12 $ 96. Die Einheitlichkeit des Militärrechts u. der Heereseinrichtungen.
Ganzen und die Militärhoheit der Einzelstaaten über die Teile. Es
war nicht freier Wille, nicht Laune, nicht Zaghaftigkeit, nicht senti-
mentale Rücksicht auf das Geschichtlich-Gewordene, sondern es war
die Not, die außerordentliche Ungunst der politischen Verhältnisse,
welche diesen Weg wies. Die fein ausgedachte, geniale, den tatsäch-
lichen Verhältnissen entsprechende Art, wie dieses Problem gelöst
worden ist, macht die deutsche Heeresverwaltung zu einer Art von
juristischem Kunstwerk; es bereitet demjenigen, der dafür Sinn hat,
ein ästhetisches Vergnügen, zu erkennen, wie der Gegensatz der tech-
nisch-militärischen Erfordernisse und der staatsrechtlich-politischen
Ansprüche durchgeführt worden ist, gleichsam wie. zwei Motive, die
miteinander zu einer höheren Einheit harmonisch verbunden sind,
ohne daß ihre Antithese schwindet !).
Die reichsverfassungsmäßigen Grundlagen der Militär-
organisation lassen sich in dem Satze zusammenfassen: Dem Rei-
che steht zu die einheitliche Ordnung und Einrich-
tung des Heeres, der Oberbefehl in Krieg und Frie-
den, die Feststellung des Rekrutenbedarfs und des
Ausgabenetats; den Einzelstaaten ist verblieben
die Kontingentsherrlichkeit und die Selbstver-
waltung?)
89. Die Einheitlichkeit des Militärrechts und der Heereseinrichtungen.
I. Die Militärgesetzgebung.
Zur Zeit der Errichtung des Norddeutschen Bundes hatte jeder
deutsche Staat sein besonderes Militärrecht und seine besondere Hee-
resorganisation. Diese Vielgestaltigkeit sollte beseitigt und durch eine
einheitliche Regelung ersetzt werden; zu diesem Zwecke wurden in
die Verfassung zwei Sätze aufgenommen, Art. 4, Ziff. 14 und Art. 61,
welche in die Reichsverfassung übergegangen sind. Die erste dieser
Bestimmungen wies dem Bunde die Kompetenz zur Gesetzgebung
über das Militärwesen und die Kriegsmarine ohne jede Beschränkung
1) Ganz entstellt ist dieses Verhältnis in Arndts Staatsrecht S. 453 fg.
2) Auf ganz anderen Prinzipien beruht die Schaffung von Schutztruppen
in den Schutzgebieten; sie sind kein Bestandteil des Reichsheeres. S. Bd. 2 S. 304.
Auch die ostasiatische Besatzungsbrigade nahm eine Ausnahmestellung
ein und war eine besondere Formation neben den regelmäßigen Kontingenten; sie
war aber keine dauernde Einrichtung, sondern wurde zu einem vorübergehenden
Zweck gebildet. Vgl. das Reichsgesetz vom 25. Febr. 1901 8 5 u. 6 (Reichsgesetzbl.
S. 8) und vom 22. März 1901 S 7 (Reichsgesetzbl. S. 40). Ihre Verwaltung wurde
„dem Bundesstaate Preußen“ übertragen, da es eine Reichsmilitärverwaltung nicht
gibt; sie wurde gebildet „aus Militärpersonen der einzelnen Heereskontingente‘“,
nicht aus Angehörigen des (einheitlichen) Reichsheeres, nach dem Wortlaut der Reichs-
gesetze vom 1. April 1905 $ 7 (Reichsgesetzbl. S. 182) und vom 31. Mai 1906 $S 7
(Reichsgesetzbl. S. 478).