8 72. Die Konsulate. 23
nicht die territoriale Staatsgewalt die Fürsorge für die unvertretenen
Vermögensinteressen Abwesender sich selbst und ihren eigenen Be-
hörden ausschließlich beilegt. Die Konsularverträge haben jedoch ge-
rade in dieser Beziehung die Befugnisse der deutschen Konsuln ge-
sichert?), und in vielen Staaten wird allgemein die Fürsorge der aus-
ländischen Konsuln für die vermögensrechtlichen Angelegenheiten ihrer
Schutzbefohlenen geduldet. Die einzelnen Fälle einer solchen konsu-
larischen cura absentis sind folgende:
«) Die in ihrem Amtsbezirk befindlichen Verlassenschaften
von Reichsangehörigen unterliegen der Fürsorge der Reichskonsuln,
wenn dieselben wegen Abwesenheit der nächsten Erben oder aus ähn-
lichen Gründen geboten erscheint. Unter dieser Voraussetzung sind
sie befugt, den Nachlaß zu inventarisieren, zu versiegeln und, wenn es
die Umstände erfordern, in Besitz zu nehmen?). Sie sind sogar er-
mächtigt, Nachlaßgegenstände öffentlich zu verkaufen, insbesondere
wenn dieselben dem Verderben oder der Entwertung ausgesetzt oder
schwer aufzubewahren sind, und die vorhandenen Gelder zur Tilgung
der feststehenden Schulden zu verwenden’).
Es liegt ihnen ferner ob, die Erben und, falls dieselben oder deren
Aufenthalt nicht bekannt sind, das Auswärtige Amt von dem Todes-
fall in Kenntnis zu setzen und den Nachlaß, sobald es tunlich ist, an
die legitimierten Erbfolger oder an die kompetente einheimische Be-
hörde zu senden‘. Auch der Nachlaß eines auf einem deutschen
1) Der Konsularvertrag mit den Vereinigten Staaten Art. 8 (Reichsge-
setzbl. 1872, S. 99) erklärt ausdrücklich, daß die Konsuln „als die gesetzlichen Ver-
treter der abwesenden Landsleute angesehen werden sollen“. Der Vertrag mit Costa
Rica Art. 30 a. E. überträgt ihnen sogar die Führung der Vormundschaft
über Waisen und Minderjährige. Vgl. auch den Vertrag mit Italien Art. 11, Nr.7;
mit Spanien Art. 11, Nr. 8.
2) Die ausführlichste Darstellung bei Esperson II, Nr. 1ö54fg., S. 94. Vgl. auch
v. König, Handbuch S. 400 ff. Vgl. ferner die Vorschriften des Bundesrats über
Auswandererschiffe v. 14. März 1898 (Reichsgesetzbl. S. 57) Ziff. 11.
3) Konsulatsgesetz 8 18. Abgesehen von den in diesem $ 18 erwähnten Fällen
gehört die Erhebung oder Verwahrung von Geldern für Privatpersonen nur dann zu
den amtlichen Öbliegenheiten eines Konsuls, wenn er von dem Auswärtigen Amte
oder der ihm unmittelbar vorgesetzten Dienstbehörde ausdrücklich Auftrag dazu er-
halten hat. Zirkularerlaß des Reichskanzlers vom 6. Dezember 1875 (Zentralbl.
1875, S. 817).
4) Der Umfang der den deutschen Konsuln zustehenden Befugnisse ist in den
Konsularverträgen verschieden begrenzt. Am engsten beschränkt ist er in dem Ver-
trage mit den Niederlanden Art. 11, etwas weiter geht der Vertrag mit den
Vereinigten Staaten Art. 10. Alle wesentlichen Sicherungsmaßregeln sind den
Konsuln eingeräumt in Italien und Spanien Art. 11 u. 12. Salvador Art. 27.
Costa Rica Art.30. Griechenland Art. 15-25. Serbien Art. 11-22. Süd-
afrika Art. 17—28 Hawai Art. 19. Guatemala Art. 25. Honduras Art.
25. Nicaragua Art. 25. Mit Rußland ist ein besonderer Vertrag über die Re-
gulierung von Hinterlassenschaften geschlossen worden am 12. November 1874 (Reichs-
gesetzbl. 1875, S. 136). Vgl. hierzu Frommelt in Hirths Annalen 1878, S. 385 ff.