8 71. Die Gesandtschaften. 9
aber unterscheidet sich das im $& 353a normierte Vergehen dadurch,
daß bei dem Landesverrat die Absicht erforderlich ist, das Wohl des
Deutschen Reiches zu gefährden oder ein Staatsgeschäft zum Nachteil
des Reiches zu führen (RStrGB. $ 92), während der $ 353a nur den
Vorsatz verlangt, dem amtlichen Befehle des Vorgesetzten zuwider zu
handeln, mag dies vielleicht auch in der Meinung geschehen, das Wohl
des Reiches dadurch zu fördern. Der $ 353a sichert den »diploma-
tischen Gehorsam« in einer ähnlichen, wenngleich weniger strengen
Art, wie die Anordnungen des Militär-Strafgesetzbuches den mili-
tärischen Gehorsam sichern.
Ill. Leitung der Tätigkeit. Die oberste Leitung des ge-
samten diplomatischen Dienstes der Gesandtschaften steht dem Kaiser
ganz selbständig zu. Man kann dieses Recht des Kaisers als den di-
plomatischen Oberbefehl dem ihm gebührenden militärischen Ober-
befehl an die Seite stellen. Beide sind durch Gesetze nicht geregelt,
sondern nach seinem persönlichen Ermessen zu handhaben.
1. Dem Bundesrat steht keinerlei Mitwirkung zu, weder bei
der Ernennung und Abberufung von Gesandten noch bei der Erteilung
von Instruktionen an dieselben. Namentlich hat der Bundesratsaus-
schuß für die auswärtigen Angelegenheiten keinen Anteil an der Ver-
waltung!). Nur soweit es sich um die Errichtung von neuen oder
um die Einziehung von bestehenden Gesandtschaften handelt, ist dem
Bundesrate und dem Reichstage durch das Budgetrecht indirekt eine
Mitbestimmung gesichert.
2. Der Reichskanzler ist verpflichtet, bei allen wichtigeren
Geschäften des auswärtigen Dienstes den Befehl des Kaisers einzuholen.
Maßgebend dafür sind die in der preußischen Verordnung vom 27. Ok-
tober 1810 über die Verfassung der Staatsbehörden enthaltenen Vor-
schriften?). Nach denselben ist der Chef des Auswärtigen Amtes ver-
pflichtet, dem Kaiser die genaueste Uebersicht und Kenntnis sämt-
licher auswärtigen Verhältnisse zu verschaffen, demselben alle Berichte
der Gesandten und Geschäftsträger sowie die von Fremden über-
gebenen Noten oder gemachten Eröffnungen vorzulegen oder Vortrag
über dieselben zu halten. Nach den Entschließungen des Kaisers hat
der Reichskanzler die Geschäfte des Auswärtigen Amtes zu leiten, den
fremden Gesandten Antwort, den Reichsgesandten Instruktionen zu er-
teilen. »Sobald es darauf ankommt, den kaiserlichen Gesandten Ab-
weichungen von den ihnen früher gegebenen Vorschriften über poli-
tische Verhältnisse oder die Verfolgung wichliger Gegenstände aufzu-
geben, muß die Ausfertigung der Regelnach vom Kaiser
selbst vollzogen werden.« Inanderen Fällen erläßt der Reichs-
kanzler die Verfügungen in seinem Namen, ebenso in wichtigeren,
1) Vgl. Bd. 1, $ 28, IIL, S. 232.
2) Preuß. Ges.-Samml. von 1810, S. 3#., bes. S. 20. Vgl. Stoerk in v. Stengels
Wörterb. II, S. 133.