Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

S 73. Das Post- und Telegraphenwesen. 61 
Inhalt der Briefe, Pakete usw. Nachforschungen anzustellen und Mit- 
teilungen darüber zu machen, sondern sie sind auch nicht befugt, die 
Tatsache, daß eine gewisse Korrespondenz überhaupt stattgehabt hat, 
unberufenen Personen zu verraten. Sie müssen also darüber Still- 
schweigen beobachten, daß jemand einen Brief, eine Postkarte, Post- 
anweisung, Paket, Depesche usw. erhalten hat; ebenso darüber, wie 
die Adresse oder Wohnung auf der Postsendung angegeben war oder 
daß eine gewisse Person postlagernde Briefe oder andere Postsendungen 
abgeholt habe usw.'). Auch zu Mitteilungen darüber, welche Zeitungen 
jemand bei der Post bestellt habe, sind die Postbeamten für nicht be- 
fugt zu erachten ?). 
b) Verpflichtet zur Bewahrung des Geheimnisses sind alle im 
Dienste der Post und Telegraphie angestellten Beamten mit Einschluß 
der Postagenten, gleichviel ob die Anstellung eine dauernde oder wider- 
rufliche ist. Dagegen kann niemand, der bei dem Betriebe der Post- 
anstalt nicht amtlich beschäftigt ist, das Postgeheimnis im Sinne des 
Postgesetzes verletzen). Insbesondere hat die Anordnung des $ 299 
des Strafgesetzbuches, daß derjenige bestraft wird, welcher einen ver- 
schlossenen Brief oder eine andere verschlossene Urkunde, die nicht 
zu seiner Kenntnisnahme bestimmt ist, vorsätzlich und unbefugter- 
weise eröffnet, gar keinen Zusammenhang mit dem für die Post be- 
stehenden Recht‘). Denn er beschränkt sich nicht auf den Schutz der 
1) Dambach-v. Grimm S.59fg.; Schwarze, Erörterungen aus dem deut- 
schen Strafprozeßrecht I, S. 103 (1881); Zorn II, S. 264; Löning S. 606, Note 4; 
Meyer-Dochow 8112, Nr.3; Anschütz S.552; AschenbornS.63; Wolcke 
S. 64 ff. Daselbst wird S. 67 ausgeführt, daß der Grundsatz auch für den internatio- 
nalen (Durchgangs-)Verkehr Geltung hat. Vgl. auch Hepp, De la correspond. privee 
(Paris 1864) pag. 29, nro. 40. Telegraphenordn. $ 2. Dagegen findet Löwe, Kom- 
mentar zur Strafprozeßordn. $ 99, Note 1 hierin nicht eine Verletzung des Brief- 
geheimnisses, sondern des Amtsgeheimnisses, welches nur durch Mitteilungen an 
unberufene Personen verletzt werde. Ebenso Stenglein, Nebengesetze S. 286. 
In der 8. Aufl. von Löwe (bearbeitet von Hellweg) S. 362 ist jedoch die hier 
vertretene Ansicht angenommen worden. Ebenso hat die oberste Postbehörde 
sie wiederholt als richtig anerkannt. Dambach S. 68; Sydow in von Stengels 
Wörterbuch I, S. 2455; Aschenborn.a.a. OÖ. Im Telegraphengesetz S8ist 
sie sanktioniert worden. Siehe auch Intern. Telegr.-Vertr. Art. 2. 
2) Vgl. Stenogr. Ber. des Reichstages 1873 (I. Legislat., 4. Sess.), S. 1419. Da- 
gegen ist in der Veröffentlichung statistischer Notizen über die Anzahl von Bestel- 
lungen auf die einzelnen Zeitungen eine Verletzung des Briefgeheimnisses nicht zu 
erblicken. Aschenborn S. 65, Note 3. 
3) Hinsichtlich der Telegraphie sind den „Telegraphenbeamten“ im $ 355 des 
Strafgesetzbuches gleichgestellt: „andere mit der Beaufsichtigung und Bedienung 
einer zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphenanstalt betraute Personen“; hier- 
hin gehören zunächst Eisenbahnbeamte, welche im Betriebe der Telegraphie 
beschäftigt werden, sodann aber auch Ehefrauen oder andere Familiengenossen von 
Telegraphenbeamten, welche als Gehilfen oder Vertreter der letzteren dienstlich 
verwendet (mit der Bedienung betraut) werden. Vgl. Ludewig, Die Tele- 
graphie S. 66. 
4) Tatsächlich erleichtert er in hohem Grade die Bestellung der Briefe an
	        
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