8 $ 95. Allgemeine Prinzipien.
ist eine durchaus unfreie; sie ist nach den vom Reich gegebenen
Gesetzen, Verordnungen und Reglements, nach den vom Kaiser
erlassenen Befehlen und nach Maßgabe der im Reichshaushaltsgesetz
festgestellten Etats zu führen. Die Einzelstaaten leisten (nach der
Reichsverfassung) die für ihre Kontingente erforderlichen Ausgaben,
aber es steht ihnen kein Pfennig zur Verfügung, der ihnen nicht durch
das Reichsbudget angewiesen ist; sie können keine Ersparnisse machen,
die sie nicht der Reichskasse überlassen müßten; sie haben nicht
darüber zu befinden, welche Ausgaben zu leisten oder zu unterlassen
sind, sondern sie sind auf die Ausführung dessen beschränkt, was
ihnen vorgezeichnet ist.
Auf der Verbindung dieser beiden Prinzipien beruht das Heerwesen
des Deutschen Reiches nach derjenigen Organisation, welche gemäß
der Reichsverfassung die normale ist. Hiervon weicht aber der tat-
sächlich bestehende Zustand sehr erheblich ab. Zunächst darf man
nicht übersehen, daß die in der Reichsverfassung anerkannten Rechts-
sätze in Preußen eine völlig andere Wirkung äußern wie in allen
übrigen Bundesstaaten: denn da der König von Preußen zugleich
Kaiser ist, so wird die Teilung der Befugnisse zwischen Landesherrn
(Kontingentsherrn) und Kaiser (Oberfeldherrn), welche die Reichsver-
fassung anordnet, hier nicht effektiv; sie bleibt eine nominelle, for-
male; die quoad jus getrennten Befugnisse fließen quoad exercitium
wieder zusammen. Dasselbe gilt vom Reichslande, über welches der
Kaiser die Staatsgewalt ausübt. Nach der entgegengesetzten Richtung
entfernt sich der für Bayern anerkannte Rechtszustand von dem
verfassungsmäßigen Normalrecht, indem durch den in der Reichsver-
fassung bestätigten Versailler Vertrag vom 23. November 18/0 dem
König von Bayern im Frieden der Oberbefehl über seine Armee
und die Besetzung sämtlicher Kommandos in derselben überlassen,
die Fortgeltung der bayerischen Militärgesetze, Verordnungen, Regle-
ments usw. bis zur Aufhebung im Wege der Reichsgesetzgebung zu-
gestanden, die Selbständigkeit der Armeeverwaltung, insbesondere
auch hinsichtlich der Aufstellung der Spezialetais, Rechnungskon-
trolle usw., gewährleistet worden ist. Wenn man der Kürze wegen
an dieser Stelle die Rechte des Kaisers als Oberbefehl, diejenigen des
Landesherrn als Kontingentsherrschaft bezeichnet, so lassen sich schon
nach den vorstehenden Ausführungen drei Gruppen unterscheiden:
in Preußen und dem Reichsland sind Oberbefehl und Kontingents-
herrschaft vereinigt in der Hand des Kaisers, in Bayern sind sie (im
Frieden) vereinigt in der Hand des Königs, in allen anderen Staaten
sind sie der Verfassung nach getrennt. Mit Ausnahme von Württem-
berg und Sachsen ist diese Trennung aber auf einem Umwege besei-
tigt, indem alle übrigen Staaten mit Preußen Konventionen abge-
schlossen haben, durch welche sie die Verwaltung ihrer Kontingente,
die Ernennung der Offiziere und Beamten und die meisten anderen