& 91. Der Gerichtsdienst. 475
Ermangelung solcher aus sonstigen achtbaren Einwohnern des Bezirks
berufen und müssen der an sie ergehenden Berufung Folge leisten).
Hinsichtlich der Ablehnungsgründe und der Strafen für die Verletzung
der Dienstpflicht finden die im Gerichtsverfassungsgesetz für die
Schöffen gegebenen Vorschriften Anwendung.
I. Derberufsmäßige Justizdienst.
Die Regeln, welche im allgemeinen für das Staatsbeamtenverhält-
nis gelten, finden auch auf die Justizbeamten Anwendung; die im
Reichsdienst angestellten Justizbeamten stehen daher unter den Vor-
schriften des Gesetzes vom 17. Mai 1907, die Landesjustizbeamten unter
den partikulären Gesetzen über die Rechtsverhältnisse der Staatsdiener.
Das Reich hat in dieser Beziehung die Autonomie der Einzelstaaten
nicht beschränkt und die fortdauernde Vielgestaltigkeit der Dienstver-
hältnisse der Justizbeamten im Reich zugelassen. Nur die Form,
in welcher sich diese Autonomie zu betätigen habe, ist für einige
Punkte vom Reich festgestellt worden, indem die Landesjustiz ver-
waltungen die Ermächtigung erhalten haben, die Geschäftseinrich-
tung der Gerichtsschreiberei bei den Landesgerichten, sowie die Dienst-
und Geschäftsverhältnisse der mit den Zustellungen, Ladungen und
Vollstreckungen zu betrauenden Beamten (Gerichtsvollzieher) zu be-
stimmen’).
Das gewöhnliche Dienstverhältnis der Justizbeamten wird aber in
eingreifender Weise modifiziert, wenn dem Beamten ein Richter-
amt übertragen wird. Für diesen Fall treten besondere Vorschriften
in Kraft, um die Unabhängigkeit der Richter zu verstärken und zu
sichern. Demgemäß hebt sich aus der Gesamtmasse der Beamten
und insbesondere aus derjenigen der Justizbeamten als eine rechtlich
ausgezeichnete Kategorie die der richterlichen Beamten hervor.
Nur für die verhältnismäßig kleine Zahl von richterlichen Beamten
des Reichs hat die Reichsgesetzgebung die dienstlichen Rechtsverhält-
nisse vollständig geregelt; hinsichtlich der richterlichen Beamten der
Einzelstaaten hat die Reichsgesetzgebung sich darauf beschränkt, der
Autonomie der letzteren durch Aufstellung von Normativbestimmungen
Schranken zu ziehen.
1) Konsulargerichtsgesetz $ 12. Ueber die Schutzgebietsgerichte siehe Bd. II,
S. 300.
2) Gerichtsverfassungsgesetz $ 154, 155. Für das Reichsgericht sind die ent-
sprechenden Bestimmungen vom Reichskanzler zu erlassen.
3) Nicht die „Anstellung im Justizdienst“, sondern die Uebertragung des Rich-
teramtes ist entscheidend; wenn ein Richter in die Justizverwaltung oder in die
Staatsanwaltschaft übertritt, verlieren daher die für richterliche Beamte geltenden
besonderen Vorschriften ipso jure ihre Anwendbarkeit auf ihn; andererseits kann
auch gewissen in anderen Ressorts angestellten Beamten mit Rücksicht auf das von
ihnen verwaltete Amt die rechtliche Sonderstellung der richterlichen Beamten ge-
währt werden, z. B. den Mitgliedern von Verwaltungsgerichten usw.