312 sS 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete.
Bestimmungen gelten. Mit der Entwicklung der Schutzgebiete wuchs
nicht nur die Zahl und Bedeutung dieser Beamten, sondern auch das
Bedürfnis besonderer Vorschriften über ihr Dienstverhältnis. Nachdem
das Reichsbeamtengesetz im Jahre 1907 neu gefaßt und durch das
Besoldungsgesetz 1908 ergänzt worden war und nachdem die beson-
deren Verhältnisse der Schutztruppen in den Militärpensionsgesetzen
bereits eingehend berücksichtigt worden waren, wurden auch die
Rechtssätze über das Dienstverhältnis der Kolonialbeamten kodifiziert
in dm Kolonialbeamtengesetz!) vom 8. Juni 1910 (RGBl.
Ss. 881). Auf Grund der im $& 159 des Gesetzes erteilten Ermächtigung
ist die kaiserliche Verordnung vom 3. Oktob. 1910 (RGBl. S. 1091) zur
Ausführung des Kolonialbeamtengesetzes ergangen. Durch Besoldungs-
ordnungen sind die Diensteinkommen der Schutzgebietsbeamten der
Zivil- und Militärverwaltung in den Schutzgebieten Afrikas und der
Südsee und der etatsmäßigen und nicht etatsmäßigen Beamten im
Schutzgebiet Kiautschou festgesetzt worden ’?).
2. Obgleich durch das Kolonialbeamtengesetz das bisher tatsächlich
schon bestehende Recht nicht sehr wesentlich verändert worden ist,
so hat dieser Gesetzgebungsakt doch erhebliche staatsrechtliche Folgen.
Der Kaiser kann durch Verordnungen das Dienstverhältnis der
Kolonialbeamten nicht mehr regeln, soweit ihn das Gesetz selbst nicht
dazu ermächtigt. Das Gleiche gilt von dem Verordnungsrecht des
Reichskanzlers und deni delegierten Verordnungsrecht der Gouverneure.
Sodann ist dadurch, daß das Kolonialbeamtenrecht besonders ko-
difiziert worden ist, jeder Zweifel darüber beseitigt, daß Gesetze und
Verordnungen, welche das Dienstverhältnis der Reichsbeamten be-
treffen, auf die Kolonialbeamten nur Anwendung finden, wenn ihre
Geltung auf sie erstreckt wird. Dies gilt z. Be vom Beamten-Unfall-
fürsorge-Gesetz vom 18. Juni 1901. Jedoch bestimmt 81 des Gesetzes,
daß die Vorschriften, durch welche das Reichsbeamtengesetz und das
Beamtenhinterbliebenengesetz abgeändert werden, ohne weiteres auch
auf die Kolonialbeamten Anwendung finden sollen.
Ferner ist für den Schutzgebietsetat hinsichtlich der Besoldung
und anderen Diensteinkünfte der Beamten eine gesetzliche Grundlage
gegeben.
Endlich ist hinsichtlich der im Reichsbeamtengesetz dem Bundesrat
vorbehaltenen Bestimmungen und Entscheidungen der Reichskanzler
an die Stelle des Bundesrats getreten. (Gesetz 8 1 Ziff. 3.)
3. Da an der Spitze des Gesetzes der Grundsatz steht, daß auf die
Kolonialbeamten die Vorschriften des Reichsbeamtengesetzes und des
1) Ausgaben des Gesetzes mit Ergänzungen und Erläuterungen von K. Romberg.
Mannheim und Leipzig (ohne Jahreszahl, aber von 1910), von Doerr 1910 und von
Gerstmeyer, Berlin 1910 (280 S.).
2) Das Kolonialbeamtenges. gilt für eingeborene (farbige) Beamte nicht; der
Kaiser kann aber Bestimmungen dieses Gesetzes für sie in Geltung setzen, $ 58.