AOS 8 86. Die Gerichtsbarkeit des Reichs.
Die andere Modifikation beruht im einzelnen auf sehr verschiedenen
Gründen, deren nähere Erörterung für das Reichsstaatsrecht kein In-
teresse hat; zu erwähnen ist nur, daß die Revision auf die Verletzung
einiger Gesetze gestützt werden kann, die zwar formell nur für einen
Bundesstaat erlassen sind, materiell aber in mehreren übereinstimmend
gelten, wie die auf Grund des preußischen Berggesetzes erlassenen
Berggesetze oder das badische Landrecht (französisches Recht), ferner
els.-lothr. Landesgesetze !).
Eine auf Grund des 5 6 des Einführungsgesetzes zur Zivilprozeß-
ordnung erlassene Verordnung ist dem Reichstage bei dessen nächstem
Zusammentreten zur Genehmigung vorzulegen. Erteilt der Reichstag
die Genehmigung, so erlangt die Verordnung formelle Gesetzeskraft,
d. h. sie kann nur im Wege der Reichsgesetzgebung abgeändert oder
aufgehoben werden’); versagt der Reichstag die Genehmigung, so tritt
die Verordnung für die am Tage des Reichstagsbeschlusses noch nicht
anhängigen Prozesse außer Kraft°?). Durch das Bürgerliche Gesetzbuch
und die zur Ergänzung desselben erlassenen Reichsgesetze haben diese
Rechtsvorschriften einen großen Teil ihrer Bedeutung eingebüßt.
c) Auch in denjenigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für welche
besondere Gerichte zugelassen sind, kann die Gerichtsbarkeit letzter
Instanz auf Antrag des betreffenden Bundesstaates mit Zustimmung
des Bundesrates durch kaiserliche Verordnung dem Reichsgericht
übertragen werden ®).
Die Voraussetzungen, unter denen ein solcher Antrag beim Reich
gestellt werden kann, bestimmen sich nach dem inneren Staatsrecht
des betreffenden Bundesstaates, insbesondere auch die Beantwortung
der Frage, ob die Regierung ohne Zustimmung des Landtages zur
werden kann, wenn dieselben über den Bezirk .des Berufungsgerichts hinaus für
den ganzen Umfang mindestens zweier deutscher Bundesstaaten oder zweier Pro-
vinzen Preußens oder einer preußischen Provinz und eines anderen Bundesstaates
Geltung erlangt haben. Für Bayern findet diese Anwendung hinsichtlich der vom
obersten Landesgerichte zu entscheidenden Sachen keine Anwendung; hier sind le-
diglich fünf Partikularrechte älterer Zeit, deren Geltungsbereich in Bayern ein sehr
geringer ist, als solche bezeichnet, auf welche die Revision nicht gestützt werden
kann. $ 6 der angeführten Verordnung.
1) Vgl. die Verordnung vom 28. September 1879, 8$ 7ff. und die Gesetze vom
15. März 1881 (Reichsgesetzbl. S. 38); 24. Juni 1886 (Reichsgesetzbl. S. 207); 30. März
1893 (Reichsgesetzbl. S. 139).
2) Vgl. Bd. 2, S. 72.
3) Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung Art. 6, Abs. 2. Auf Grund des-
selben ist die Verordnung vom 28. September 1879 (Reichsgesetzbl. S. 299) ergangen,
welcher der Reichstag in seiner Sitzung vom 10. April 1880 die Genehmigung erteilt
hat, jedoch mit Ausschluß des $ 3, Reichsgesetzbl. 1880, S. 102. Vgl. über die Ver-
ordnung die vortrefflichen Erörterungen von Ecciusa.a. 0. S. 20-50 und von
G. Fels, Revisionsrecht und Sonderrecht, Leipzig 1884.
4) Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz $ 3, Abs. 2. Insoweit dies
geschehen ist, gehören die Sachen in letzter Instanz gemäß dem oben entwickel-
ten Begriff zur ordentlichen Gerichtsbarkeit.