Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

$ 78. Die Gewerbepolizei. 207 
sonderen Schutz und besondere Begünstigungen zu erteilen, nament- 
lich durch Verhinderung oder Erschwerung der Konkurrenz, d.h. 
durch Beschränkung der allgemeinen Gewerbefreiheit. Hierdurch 
entsteht eine Verwaltungstätigkeit des Staates, für welche der Gewerbe- 
betrieb der Einzelnen nicht bloß Motiv und Zweck, sondern unmiittel- 
bares Objekt ist. Man faßt dieselbe unter, der Bezeichnung G e- 
werbepolizei zusammen. Sie bildet den Gegensatz und die Ein- 
schränkung der Gewerbefreiheit'). Soweit der Grundsatz der 
Gewerbefreiheit anerkannt ist, gibt es keine staatliche Gewerbeverwal- 
tung; die letztere hat es ausschließlich mit Beschränkungen der Ge- 
werbefreiheit zu tun, so wie das Wesen der Polizei über- 
haupt darin besteht, daß die natürliche Handlungs- 
freiheit des einzelnen im Interesse der Gesellschaft 
oder des Staates Beschränkungen unterworfen wird’). 
Insoweit durch die Gewerbeordnung die im früheren Rechte begrün- 
deten Beschränkungen der Gewerbefreiheit beseitigt worden sind, ist 
daher die staatliche Verwaltung des Gewerbewesens fortgefallen; dafür 
sind ihr aber von der Reichsgeseizgebung im sozialpolitischen Inter- 
esse neue Aufgaben in stets wachsendem Maße gestellt worden. 
I. Zuständigkeit des Reiches und der Einzelstaaten. 
Die Reichsverfassung hat der Gesetzgebung und Beaufsichtigung 
seitens des Reiches zugewiesen »die Bestimmungen über den Gewerbe- 
1) Die Beschränkungen der allgemeinen Gewerbefreiheit können zugleich Unter- 
sagungsrechte von vermögensrechtlichem Inhalte zugunsten einzelner Gewerbetrei- 
benden bilden (Zwangsrechte, Bannrechte, Monopole, Zunftprivilegien, Realgewerbe- 
rechte usw.), deren Verletzung im Wege des Zivilprozesses verfolgt werden kann. 
Es ist aber unrichtig, das Wesen der Gewerbefreiheit lediglich in der Aufhebung 
solcher Beschränkungen, welche die Gestalt subjektiver Privatrechtsbefugnisse ge- 
wonnen haben, zu erblicken. Gewerbefreiheit ist überhaupt kein Begriff von positivem 
Rechtsinhalt und noch viel weniger ein subjektives Recht, sondern die Negation 
gesetzlicher Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit in bezug auf die ge- 
werbliche Tätigkeit. Ueber abweichende Ansichten vgl. Rehm, Die rechtliche Natur 
der Gewerbskonzession, München 1889. Der in dieser Abhandlung durchgeführten 
Theorie von der rechtlichen Bedeutung der Gewerbefreiheit kann ich mich nicht 
anschließen, da ich die Grundlage derselben, die Annahme „eines Mittelbegriffs zwi- 
schen Recht und Nichtrecht“, wofür Rehm die Bezeichnung „Befugnis“ wählt, für 
unhaltbar erachte. Eine „Befugnis“ ist entweder eine Rechtsbefugnis, d. h. die 
Ausübung eines Rechts, oder eine natürliche Befugnis, d. h. eine (vom Recht 
nicht untersagte) Ausübung der natürlichen Handlungsfähigkeit. Die Auf- 
hebung von Verboten, welche bestimmten Aeußerungen der natürlichen Handlungs- 
fähigkeit im früheren Recht entgegenstanden, macht dieselben zwar aus unbefugten 
zu befugten, ändert aber die Quelle nicht, aus welcher die Befugnis herstammt, auch 
wenn die Negation des Verbotes sich in die positive Wortfassung einer Erlaubnis ein- 
kleidet. Vgl. über diese Frage und die verschiedenen Ansichten Landmann ]J, 
S. 58 ff. 
2) Seydel in Hirths Annalen 1881, S. 573fg.;, G. Meyer, Staatsrecht 8 176, 
Ss. 644; Rosin, Polizeiverordnungsrecht S. 121ff. und im Verwaltungsarchiv Bd. 3, 
Ss. 249 ff. O. Meyer, Deutsches Verwaltungsrecht I, S. 249, 253.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.