896, $ 25.
2) Vgl. über ihre Dienstverhältnisse Sassen S. 461g.