Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

494 8 92. Die Zeugenpflicht. 
Marine- und Militärgerichte, wenn Marineteile oder Truppenkörper sich 
im Auslande befinden. 
Allerdings können auch Personen, die sich im Auslande aufhalten, 
in den vor inländischen Gerichten schwebenden Rechtssachen als Zeu- 
gen vernommen und zu diesem Zwecke entweder vor das inländische 
Gericht (eventuell vor einen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen 
befugten Reichskonsul) geladen oder auf Grund einer Requisition vor 
dem Gericht ihres Aufenthaltsortes verhört werden. Allein im ersten 
Falle ist es von dem freien Willen des Zeugen abhängig, ob er sich 
zum Zwecke seiner Vernehmung an das inländische Gericht begeben 
will; einen Zwang kann das letztere gegen ihn weder tatsächlich aus- 
üben noch ist es rechtlich dazu befugt, und demgemäß ist eine Zeugen- 
pflicht im staatsrechtlichen Sinne hier nicht vorhanden. Im Falle des 
Ersuchens eines ausländischen Gerichts aber ist die Erfüllung der 
Zeugenpflicht Gehorsam gegen die Staatsgewalt (Gerichtsbarkeit) des 
Staates, in dessen Gebiet sich der Zeuge aufhält, nicht Gehorsam gegen 
das requirierende Gericht. Der ersuchte Staat stellt seine Gewalt dem 
ersuchenden Staate zu Diensten, ohne Unterschied, ob das Ersuchen 
durch Vermittlung des auswärtigen Amtes und der diplomatischen 
Vertretung oder direkt von Gericht zu Gericht ergeht. Dies gilt auch 
dann, wenn der auswärtige Staat sich durch Staatsvertrag dem Deut- 
schen Reich verpflichtet hat, Requisitionen um Zeugenverneh- 
mungen zu genügen !, Hiernach ist auch die öfters erörterte Kontro- 
verse ?), ob hinsichtlich der Vernehmung eines im Auslande wohnen- 
den Zeugen das Recht des Prozeßgerichts oder das Recht des requi- 
rierten Gerichts zur Anwendung komme, leicht zu entscheiden; man 
muß nur auch hier die prozessualischen Sätze von dem Zeugenbeweis 
und die staatsrechtlichen Sätze von der Zeugenpflicht auseinander hal- 
ten. Inwiefern eine Person ein beweisfähiges Zeugnis ablegen kann, 
welche Beweiskraft ihre Aussage hat, welche Formen bei ihrer Ver- 
nehmung zu beobachten sind, um ihrer Aussage Beweiskraft zu sichern 
usw., ist von dem Prozeßgericht nach seinem Prozeßrecht zu beurtei- 
len, da dies einen Bestandteil der dem Prozeßgericht obliegenden Er- 
ledigung des Rechtsstreites bildet; dagegen ob jemand zeugenpflichtig 
ist oder das Zeugnis verweigern darf und welche Rechtsfolgen eine 
1) Dies ist geschehen für Zeugenvernehmungen in nicht politischen Straf- 
sachen in den sogenannten Auslieferungsverträgen mit Italien vom 31. Oktober 
1871, 8 12 (Reichsgesetzbl. S. 454), mit der Schweiz vom 24. Januar 1874, Art. 12 
(Reichsgesetzbl. S. 118), mit Belgien vom 24. Dezember 1874, Art. 13 (Reichsge- 
setzbl. 1875, S. 84), mit Luxemburg vom 9. März 1876, Art. 13 (Reichsgesetzbl. 
S. 229), mit Brasilien vom 17. September 1877, Art. 14 (Reichsgesetzbl. 1878, 
S. 808), mit Schweden und Norwegen vom 19. Januar 1878, Art. 12, 13 (Reichs- 
gesetzbl. S. 121), mit Spanien vom 2. Mai 1878, Art. 13 (Reichsgesetzbl. S. 223) u.a. 
2) Vgl. v. Bar, Theorie und Praxis des internationalen Privatrechts (1889) II, 
S. 857 ff., 407 ff.; Bülow im zivil. Archiv Bd. 64, S.5lff.; Schrutka a.a.O0. 
S. 245 ff.
	        
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