Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

8 74. Das Eisenbahnwesen. 127 
sonst Gesetze die Rechtsbefugnisse der Behörden oder die Rechts- 
pflichten der Angehörigen des Staates begründen und begrenzen oder, 
wie dies oben näher dargetan wurde, einen Befehl enthalten, spricht 
Art. 45, Ziff. 1 der Reichsverfassung einen Wunsch aus, sie steckt 
ein Ziel, auf dessen Erreichung das Reich hinstreben soll'). In Wirk- 
lichkeit ist die Erreichung dieses Zieles gelungen. Der Bundesrat hat 
ein Betriebsreglement beschlossen, welches auf allen Eisenbahnen 
Deutschlands, auch auf denjenigen Bayerns, in Kraft getreten ist?). 
Seine Geltung aber beruhte staatsrechtlich nicht auf dem Befehl des 
Reiches, sondern auf dem Willen der einzelnen Staaten und Eisen- 
bahnverwaltungen. 
In eine neue Phase trat diese Angelegenheit durch den Berner 
Vertragüber deninternationalen Eisenbahnfracht- 
verkehr vom 14 Oktober 1890 (Reichsgesetzbl. 1892, S. 793 ff.), 
durch welchen übereinstimmende Regeln für den Eisenbahntransport 
von Gütern, welche auf Grund eines durchgehenden Frachtbriefs aus 
dem Gebiete eines der vertragschließenden Staaten in das Gebiet eines 
andern vertragschließenden Staates befördert werden, vereinbart wur- 
den. Die bisher im Gebiete des deutschen Betriebsreglements geltenden 
Grundsätze mußten in manchen Beziehungen erhebliche Aenderungen 
erfahren, um den Beitritt Frankreichs, Belgiens, Italiens, der Schweiz 
und Rußlands zu dem Vertrage zu ermöglichen °). Da nun aber für 
zweifellos. Der Regierungsentwurf Art. 40 lautete: „Es sollen demgemäß in tun- 
lichster Beschleunigung gleiche Betriebseinrichtungen getroffen, insbesondere gleiche 
Bahnpolizei- und Betriebsreglements für Personen- und Gütertransport eingeführt 
werden.“ Die jetzige Fassung, welche im wesentlichen von dem Abgeordneten Mi- 
chaelis herrührt, motivierte derselbe damit, daß da, „wo die Interessen der Eisen- 
bahnen zu unbedingt der Reglementierung des Bundes unterworfen worden waren“, 
ihnen eine gewisse Sicherheit gewährt werden sollte „gegen unberechtigte Willkür“. 
„Wir haben zunächst“ — sagt er — „im Art. 40 das Wort ‚gleiche Betriebsein- 
richtungen‘ in übereinstimmende Betriebseinrichtungen‘ umgewandelt. Sie 
sehen, es sind leichte Umwandlungen, welche indes den Anforderungen des Bundes, 
soweit sie nicht in der Natur der Sache begründet wären, die Spitzeabbrechen“. (!) 
Stenogr. Berichte S. 504. Vgl. auch die sehr zutreffende Ausführung von Hänel, 
Staatsr. I, S. 656 und Seydel, Kommentar S. 277. 
1) Der Abgeordnete Michaelis bezeichnet a. a. OÖ. die von ihm formulierten 
Verfassungsbestimmungen selbst „als eine Instruktion für das Eisenbahnkommis- 
sariat des Bundes, dahin gehend, auf Herstellung und Aufrechterhaltung übereinstim- 
mender Betriebsreglements hinzuwirken“. 
2) Dasselbe ist vom 11. Mai 1874 datiert und im Zentralbl. S. 179 gedruckt. Ab- 
änderungen desselben wurden ebenfalls im Zentralbl. veröffentlicht. Ein gleichlauten- 
des Reglement für Bayern erging am 2. Juni 1874. In Oesterreich-Ungarn 
und einigen anderen mitteleuropäischen Staaten Luxemburg, Niederlande 
usw.) wurden dieselben Reglements mit unbedeutenden Abweichungen erlassen. 
3) Ueber den Berner Vertrag, seine Vorgeschichte und seinen Inhalt, gibt es 
bereits eine sehr umfangreiche Literatur. Aus derselben ist besonders hervorzuheben 
Gerstner, Internationales Eisenbahnfrachtrecht, Berlin 1893. Daselbst Seite XILL ff. 
ein vollständiges Literaturverzeichnis. Ferner v.d. Leyen in der Zeitschrift für das 
ges. Handelsrecht Bd. 39, S. 1ff.;, Eger, Das internationale Uebereinkommen über
	        
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