Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

8 86. Die Gerichtsbarkeit des Reichs. 411 
e) In dritter Instanz ist das Reichsgericht in Strafsachen regel- 
mäßig nicht zuständig. In denjenigen Fällen, in welchen die Straf- 
kammern der Landgerichte in der Berufungsinstanz urteilen‘), geht 
die Revision gegen ihre Urteile an die Oberlandesgerichte?). Jedoch 
kann an Stelle derselben die Zuständigkeit des Reichsgerichts be- 
gründet werden in Strafsachen wegen Zuwiderhandlungen gegen die 
Vorschriften über die Erhebung öffentlicher, in die Reichskasse 
fließender Abgaben und Gefälle, sofern die Staatsanwaltschaft bei der 
Einsendung der Akten an das Revisionsgericht den Antrag stellt, daß 
der Fall zur Entscheidung des Reichsgerichts gebracht werde‘). Bei 
den Reichssteuergesetzen ist eine gleichmäßige Anwendung der zur 
Sicherung ihrer Durchführung gegebenen Vorschriften für den Reichs- 
fiikus von hervorragendem Interesse und aus diesem Grunde die 
wenigstens fakultative Zuständigkeit des Reichsgerichts erforderlich. 
Es handelt sich hier um eine Modifikation eines prozeßrechtlichen 
Grundsatzes aus einem staatsrechtlichen Motive. 
II. Die besondere streitige Gerichtsbarkeit. 
Da der Begriff der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit 
durch zwei Momente bestimmt wird, so hat er auf dem Gebiete der 
streitigen Gerichtsbarkeit selbst einen doppelten Gegensatz: die Gerichts- 
barkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen, welche 
durch besondere Gerichte ausgeübt wird, und die Gerichtsbarkeit 
der ordentlichen Gerichte in anderen Rechtsstreitigkeiten als in 
bürgerlichen Prozessen und Strafsachen. In beiden Beziehungen steht 
dem Reich eine Gerichtsbarkeit zu. 
1. Die besonderen Reichsgerichte zur Entschei- 
dung von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und 
Strafsachen. 
a) Die Konsulargerichtsbarkeit‘) Sie it räumlich 
beschränkt auf diejenigen Länder, in welchen ihre Ausübung durch 
Herkommen oder durch Staatsvertrag gestattet ist’. Diese Länder 
beiden allein in Betracht kommenden Staaten Preußen und Bayern Gebrauch ge- 
macht. Preuß. Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 24. April 1878 
(Preuß. Gesetzsammlung S. 230) $ 50. Bayerisches Ausführungsgesetz zum Gerichts- 
verfassungsgesetz vom 23. Februar 1879 (Bayer. Gesetz- und Verordnungsbl. S. 273) 
Art. 41. Siehe oben S. 402 Note 2. 
1) Es sind diejenigen Fälle, welche in erster Instanz von den Schöffengerichten 
abgeurteilt werden. Strafprozeßordnung $ 354. Gerichtsverfassungsgesetz $ 76. 
2) Gerichtsverfassungsgesetz $ 123, Ziff. 2. 
3) Gerichtsverfassungsgesetz S 136, Abs. 2. 
4) Reichsgesetzüber dieKonsulargerichtsbarkeit vom7T. April 
1900 (Reichsgesetzbl. S. 213). Vgl. Lippmann, Konsularjurisdiktion im Orient, 
Leipzig 1898. 
5) Konsulargerichtsbarkeitsgesetz $ 1, Abs. 1. Vgl. v. Liszt, Völkerrecht 
S. 87 fg. Die Konsulargerichtsbarkeit erstreckte sich früher noch auf viele andere 
Länder; sie ist aber teils durch Verträge aufgehoben worden, teils dadurch in Weg-
	        
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